Kapitel 5

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Ein hochgewachsener totenbleicher Mann in einem schneeweißen Anzug.
Silberne Manschettenknöpfe in Form einer Fliege schimmerten an seinen Handgelenken.
Er hatte ein menschliches Gesicht; allerdings schien die Haut straff über die darunterliegenden Knochen
Gespannt zu sein, sodass seine Wangenknochen so scharf wie Messerklingen hervorstachen.
Statt Haaren krönte ein Kranz aus glitzerndem Stacheldraht sein Haupt.
Und er hatte goldgrüne Augen mit katzenartigen Pupillen.
~Asmodeus in City of Heavenly Fire~

Jonathan

Wortlos drückte ich der Braunhaarigen das Bündel von Geldscheinen in ihre zierlichen Hände.
Noch ehe sie irgendwelche verhängnisvollen Fragen stellen konnte, war ich bereits aus der Einkaufpassage verschwunden.

Wütend ballten sich meine Hände zusammen. Es hätte längst funktionieren müssen. Aber es hatte sich rein gar nichts geändert.
Man hatte mich reingelegt, von Anfang an hatte ich geahnt, dass ich mit diesem Dämon keine Geschäfte machen konnte.
Er hatte mich hinters Licht geführt und nun stand ich hier, als der Trottel der Nation.
Das würde er büßen.
Noch heute.
Ich müsste nur erst Orlow aufspüren.

Vor einigen Wochen hatte ich einige Vampire über ihn reden hören.
Igor Orlow war wohl ein Einzelgänger, der sich nicht gern in der Schattenwelt herumtrieb und sich so ziemlich aus Allem raushielt.
Allerdings wusste ich, wo ich ihn finden konnte.
Es war damals nicht schwer gewesen, die schwarzhaarige schöne Vampirin zu überzeugen.
Das war es nie für mich. Eine Frau war, wie ein offenes Buch für mich.
Mit genug Charme konnte ich jedes Geheimnis haben, was ich wollte.
Ein bitteres Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Unweigerlich wanderten meine Gedanken zur Irdischen und das unwohle Gefühl wuchs immer weiter.
Ich beschleunigte meine Schritte, ich musste mich beeilen, lange würde ich sie nicht allein lassen können.

Meine Hand schloss sich um das kühle Material des Türklopfers.
Ich stand vor einem ziemlich alten Haus und starrte konzentriert das dunkle Holz der Tür vor mir an.
Leise Geräusche drangen an mein Ohr und automatisch glitt meine Hand zu dem Griff meines Schwertes.
Meine Kapuze verbarg meine hellen Haare und ich trat einen Schritt nach links, näher zum Türrahmen.
Nur einen Sekundenbruchteil öffnete sich die Tür, doch das reichte aus.
Mein Fuß trat schwungvoll den Rest auf und bevor mein Gegenüber die Chance zum Reagieren hatte, warf sich mein Körper in den Türbereich und die Schwertspitze wurde gegen seine Kehle gedrückt.
„Morgenstern.", brummte mein Gegenüber mit schweren russischen Akzent. „Die Kapuze kann dich nicht verbergen."
Ich zuckte mit den Schultern. Es war mir reichlich egal.
Musternd trat ich einen Schritt vor, sodass der Hexenmeister gezwungen war einen zurück zu treten.

Er hatte hell weiße Haare, die zu einem strengen Zopf gebunden waren. Seine Augen waren eisblau und trüb, als wäre er blind. Trotzdem hätte man seine sonstige Erscheinung weitaus jünger eingeschätzt, eventuell 20, maximal. Hexenwesen hörten nach dieser Lebensspanne auf zu altern. Natürlich wurden sie älter, jedoch sahen sie auch nach 300 Jahren noch nach einen Jugendlichen aus.
Das Bizarrste an seinen Auftreten jedoch waren die pergamentartigen schwarzen Flügel, die auf seinen Rücken prangten.
Überdimensionale Fledermausflügel, das war also sein Erkennungszeichen.
Jedes Hexenwesen besaß ein unmenschliches Charakteristikum.

„Ich denke nicht, dass ich dir weiterhelfen kann.", murrte er nun auf Russich und starrte mich mit seinen blauen Augen an.
„Und ich weiß, dass du mir sehr gut weiterhelfen kannst.", antwortete ich grinsend und trat die Tür hinter mir zu. Sprachen, waren eines der vielen Dinge, die mir mein Vater schon früh beigebracht hatte.
Er kniff seine Augen zusammen und ein verbitterteren Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit.
„Du verstehst nicht! Ich habe keine Lust auf Ärger, Jonathan Christopher Morgenstern. Du wirst nicht nur vom Rat gesucht. Ich will mit Niemanden Probleme, auch wenn Gerüchte im Umlauf sind, die..." Wütend unterbrach ich ihn. „Was für Gerüchte?" Bedrohlich kam ich näher und er wich weiter in den Flur zurück.
Er zuckte zusammen, sagte er daraufhin nichts mehr und ich entspannte mich wieder ein wenig.
Mit der linken Hand zog ich aus meiner Jackentasche einige gefaltete Blätter hervor.
Er nahm sie zögernd an, seine Neugier siegte.
„Kopien... interessant. Woher hast du sie?"
Ich hatte ihm am Haken, doch blickte ihn gespielt desinteressiert an.
„Spielt das eine Rolle, wenn du tust was ich sage, erhältst du noch weitere."
Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht.

„Was soll ich machen?"
„Asmodeus beschwören."
Sein Grinsen fiel in sich zusammen.
Er wich einige Schritte zurück und starrte mich geschockt an.
Dann schüttelte er den Kopf.
„Das... nein... unmöglich."
Ich nickte. „Verstehe, nun ich habe das ganze Buch als Kopie, aber wenn du dir die Beschwörung nicht zu traust, dann suche ich mir wen Anders."
Er richtete sich auf und kniff du Augen zusammen.
„Das ganze Buch?"
Wieder nickte ich, steckte das Schwert in die Scheide an meinem Gürtel.
„Heute Abend 20 Uhr, hier."
Er nickte zögerlich, der Deal war einfach zu verlockend für ihn und ich hatte erreicht, was ich wollte.
Da es keinen Grund gab, dieses Treffen unnötig in die Länge zu ziehen, drehte ich mich herum und verließ das Haus des Hexenmeisters, der immer noch betöpelt im Flur stand.

Zoey

Geschafft ließ ich mich auf einer der vielen Bänke sinken, die in diesem Einkaufszentrum standen. Neben mir konnte ich das Plätschern des Brunnens hören und einige Kinder, die kreischend mit dem Wasser spielten.
Nochmals ging ich gedanklich meinen Einkauf durch. Ich hatte so viel wie nötig und gleichzeitig so wenig wie möglich Sachen eingekauft. Von Zahnbürste über Hygieneartikel bis hin zu Pullover und Sommerkleidern.

Die Zeit verstrich und ich kam mir seltsam verloren vor zwischen all den vielen Menschen, die von einem Geschäft zum Anderen zogen. Ich hatte Durst, doch ich wollte nichts trinken. Zu viel Trinken war für mich eine Gefahr. Je mehr Flüssigkeit in meinen Kreislauf war, umso höher war die Belastung auf mein Herz. So kam es, dass Andere darauf achten mussten genug zu Trinken, während ich stets darauf bedacht war, nicht zu viel zu Trinken.
Müde schloss ich meine Augen und lauschte den geschäftigen Hintergrundgeräuschen. Ehe ich das Klirren von Metall auf Metall hörte, welches mir seltsam bekannt vorkam.
Ich öffnete meine Augen und erblickte Jonathan, der einige Tüten trug und eine dunkelblaue Reisetasche vor meine Bank abstellte.
Meine Lippen waren trocken und kein Wort brachte ich heraus, jedoch verlor ich das Gefühl der Verlorenheit.
„Pack die Tüten hier rein.", sagte er kurz angebunden und musterte mich kurz.

Nachdem wir alle Tüten in die Tasche gestopft hatten, nahm er diese wieder an sich und warf sie sich über die Schulter. „Du...du musst nicht meine Sachen tragen.", meinte ich und fühlte mich schlecht, dass er für mich den Packesel spielte. Er zuckte mit den Schultern. „Es macht mir nichts aus. Komm jetzt." Damit ging er auch schon voran. Ich hatte Mühe ihm zu folgen, ohne außer Atem zu kommen.
Das Shoppen war anstrengender gewesen, als ich gedacht hatte, obwohl ich bewusst langsam alles erledigt hatte. Irgendwann drehte sich der Blonde zu mir herum und blieb stehen. Ich machte vor ihm Halt und blickte ausweichend auf den Boden. Es war mir peinlich, ich hasste es... Ich kam mir so alt vor und dabei war ich erst 18.

Nur am Rande bekam ich mit, dass er ein Taxi orderte. Er öffnete mir die Tür und schob mich vorsichtig auf die Rückbank, ehe er zum Beifahrersitz schritt. Er redete etwas in russisch mit dem Taxifahrer und ich lehnte müde meinen Kopf gegen die kühle Fensterscheibe. Es klang schön, seine Stimme, so rau, dunkel und doch melodisch. Ich bemerkte, wie ich einfach einnickte, doch ich konnte nichts dagegen tun.

Kurz flackerte das Bild eines Gebäudes vor mir auf, dann fielen mir wieder meine Augenlider zu.
Es wackelte etwas und irgendwann lag ich auf etwas Weichem und wurde umhüllt von einer schweren Decke, die wunderbar duftete. Zu müde um aufzuwachen, schlief ich einfach weiter und driftete ins Traumland ab.

Das zweite GesichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt