Kapitel 12

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„Helft Sebastian!“, befahl Amatis den Erdunkelten, die hinter ihr standen.
Sie war aufgesprungen und auf ihrem Gesicht zeichnete sich eine 
Mischung aus Trauer und Wut ab. 
„Tötet das Mädchen!“
Mühsam versuchte Jonathan, sich aufzusetzen. 
„Nein!“, rief er heiser. „Bleibt zurück!“
Dann schob sich Jocelyn an den Erdunkelten vorbei, 
ohne Amatis auch nur eines Blickes zu würdigen,
und kletterte die Stufen zum Podium hinauf.
~City of Heavenly Fire~

Jonathan 

Noch ein Gesicht tauchte vor mir auf und ich hielt verwundert die Luft an.
„Mutter?“, fragte ich benommen, nicht sicher, ob sie sich gerade wirklich neben Clary hockte.
Sie blickte mich überhaupt nicht mehr hasserfüllt an. Hustend spuckte ich Blut hervor, welches in einem warmen Rinnsal mein Kinn hinunter lief. 
Jocelyn presste die Lippen zusammen und dann tat sie etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte.
Sie zog mich unter den Armen auf ihren Schoß. Die Luft strömte nun etwas besser durch meine Lungen, da ich aufrechter saß. Ihre dünnen Arme hatten sich um mich geschlungen. Es war die mütterliche Umarmung, die ich mir tief im Inneren immer gewünscht hatte.
Kein Verabscheuen, keine Angst und kein Hass, als sie mich anschaute.

„Es tut mir Leid.“, keuchte ich angestrengt. Das Reden viel mir schwer. Alles drehte sich um mich herum und die Dunkelheit zog an meinen letzten Kräften.  „Es tut mir so furchtbar leid...“ Und das tat es. Alles. Mein Blick huschte zu meiner Schwester, die noch entsetzter schaute, als vor einigen Minuten. 
„Ich weiß, dass ich jetzt nichts mehr tun oder sagen kann, um noch mit Anstand zu sterben. Und ich könnte dir auch keinen Vorwurf machen, wenn du mir die Kehle aufschlitzt. Aber ich...“ „Clary, du musst dich beeilen.“, murmelte nun Jocelyn hinter mir. „Wa...was?“ Hörte ich meine Stimme verwirrt fragen. „Nein.. hört mir zu. Wenn ich tot bin... werden sich die Erdunkelten auf euch stürzen. Ich werde... si..sie nicht länger zurückhalten können.“, röchelte ich angestrengt. Ich blinzelte und starrte zu Clary. 

„Wo ist Jace?“ „Hier bin ich.“, kam es gepresst von ihm. „Nimm mein Schwert. Du ...du musst ihn aufschneiden.“ Jace nickte knapp und setzte sich in Bewegung. Jocelyn und Clary fragten verwirrt, was er aufschneiden sollte, doch Jace verstand mich und ging zielstrebig zu dem Behemoth-Dämon. 
„Er soll ihn ... den Kelch...danach in den Runenkreis werfen.“, murmelte ich. 
Meine Sicht flackerte und wurde immer dunkler. Ich hörte Clary rufen und aufgeregtes Stimmengewirr von den Erdunkelten. Ich wollte etwas hinzufügen, wollte mich entschuldigen, dass ich sie niemals hätte erschaffen dürfen. Doch seien wir ehrlich. Ich hatte dafür keine Kraft mehr.
Wieder hustete ich Blut und hörte das Rasseln in meiner Lunge.

„Clary, tu es!“, sagte Jocelyn drängend. Wovon sprach sie? Mühsam schlug ich meine Augen auf, versuchte zu erkennen was passierte.
Die Rothaarige hatte meine Stele in der Hand und war näher an mich heran gerückt. 
„Du musst ihn verdecken Mom. Es darf keiner sehen, aber... Ich weiß nicht ob es klappt.“ Es klang so verzweifelt, mehr als das, es schmerzte mich... nein sie sollten das nicht tun. 
Meine Hände umfassten ihr Handgelenk. 
„Clarissa, nein...“  

Keuchend setzte ich mich auf, meine Muskeln zitterten unkontrolliert. Eine schlanke Hand lag auf meiner Schulter und drückte diese sacht. „Jonathan, was... es war nur ein Traum.“, erklang ihre Stimme in der Dunkelheit. Ich spürte, wie sie sich über mich beugen wollte, um das Licht anzuschalten. „Nein, lass es aus.“ Ich hielt sie an ihren Schultern fest. 
Sie nickte, ich konnte es erkennen, da das Zimmer etwas vom Mond erhellt wurde. 
„Es war nur ein Traum.“, murmelte sie, hob ihre Hand und stoppte dann in der Luft. „Es war kein Traum...“ Ich wusste nicht, warum ich das gestand. Ich wusste auch nicht warum ich zuließ, dass sie ihre Hände auf meine nassen Wangen legte. Und noch weniger wusste ich, warum ich überhaupt weinte.

Das zweite GesichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt