Kapitel 22

430 29 0
                                    

Er streckte sich ihr entgegen, um sie zu küssen,
genau in dem Moment, als Clary sich zu ihm hinabbeugte,
und ihre Lippen trafen mit einer Wucht aufeinander, die ihr eine Mischung
aus Schmerz und Lust durch den Körper jagte.
Seine Hände glitten über ihre Haut. Clary schob die Finger in seinen Nacken 
und verschränkte sie in seinen feuchten Locken. Und dann öffnete er ihre Lippen,
tastete sich mit seiner Zunge vor.
~City of Heavenly Fire~

Eine weitere Woche war verstrichen und so langsam aber sicher gewöhnte ich mich an Clary‘s Wohnung. Ich hatte immer mal wieder überlegt, ob ich meinen Vater kontaktieren sollte. Aber ehrlich gesagt war ich sehr unschlüssig darüber, schließlich wusste ich nicht, ob wirklich der Rat die Vermisstenanzeige ins Fernsehen gebracht hatte oder er selbst. Vielleicht hatten sie ja schon Kontakt zu ihm aufgenommen und erpressten ihn? Oder er hatte es einfach akzeptiert, dass ich nicht mehr da war. Ich war 18, da war es ja im Grunde egal, wo ich mich nun herumtrieb. Er kam ja auch ohne mich zurecht. Ich seufzte und wischte mit dem Schwamm über den dreckigen Teller. Die Rothaarige war gerade im Wohnzimmer in einen der vielen Bücher vertieft, die sie aus der Bibliothek des Instituts mitgebracht hatte. Nicht dass das Wohnzimmer nicht schon mit Büchern überquellte. Innerhalb der 2 Wochen war zu dem einen großen Regal noch zwei weitere Kleinere dazu gekommen und verdeckten nun die komplette große lange Wand im Wohnzimmer. Wir hatten es in den letzten Tagen geschafft einige Topfpflanzen zu kaufen, die nun den Raum wohnlicher machten. Es war seltsam normal mit Clary zu streiten, welche Blütenfarbe besser zu dem Teppich oder den Kissen passte und ich war froh, dass sie ihre freie Zeit fast ausschließlich bei mir verbrachte. 

Oft kam natürlich auch Simon vorbei und schaute uns dabei zu, wie die Schattenjägerin versuchte mir einige Kampftipps zu geben. Meistens klappte das nur mäßig, da ich einfach zu schnell außer Atem war. Aber sie störte sich nicht daran, wartete geduldig und erzählte mir dann einfach andere nützliche Sachen. 
Auch wenn ich diese vermutlich nie anwenden könnte, da mir die Kraft dazu fehlte. Ich war trotzdem froh über die Ablenkung und ich denke, dass sie sich damit auch davon ablenkte, dass ihr Freund ihren Bruder nachjagte. Manchmal telefonierten sie Stunden lang und auch wenn man Clarys Stimme nie etwas von ihrer inneren Zerrissenheit anmerkte, so sah man es umso deutlicher in ihren Augen. Sie machte sich Sorgen, um Beide und wenn ich sie so sah, auf dem Sofa mit angezogenen Knien und wie wild auf ihrer Unterlippe herum knabbernd, während sie Jace Erzählungen lauschte, konnte ich nicht anders, als mir ebenfalls Sorgen zu machen.
Wie lange sollte das denn noch gut gehen? Irgendwann würden sie Jonathan vermutlich erwischen und dann? Konnte er überhaupt jemanden davon überzeugen, dass er sich verändert hatte?
Würde es was bringen, wenn Clary aussagen würde? Und die große Frage, würde sie dieses Risiko eingehen? Würde sich zwischen Jace und Jonathan stellen können? Ich wäre vermutlich schon längst verrückt geworden, aber außer in diesen kleinen schwachen Momenten, ließ sie sich nichts weiter anmerken. 
Es war schon echt rührend, wie sie krampfhaft versuchte mir zu helfen.

Sie suchte nach allen Möglichen in Büchern. Büchern über Mundies und Leute, die ebenfalls ein Zweites Gesicht hatten, aber so richtig schien sie nie die passende Antwort zu finden. Manchmal erhellte sich ihr Gesichtsausdruck, um kurz darauf wieder einzufallen. Dann murmelte sie meist irgendetwas zu sich selbst, ehe sie weiter blätterte und weiter und weiter... 
Einmal hatte ich versucht ebenfalls eines dieser Bücher in die Hand zu nehmen, doch sie hatte sie mir sofort wieder weggenommen mit den Worten "Dass ich mich nicht unnütz irre machen sollte.“ und das vieles was dort drin stand eh überhaupt gar nicht der Wahrheit entsprach. Vermutlich meinte sie damit die weniger erfreulichen Prophezeiungen, die mich erwarten würden, wenn man versuchen würde mich mit Magie oder Ähnlichen zu heilen. Wäre ich eine Schattenjägerin wäre das vermutlich wieder eine andere Sache, aber gut wäre ich eine richtige Nephilim, wäre ich erst gar nicht so krank. 
Schon witzig, dass man mit einem Zaubertrank jemanden in ein jahrelanges Koma bringen konnte, es aber nicht einmal schaffen konnte, jemanden von einer Herzinsuffizienz zu befreien. 
Ich stellte die tropfenden Teller in die Ablage und griff dann nach den dreckigen Töpfen. Gestern waren Izzy und Simon da gewesen und wir hatten gemütlich zusammen gekocht. 

Das zweite GesichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt