Kapitel 49

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Unvermittelt schaute er auf und blickte Clary an. "Was glaubst du, wie es wohl gewesen wäre wenn Valentin dich zusammen mit mir aufgezogen hätte? Hättest du mich dann geliebt?" Clary war froh, dass sie die Tasse bereits abgestellt hatte, sonst wäre sie ihr jetzt bestimmt aus der Hand gefallen. Sebastian musterte sie eindringlich - ohne jede Verlegenheit, die mit solch einer bizarren Frage üblicherweise verbunden war. Er studierte ihr Gesicht, als wäre sie eine seltsame, fremde Lebensform. "Na ja", setzte Clary bedächtig an. "Du bist mein Bruder. Ich hätte dich geliebt. Ich hätte wohl... gar nicht anders gekonnt." ~City of Lost Souls~

Mir wurde die Luft abrupt aus dem Brustkorb gepresst und ich flog schwungvoll nach hinten. Nur im letzten Moment schaffte ich es mich abzurollen, sodass ich nicht, wie ein nasser Sack, einfach auf die Übungsmatte knallte."Nicht schlecht", meinte Clary und ließ das Seil los. "Nicht Schlecht?" keuchte ich und rieb mir über meine Brust "Du hast mich völlig überrumpelt, als du von oben kamst." "Ja, ok aberdu konntest dich immerhin noch abrollen", gab sie zurück und hielt mir ihre Hand hin. Dankbar nahm diese an und ließ mir aufhelfen "Und wir tranieren ja auch erst seit 5 Tagen . Ich finde du hast dich echt gut bisher entwickelt.Wollen wir noch ein wenig Bogen schirßen?" Sofort erhellte sich meine Mine, 
was auch Clary bemerkte, denn sie lachte herzhaft auf und zog mich ans andere Ende der Halle. 
Bogenschießen war bisher meine Lieblingsdisziplin und wenn ich das glatt geschliffene Holz in meiner Hand spüren konnte und die Sehne spannte, fühlte ich mich sofort ... irgendwie mächtig. Auch wenn das vielleicht komisch klang.
Ich griff nach dem Langbogen und Clary zog sich einen kleineren sportlicheren Bogen, der leichter zu spannen war, aus dem Ständer hervor. 
Schnell hatte ich den Pfeil eingespannt und balancierte diesen auf meiner Hand. Dann zog ich mit Zeige- und Mittelfinger die Sehne zurück, sodass sie fast meine Nasenspitze berührte. 
Meine Augen visierten die Zielscheibe über der Pfeilspitze an und als ich die Sehne losließ, schoss der Pfeil mit einem Surren durch die Luft. Er schlug mit einem dumpfen Geräusch in die Zielscheibe ein und ich stellte mit Freuden fest, dass ich tatsächlich den Rand der Mitte getroffen hatte, während Clarys Pfeil im zweiten Kreis, nach der schwarzen Mitte gelandet war. 
„Du bist echt gut im Schießen. Du könntest fast Alec Konkurrenz machen“, lächelte sie und holte uns zwei neue Pfeile. „Findest du? Ich weiß nicht. Er trainiert schon seit er klein ist. Ich denke, es ist nicht zu vergleichen.“ „Wart erst mal ab. In einem Jahr wirst du sicherlich ebenso gut sein, wie er.“ 
Ich nickte und legte den nächste Pfeil an. 
Ja, es würde sicher noch eine ganze Weile dauern, ehe ich wirklich eine richtige Schattenjägerin sein würde. 

~~~

Später am Abend saßen wir im Wohnzimmer von Amatis Haus und diskutierten über einen passenden Nachnamen für mich. Morgen war es soweit, ich müsste nicht nur meinen neuen Namen verkünden, sondern auch den Schattenjäger-Eid ablegen. Ehrlich gesagt war ich sehr nervös und gleichzeitig auch frustriert, weil mir einfach kein vernünftiger Name einfallen wollte. Die letzten Tage hatte ich den Eid auswendig gelernt und über dem Codex gehangen, um mir einen guten Namen aus den gegebenen Begriffen zusammenzuwerfen. Aber bisher kam nur Schwachsinn bei raus. „Oh, oh warte! Wie wäre es mit Applefish, absoluter Hammer! Aber den würde ich lieber nehmen. Du kannst gerne Merrytree nehmen, das klingt so ein bisschen, wie Merryman. Also ein wenig Robin Hood Style, was sagst du?“, machte Simon den nächsten Vorschlag, bei dem ich am liebsten fluchtartig den Raum verlassen hätte. Da übernahm Clary schon die verbale Peitsche für mich. „Simon Lewis!“, fuhr Clary ihn an und boxte ihm hart gegen den Oberarm. „Wehe, du bringst nochmal so einen Vorschlag. Du hast ab jetzt Redeverbot.“ „Was, aber das ist unfair...“ „Redeverbot, Simon!“ Er seufzte nur theatralisch auf und gab uns den Codex zurück. 
„Hier steht außerdem“, murmelte ich, während ich den Bleistift zwischen die Zähne nahm und nach einem Blatt Papier hangelte. „Dass man einen Namen wählen soll, der möglichst wenig Aufsehen erregt. Na ja und so ein Bullshit, dass er meine Persönlichkeit, Wünsche und Hoffnungen widerspiegeln soll.“ Clary klatschte in die Hände und rappelte sich vom Wohnzimmerboden auf. Warum wir auf dem Teppich saßen und Simon das Sofa beschlagnahmte, konnte ich auch nicht mehr so genau nachvollziehen. Aber vermutlich lag es einfach an der Tatsache, dass der Teppich näher am prasselnden Kaminfeuer war. „Alles klar, Hoffnung, Persönlichkeit und Wünsche. Ich glaub dafür brauchen wir erst einmal eine Runde heißen Kakao. Irgendwelche Spezialwünsche?“, fragte sie und war schon auf den halben Weg in die Küche. „Ja, meiner mit Zimt.“ „Meiner auch!“, stimmte mir Simon wild nickend zu. 

Das zweite GesichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt