Seine dunklen Augen folgten jeder Bewegung seiner Mutter,
die drohend auf ihn zukam.
„Ist es das, was du willst: meinen Tod?", fragte er, breitete die Arme aus,
als wollte er Jocelyn umarmen, und trat einen Schritt vor.
„Nur zu! Töte dein eigenes Kind. Ich werde dich nicht aufhalten."
~City of Lost Souls~Prag... Tschechien? Aber...
Ich drehte mich zu ihm herum und schaute in seine schwarzen Augen.
Gelangweilt blickte er zurück und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Das ist unmöglich...", murmelte ich. Mein Blick wanderte zu den Häusern, um mich herum.
Es regnete nicht. Warum regnete es nicht?
Er musste mich anlügen. Er musste.
Ich ging einfach, so gut es eben ging.
Nach einigen Minuten wurden die Straßen geschäftiger, mehr Leute und Autos waren unterwegs. Sie fuhren auf der rechten Straßenseite. Trotzdem war es ein ganz normaler Alltag.
Aber mich blickten die Leute immer wieder komisch an.
Ich verdrängte es.Schwer atmend, presste ich meine Hände gegen den kühlen Stein unter mir.
Eine Windböe nach der Anderen erfasste meine braunen Haare und schien sie langsam zu trocknen.
Ich stand auf einer Brücke, auf einer schönen alten Steinbrücke.
In Prag. Der Hauptstadt Tschechiens.
Ein Wunder.
„Die Karlsbrücke.", ertönte es neben mir. Jonathan stand lässig an der Steinmauer der Brücke gelehnt und deutete mit einem Kopfnicken auf unsere Umgebung. „Die älteste Brücke über dem Fluss Moldau. Sie wurde im 14. Jahrhundert errichtet und gilt als Wahrzeichen der Stadt."
Karlsbrücke, Moldau, Prag...
„Du kommst von hier?" Wie konnte ich nur so eine dämliche Frage stellen und wie konnte ich überhaupt mit ihm reden?!
Er lachte kalt auf. Wütend blickte ich auf den Fluss unter mir und beobachtete die reißende Strömung.
Kaum beobachtete ich die Wassergewalten, verpuffte meine Wut.
Es war wunderschön.
Fast hätte ich ihn vergessen. Fast.
„Nein, aber das nennt man Allgemeinbildung." Aus einem kindlichen Reflex hätte ich ihm am liebsten nachgeäfft, doch ich biss mir auf meine Lippe.
Ich hatte ein größeres Problem, wenn man mal von meinen alltäglichen Problemen absah.
Er hatte mich irgendwie in eine fremde Stadt gebracht.
Ich war verletzt und... ich konnte komische Dinge sehen. Scheinbar.Die Minuten verstrichen, in denen ich einfach schwieg und das Wasser beobachtete.
In Gedanken tastete ich meine Umhängetasche ab, aber ich hatte mein Handy zu Hause gelassen.
In London.
Immerhin hatte ich an den Schlüssel gedacht. Haha.
„Mundie?", fragte ich, eines der Wörter, die vorhin gefallen waren, genauso wie Höllenhund und Rat...
„Irdische.", murrte der Blonde als Antwort. Sein Blick war immer noch auf die gepflasterte Straße gerichtet.
„Und ... und du bist Keiner?" Innerlich schlug ich mir einen harten Gegenstand an die Stirn.
Ich redete doch nicht ernsthaft gerade mit meiner eigenen Halluzination, oder?
Wieder war nur das Rauschen des Flusses zu hören und das leise Gemurmel der Menschen, die an uns vorbei gingen.
„Nein. Ich bin ein... Nephilim.", meinte er nach kurzem Zögern, als wäre er sich nicht darüber sicher.
Nephilim... ich hatte keine Ahnung, was das sein sollte.
Am Rande bemerkte ich mein Schwanken und die Erschöpfung, die über mich hereinbrach.
Er bemerkte es auch, denn er stand im nächsten Moment dicht neben mir und sagte: „Deine Wunde sollte versorgt werden." Ich nickte und erwiderte: „Hab ich doch gesagt, ich muss zu meinem Arzt. In London." Der Blonde schüttelte den Kopf, seine Gesichtszüge waren hart.
„Du kannst nicht zurück.", sagte er unnachgiebig und zog mich vom Geländer weg.
Ich nickte, ließ mich mitziehen. Wir kamen nur langsam vorwärts, meine Atmung machte mir ein Schnitt durch die Rechnung, wie immer.
Er drängte nicht, andererseits blieb er auch nicht stehen.
Selbst, wenn ich es gewollt hätte, sah ich keine Fluchtmöglichkeit. Er war schneller, als ich.
Schneller als jeder normale Mensch.Wir gingen zu einem großen Hotel, welches prunkvoll und nobel aussah. Jonathan ließ mich in der Lobby auf einen der bequemen antik aussehenden Sessel sitzen, um zur Rezeption zu gehen. Ich beobachtete ihn von Weiten und wunderte mich, warum keiner seine zahlreichen Waffen sah. Der Zweihänder auf seinem Rücken, konnte man doch nicht übersehen?! Die schlanke braunhaarige Frau an der Rezeption lächelte Jonathan höflich an. Sie nickte und tippte etwas in ihren Computer ein, niemals das Lächeln ablegend. Als sie ihm die Schüssel aushändigte, lachte sie. Über was, konnte ich nicht hören. Dann drehte sich Jonathan um. Sein galantes Lächeln, was er bis eben auf den Lippen gehabt hatte, fror ein und mit wenigen Schritten war er wieder bei mir. „Komm.", keine Bitte und keine Nettigkeit.
Wortlos ließ ich mich hochziehen.
Überall lag schön gemusterter Teppich aus und die Lampen, die an den Wänden und von der Decke hingen, verstreuten warmes einladendes Licht. Es sah alles verdammt teuer und gleichzeitig antik aus und ich traute mich nicht im Fahrstuhl gegen die Wand zu lehnen.
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Das zweite Gesicht
FanfictionZoey hatte sich immer als gutes Mittelmaß betrachtet. Doch seit einigen Wochen war sie nur noch diejenige mit der Krankheit. Nachdem sie an einem regnerischen Tag in London erst einen riesigen blutrünstigen Hund begegnet und dann auch noch ein blond...