51: Das Foto

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"Ich hab es ja nicht wirklich geglaubt, aber...", ertöte Hanas beschämte Stimme. Standfort starrte uns einfach nur fragend an. Ich trat einen Schritt zurück, nicht zu weit, da Ackermann mich noch immer an der Hüfte hielt.

"Habt ihr mal was von anklopfen gehört?", meinte Ackermann harsch und die Beiden zuckten zusammen.

"Entschuldigen sie, Sir.", murmelte Hana, die gerade zu realisieren schien, dass vor ihr immer noch Corporal Levi Ackermann stand. Standfort hatte den Mund wieder geschlossen und blickte uns nur noch wortlos an. "Wir wollten eigentlich mit dir reden, Cathi." Ich löste mich aus der Umarmung und blickte zu ihr.

"Vielleicht sollten wir das lieber in Ruhe besprechen.", ergriff Jem letztlich das Wort. Ackermanns Mine verfinsterte sich augenblicklich.

"In Ordnung.", meinte ich und wandte mich zu Levi um. "Du hast sicher noch etwas mit Erwin  zu besprechen." Er musterte mich finster und ich ahnte, dass ich mir später noch etwas anhören konnte. Sanft griff ich seine Hand. "Bitte..."

"Von mir aus.", gab er mürrisch zurück und schob sich an meinen Freunden vorbei. Was ein Muffel. Ich seufzte und knöpfte das Hemd über den Verbänden zu.

"Seit wann läuft da schon was?", meinte Hana und setzte sich auf mein Bett. Seufzend setzte ich mich auf den Stuhl und spielte mit dem Stofffetzen auf den Tisch.

"Schwer zu sagen, noch nicht lang jedenfalls.", meinte ich. Jem hatte inzwischen die Tür geschlossen. "Also, über was wolltet ihr reden?"

"Wir haben von den Freunden deines Bruders etwas bekommen.", meinte Jem und sah mich ernst an. Meine Augen wurden etwas größer. Ich hatte Robert die letzten Stunden gut verdrängen können. Er blickte zu Hana, sie stand auf und legte etwas auf dem Tisch ab. Er zog etwas aus dem Ärmel. Es war ein Bilderrahmen. Das Glas war kaputt und blutgetränkt. Darin war ein Foto unserer Eltern. Da lag es. Das Bild, für das mein Bruder sein Leben riskiert hatte. Ich griff danach und bemerkte, dass meine Hände wie verrückt zitterten. Langsam strichen meine Finger über den rauen Holzrahmen und über das, noch immer zerbrochene Glas. Dann hob ich es an und blickte in die fröhlichen Gesichter meiner Eltern. Meine Mutter, ein Engel in menschlicher Gestalt, mit einem Baby auf dem Arm und mein Vater mit seinem dunklen Lockenkopf, der ein kleines Mädchen eine Hand auf die Schulter legte, welches eine viel zu große Jacke mit dem Zeichen der Trainingseinheit trug und über beide Wangen grinste.. Sie hatten Beide ihre Uniformen an, mein Vater lachte, während meine Mutter bloß sanft lächelte. Wenn sie bloß gewusst hätten, wie wenig Zeit ihnen noch blieb.

"Danke.", meine Stimme zitterte, während ich auf das Bild starrte. Mir stiegen Tränen in die Augen. Was hätten sie dazu gesagt, dass ich zum Militär gegangen war? Was hätten sie zu meiner Unfähigkeit Robert zu beschützen gesagt? Vielleicht war es gut, dass sie schon tot waren, eh sie das hatten erleben müssen. Eh sie hatten erfahren müssen, dass ihr eigener Sohn gestorben war. Ich verstand nicht, wie man als Soldat bloß Kinder bekommen konnte. Wie man sie in dieser kalten, grausamen Welt aussetzten konnte, um letztlich zu erleben, wie sie noch vor einem ihr zum Opfer fielen. Wie man so optimistisch sein konnte, dass die Menschheit noch lang genug existierte um ihnen Zeit zum Leben zu schenken. Aber meine Eltern hatten es gewagt und jetzt saß ich hier, allein. Da war keine Mutter, die sich sorgte, kein Vater, der einen beschützte und kein Bruder, auf den man aufpassen konnte.

"Wir lassen sie besser allein, komm.", wisperte Standfort und zog Hana aus dem Raum. Stimmt, es gab ja noch meine Freunde, Kameraden und...Levi aber wer wusste schon wie lang mir das vergönnt blieb. Vielleicht war auch ich jetzt dran? Vielleicht war endlich ich diejenige, die diese Welt zerschmetterte. Eiserne Fesseln legten sich um mein Herz, machten es ganz schwer und zur selben Zeit, in der ich schreien wollte, wollte ich auch schluchzen. Ich wollte mich hassen und gleichzeitig mir einreden, dass ich für all das nichts konnte. Ich wollte toben und wüten aber gleichzeitig auch einfach nur in Ohnmacht oder Schlaf fallen. Ich wollte fühlen aber gleichzeitig auch die Leere. Und ich war allein, mit dem Chaos in mir, ganz allein, bis ich irgendwann, vielleicht nur Sekunden, vielleicht Minuten oder Stunden später, spürte, wie sich Arme um mich schlossen und Küsse auf meinen Scheitel gedrückt wurden. Im selben Moment begann ich hemmungslos zu weinen, zu schluchzen, zu fluchen und ich war nicht allein. Ich wurde gehalten und ich wusste, dass ich nie allein sein würde, solange er oder meine Freunde an meiner Seite waren.

Black Beauty // Attack on Titan FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt