5. Kapitel

89 10 9
                                    

Ein Zittern lief durch seinen Körper. Immernoch starrte er auf eine der Wunden. Dann streckte er ohne ein Wort seinen rechten Arm aus und versuchte mein eines Handgelenk zu berühren. Ich zuckte zurück. Samuel knurrte. Er probierte es wieder und diesmal bekam er mein Arm zu fassen. Bei der Berührung peitschte ein heißer Schmerz durch meinen Körper. Ich stöhnte auf. Ganz langsam führte er seinen Zeigefinger auf das Blut zu. Nur sein starker unnachgiebiger Griff an meinem Arm verhinderte, dass ich erneut wegzuckte. Als er das Blut berührte schnaufte er. Interessiert hob ich den Kopf um ihn anzusehen. Der Glanz war aus seinen Augen verschwunden, stattdessen hatte er einen Ausdruck in Gesicht, den Enttäuschung wohl am Besten beschrieb. Verwundert runzelte ich dir Stirn.

Was hatte er denn erwartet?!

Aprupt ließ mein Onkel meinen Arm los und zog sich zurück.

,,Was soll das denn hier alles?!", fragte ich gereizt.

Samuel lächelte grausam.

,,Jetzt tu doch nicht so scheinheilig, Leah!"

Woher wusste er meinen Namen? Ich konnte mich nicht daran erinnern ihn jemals in seiner Gegenwart erwähnt zu haben...

,,Scheinheilig?! Ich hab ja wohl allen Grund die Dinge zu hinterfragen! Erst wird meine ganze Familie innerhalb kürzester Zeit abgemurkst, dann kommt der achsoheilige Onkel und rettet die Junfer in Nöten, die gar nicht gerettet werden will, sperrt sie für eine Woche unwissend ein, um sie dann auszuquetschen und wie der größte Psychopath auf Erden nach ihrem Blut zu geiern! Dazwischen dann noch dieses gruselige Gefasel von Gesegneten, einer Mond-Pluto-Phase und Ritualen! Und dann darf man noch nicht einmal Fragen stellen, weil man sofort mit Eisenketten an eine Wand gefesselt wird!",schreie ich ihn an. Jetzt platzte mir aber langsam der Kragen!!!

,,So redest du nicht mit mir!",fauchte er zurück. ,,Dreh dich um."

Was sollte das denn jetzt schon wieder werden?!

,,Und was wenn nicht?",rebellierte ich.

,,Dann werde ich dich dazu zwingen."

Emotionslos blickte er auf mich herab.

Würde er seine Drohung wahr machen? Zuzutrauen wäre es ihm ja...

Ergeben drehte ich mich um, so gut es mit den Ketten eben ging. Ich hörte, wie er an mich heran trat und versteifte mich. Es war eine schlechte Idee gewesen seinem Befehl Folge zu leisten. Nun konnte ich nicht mehr sehen was er trieb... Es folgte atemlose Stille. Dann ein leises Klirren und Schaben wie wenn eine Klinge gezogen wird. Verängstigt versuchte ich mich umzudrehen und bekam als Antwort darauf ein Knie in den Rücken gestoßen.

,,Du bleibst wo du bist..."

Dann hörte ich ein lautes Ratschen und gleich darauf spürte ich einen frischen Luftzug am Rücken.

Hatte dieser Perversling mir gerade etwa das Kleid zerschnitten?

Anscheinend.

,,Was wird das wenn es fertig ist?!", fragte ich etwas hysterisch.

Meine Stimme klang etwas zehn Tonlagen zu hoch. Samuel lachte.

,,Du warst etwas unartig. Findest du nicht auch?"

Hektisch schüttelte ich den Kopf.

Was hatte er vor?

,,Leise jetzt, ich muss mich konzentrieren.", kam die Antwort.

,,Wa..was..?", meine Stimme zitterte.

,,Ruhe hab ich gesagt!", brüllte er.

Plötzlich spürte ich einen heißen Schmerz am Rücken. Gleich darauf, wie etwas Warmes daran hinunter lief. Ich keuchte. Und krümmte mich vor Schmerzen.

Was tat er verdammt noch mal?!

Ergebnislos versuchte ich mich erneut umzudrehen. Prompt ein weiterer Schmerz im Rücken und noch mehr warmes Blut. Allerdings nicht von der Bewegung.

,,Bleib wo du bist!", knurrte er. ,,Oder willst du noch mehr Narben auf deinem hübschen Rücken?"

Ich schluchzte.

Womit hatte ich diese Folter verdient?! Hatte ich nicht schon genug durchgemacht?Ich musste fliehen! Ich brauchte einen Plan!

Nachdem ich eine geschlagene Stunde vor der Wand gestanden hatte, war ich auf die Knie gesunken. Und hatte wieder einen Schnitt einkassiert. Aber ich blieb wo ich war.

Er konnte mich mal!!!

Nach einer weiteren Stunde gab Samuel schließlich auf was auch immer er hinter mir getrieben hatte und ging vor sich hin fluchend zurück in sein privates Zimmer. Ich atmete auf. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf, um auf meinen Rücken zu schauen. Doch ich schaffte es nicht. Dann zog ich den Rock hoch und begutachtete den Schnitt an der Wade. Überraschenderweise war er ordentlich verkrustet und schon fast zugewachsen. Ich runzelte die Stirn. So schnell heilte ein solcher Schnitt nicht... Die Situation errinerte mich an ein längst vergangenes Ereignis. Ich war vier Jahre alt gewesen und hatte draußen im unserem Garten gespielt. Das war noch vor dem Mittelalterdorf gewesen. Ich war zum Zaun gelaufen um darüber zu gucken und den Postboten zu beobachten. Und mir dabei mit einem sehr großen spitzen Holzstück ebenfalls ein langen Kratzer am Bein geholt. Ich hatte geweint und sofort war Lio nach draußen gekommen und hatte mich hineingetragen zu Mama und Papa. Papa hatte einen komischen Blick mit Mama getauscht und mich auf den Küchentisch gesetzt. Lio stand mit großen Augen daneben und hielt meine Hand ganz fest. Ich wollte ihn nicht loslassen als Mutter ihn rausschicken wollte und so blieb er an meiner Seite. Danach hatte Papa mir eine Hand über die Augen gelegt und gesagt ich solle ihm eine Geschichte erzählen. Mama hatte dabei irgentwas mit meinem Bein gemacht. An mehr konnte ich mich nicht mehr erinnern. Nur, dass am Tag später der Schnitt fast verheilt gewesen war und ich wieder nach draußen spielen durfte. Allerdings nur mit Lio. Womit ich kein Problem gehabt hatte.

Verstolen wischte ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Alles war so schön und normal gewesen!

Und als dann die kleine Zoé kam, hatten sich alle wie die Irren gefreut. Es gab ein großes Fest, wo ich zum ersten Mal Sahnetorte essen durfte. Das ist auch heute noch mein absoluter Lieblingskuchen. Lio verabscheute ihn... Ich konnte mich auch noch genau daran erinnern wie er mich auf den Rücken huckepack getragen hatte und wir zu zweit Ole und Mila aus dem Nachbarshaus  gejagt hatten. Sie waren Zwillinge und wir hatten immer zusammen draußen gespielt. Bis unsere Eltern dann mit uns umgezogen sind. In das Mittelalterdorf. Aber auch dort war es am Anfang schön gewesen. Wir hatten an jedem Samstag alle zusammen Brot gebacken und viel Spaß gehabt. Zoé hatte immer zu viel vom rohen Teig genascht und regelmäßig nach dem Brotbacken Bauchschmerzen gehabt. Obwohl Mama es ihr immer wieder gesagt hatte wollte sie einfach nicht hören. Sie war auch schon mit sechs Jahren ein ungezogenes Ding gewesen. Und ich mit meinen zehn Jahren hatte mich schon total erwachsen gefühlt. Lio war zu dem Zeitpunkt schon 14 gewesen. Aber mit den Jahren ist das Leben in Dorf immer schlimmer geworden. Bis dann die Gerüchte aufkamen...

Aber daran wollte ich jetzt nicht mehr denken. Ich wischte mir die vielen Tränen aus dem Gesicht. Nicht zu früh, denn direkt danach kam Samuel wieder aus seinem Zimmer. Diesmal mit einem dicken Buch in den Händen.

Ich stöhnte.

Was hatte er denn jetzt wieder mit mir vor?

Angst breitete sich in meinem Körper aus, als er mit großen Schritten auf mich zukam.

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt