6. Kapitel

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Ich wusste, dass eine Mondphase ungefähr 29 Tage und 12 Stunden lang war. Und beim übernächsten Vollmond wollte Samuel ein Ritual mit mir durchführen und anschließend ein großes Fest veranstalten. Ich wusste aber nicht, in welcher Phase wir uns derzeitig befanden. Ich musste unbedingt herausfinden wie viel Zeit ich noch hatte. Mindestens einen knappen Monat noch. Und dann brauchte ich einen Fluchtplan.

Die Tage vergingen ohne das ich wirklich etwas davon mitbekam. Samuel versuchte immer etwas hinter meinem Rücken zu machen, doch ich war zu müde und schwach um mir darüber Gedanken zu machen. Das Einzige woran ich dachte, war Flucht. Denn jeden Tag schlitzte er mir aufs Neue den Rücken auf. Jeden Tag immer wieder. Ich lernte die Schmerzen zu ignorieren und mich mit anderen banalen Dingen zu beschäftigen. Zum Beispiel die Kettenglieder meiner Fesseln zu zählen. Aber tat ich irgendwas was meinem Onkel nicht gefiel, verpasste er mir auf der Stelle einen neuen Schnitt. Aber das eigentlich Gruselige war, dass er keinen Dolch und ein Messer benutzte. Ich wusste wirklich nicht, wie er das anstellte. Aber letztendlich war es mir egal. Ich vegetierte einfach so vor mich hin und nahm nicht mehr viel war. Anfangs hatte ich mich gewehrt und noch versucht mit Samuel zu reden, aber keine Chance. Weil er sich dadurch gestört fühlte. Nur noch mehr Schmerzen.

In der Nacht lehnte ich an der Wand und starrte ins Dunkel. Heute konnte ich nicht einschlafen. Sonst dauerte es inmer etwas, da man in einer sitzenden Position nicht gut schlafen konnte. Und schon gar nicht mit Eisenketten an den Handgelenken. Aber heute war es etwas anderes was mich wach hielt. Etwas lag in der Luft.

Etwas Gutes?

Oder etwas Schlechtes?

Ich wusste es nicht.

Plötzlich kam ein leises Geräusch von der Ecke links von ihr. Ich ruckte mit dem Kopf. Langsam öffnete sich etwas neben mir. Ich runzelte die Stirn. Samuel war doch in seinem Zimmer? Ein blonder gut gebauter Mann trat in das Zimmer. Allerdings durch einen geheimen Gang von dem ich keine Ahnung hatte, dass er existierte. Er kam mir irgendwie bekannt vor... Lautlos schlich er auf mich zu.

Was hatte er vor?!

Als er kurz vor mir stand beugte er sich zu mir. Misstrauisch wich ich zurück.

War das wieder einer von Samuels Tricks?

Im schwachen Mondlicht blitzte kurz etwas auf. Ich stutzte dann bemerkte ich, dass der Mann Rüstung trug. Jetzt erkannte ich ihn. Es war Timus. Eine der Wachen als ich hier angekettet wurde. Er hatte die weiteren Befehle von meinem Onkel entgegen genommen.

,,Ich bin Timus. Der Hauptmann der sechsten Abordnung. Ich wollte wissen wie es dir geht? Damals konnte ich leider nichts unternehmen da Samuel dabei war. Und mit einem wie ihm sollte man sich nicht anlegen... Aber jetzt bin ich ja da. Hast du Hunger? Brauchst du etwas zu essen?",freundlich aber sehr leise hatte er mir das alles mitgeteilt.

Ich war immernoch misstrauisch. Hier konnte man niemandem trauen.

,,Warum sollte ich dir das alles glauben?! Du kommst mitten in der Nacht durch ein Geheimgang zu mir, riskierst dein Leben um mir Essen zu bringen? "

Timus nickte.

,,Wir werden alle von ihm unterdrückt. Die Leute wie die Diener und Mägte hier in der Burg haben sich bereits aufgegeben. Aber außerhalb, im Hof der Burg, gibt es einen Wiederstand. Wir haben beschlossen dir sogut es geht zu helfen, da du etwas Besonderes zu sein scheinst. Einfach nur um zu rebellieren."

Erstaunt blickte ich ihn an. Er schien die Wahrheit zu sagen. Und mein Magen knurrte ebenfalls sehr, da ich nur jeden zweiten Tag etwas trockenes Brot und fades Wasser bekam.

Was hatte ich schon zu verlieren?

,,In Ordnung, aber was muss ich denn machen? Ich kann hier nichts tun. Ich möchte fliehen. Könnt ihr mir dabei helfen?",willigte ich ein.

Zufrieden mit meiner Antwort kramte er ein halben frischen Leib Brot aus seiner Tasche. Sowie einen frischen Krug Wasser und etwas Trockenfleisch. Dankebar nahm ich es an und konnte seit fast einem Monat wieder etwas Richtiges essen. Dann antwortete er:

,,Im Wiederstand gibt es auch einen Schmied. Er ist sehr nett. Allerdings hat er eine Frau und zwei Kinder mit denen er erpresst werden könnte, sollte etwas vorfallen. Also muss er sehr vorsichtig sein. Aber ich denke, wenn wir ihn fragen würde er versuchen dich hier rauszubekommen... ", überlegte er.

Ein Hoffnungsschimmer breitete sich in mir aus. Vielleicht war ja doch noch nicht alles verloren...

,,Wir haben aber nicht mehr viel Zeit. Heute ist Neumond." ,sagte er bedrückt.

Hier hatte ich also die Antwort in welcher Phase wir uns befanden.

Nur noch einen halben Monat. Das hieß, nur noch knapp zwei Wochen blieben uns.

,,Wir brauchen einen Plan...", stellte ich fest.

,,Ja. Du hast Recht. Ich den...", doch Timus wurde unterbrochen. Von einer sich öffnenden Tür Samuels. Ich keuchte.

,,Schnell verschwinde!", zischte ich.

,,Wir bleiben in Kontakt!", flüsterte er mir noch zu, bevor er lautlos durch die Tür verschwand.

Nicht eine Sekunde früh, denn gerade kam Samuel in den Raum und sah sich misstrauisch um. Ich blickte ihm entgegen.

,,Was ist?", fragte ich unschuldig.
,,Etwas hat mich geweckt. Ich dachte ich hätte Stimmen gehört..." ,erwiderte er genervt.

Ich lachte rau.

Samuel kniff die Augen zusammen und Zorn loderte in ihnen auf. Er krümmte seine Finger der rechte Hand und prompt hatte ich einen weiterern Schnitt am Rücken. Ich zuckte zusammen. Das Lachen war wie weggewischt.

Den Schmerz kannte ich ja schon.

Aber wie hatte er das gemacht?! Hatte ich Illusionen?

Wurde ich verrückt?

Samuel lachte als er meine Miene sah. Dann drehte er sich um und verschwand wieder in seinem Zimmer.

Benommen starrte ich auf meine Hände. Das kalte Eisen drückte schmerzhaft gegen die abgemagerten Knochen.

Was passierte hier?!

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt