Epilog

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Es war tiefste Nacht. Ein Segelschiff durchschnitt gemächlich das tiefe Meer. Wellen schlugen an den Bug. Das alte Holz knarzte und bog sich unter den Elementen.

Eine junge Frau stand alleine an der Reling und blickte nachdenklich in die Ferne. Das schwarze Wasser wogte unter ihr und glitzerte im fahlen Mondlicht. Ein Spiegel aus Obsidian.

Die Frau fasste an eine Kette, die ihr um den Hals hing. Dann lächelte sie traurig über die Ähnlichkeit der Farbe des Meeres, mit dem Stein des Ringes, welcher an der Kette baumelte. Langsam drehte sie sich um und betrachtete die Holzplanken des Schiffes. Wind wehte durch ihre langen Haare und zerzauste sie. Ihre Augen blitzen, mit einem undefinierten Gefühl darin, auf, als sie die dunkeln Flecken auf dem Holz betrachtete. Jetzt, in der Nacht, konnte man ihre Farbe nicht mehr erkennen, doch sie hatte sich am Tage lange genug gezwungen sie anzusehen, dass sie genau wusste, dass sie dunkelrot waren. Von frischem Blut.

Falten legten sich auf ihr schönes Gesicht. Gedankenverloren starrte sie hoch in den sternenübersähten Himmel. So abgelenkt, bemerkte sie nicht die leisen Schritte des Mannes, welcher über das Deck auf sie zukam, bis er sie sanft in die Arme nahm.

Erst zuckte die Frau zusammen und wollte sich instinktiv wehren, so wie sie es sich antrainiert hatte. Doch dann erkannte sie ihren Gegenüber und entspannte sich augenblicklich.

,,Was machst du hier draußen in der Kälte?", raunte er ihr leise fragend zu.

Sie drehte sich in seinen Armen um ihn anzusehen.

,,Ich denke nach."

,,Und worüber?"

,,Über alles. Was passiert ist. Wen wir verloren haben. Wen wir besiegt haben. Über Entscheidungen. Über Schicksal. Über Erinnerungen.", erwiderte sie melancholisch.

Der Mann drückte sie fester an seine Brust.

,,Was passiert ist, tut mir unendlich leid."

Man hörte an seiner rauen Stimme, dass es ihm damit ernst war.

,,Das wir gesiegt haben? Das es endlich vorbei ist? Das tut dir leid?", fragte sie sarkastisch.

Er musste grinsen. So gefiel sie ihm schon besser. Doch ihm war nicht nach Spaß zumute. Er wollte, dass sie begriff, dass es nicht alles ihre Schuld war.

,,Einfach alles tut mir leid. Dass es soweit kommen musste. Dass du diejenige sein musstest, die es ertragen musste. Das er so ein Schwein war."

Die Frau sagte nichts. Das Schweigen dehnte sich aus. Doch es war nicht unangenehm.

,,Wie geht es jetzt weiter?"

Er zuckte die Schultern.

,,Ich weiß es nicht, Leah. Wirklich nicht. Die grausamen Dinge die geschehen sind, haben uns alle verändert; geprägt. Doch zusammen werden wir es schaffen, meinst du nicht?"

Ihre Mundwinkel zuckten.

,,Wirst du jetzt kitschig?", fragte sie leicht lächelnd.

Auch er musste lächeln.

Doch schnell wurden die beiden wieder ernst.

,,Meinst du, ich habe das Richtige getan?"

Schmerz schwang in ihrer Frage mit.

Lange blickten sie einander an.

,,Du kennst meine Antwort auf diese Frage."

Sie nickte leicht.

,,Aber ich habe Menschen getötet. Ich habe Leben ausgelöscht. Und ich habe geopfert. Es ist meine Schuld, dass viele gestorben sind. Es ist meine Schuld, dass er gestorben ist."

Er veregnte seine Augen.

,,Auch ich habe getötet. Wir müssen immer mit dieser Schuld leben. Aber es ist nicht deine Schuld, dass Zen sich für uns geopfert hat. Das war allein seine Entscheidung. Außerdem hast du mit deinen Entscheidungen noch tausend mal mehr Leben gerettet."

Nicht überzeugt blickte sie wieder über das unendliche Meer.

,,Woran erinnerst du dich noch, als du unter dem Bann standest?", fragte sie plötzlich.

Der Mann zuckte zusammen.

,,An alles. Nur, dass ich keinen Willen mehr hatte. Ich war nur ein Beobachter in einer menschlichen Körperhülle. Ich hatte keine Kontrolle. Ich habe gekämpft. Immer. Manchmal hatte ich es fast geschafft. Doch niemals ganz. Ich habe dich leiden gesehen. Tag für Tag. Doch ich konnte nichts tun. Rein gar nichts. Es war meine ganz persönliche Folter."

Der Schmerz den der Mann empfand, war deutlich hörbar. Auch die Frau hörte ihn.

,,Es ist vorbei. Jetzt ist es endgültig vorbei.", versuchte sie ihn mit hohlen Worten zu beruhigen.

Schräg lächelnd blickte er sie an.

,,Es wird niemals richtig vorbei sein, oder?", fragte er sie.

Mit feurigen Blick schaute sie ihn an.

,,Nein, das wird es nicht.", bestätigte sie leise.

,,Vielleicht wird es mit der Zeit ja besser.", widersprach er ein wenig trotzig.

Jetzt war sie es, die traurig lächelte.

,,Davon haben wir ja eine Menge.", meinte sie jetzt ehrlich grinsend.

Arm in Arm standen sie an der Reling und dachten hoffnungsvoll an ihre Zukunft. Langsam verschwand der Dreimaster mit dem jungen Paar in dem aufkommenden Nebel.

Der Ring der Frau glühte ein letztes Mal in der Dunkelheit auf und gleichzeitig erschien ein neuer Stern am Himmel.

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt