8. Kapitel

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Ich blickte in die bernsteinfarbenen Augen meines Cousins Keran. Doch das konnte nicht sein. Er war weit weg. Ganz weit weg. Keran hatte mit dieser Mittelaltersache nichts zu tun. Gar nichts.

,,Was machst du hier?!", fragte ich ihn entgeistert.

,,Leah?! Ich ... ich...", stotterte mein Cousin.

Grimmig blickte ich ihn an. Er hatte garantiert gewusst, dass ich in der Burg anwesend war. Schließlich war ich Samuels Nichte. Lady Leah. Und er war ein Lord.  Angeblich.

,,Was machst du hier Keran?", frage ich erneut. Diesmal etwas lauter.

Ich spürte wie Timus und Manfred sich hinter mich stellten. Ich wagte einen schnellen Blick zu ihnen. In beiden Gesichtern konnte ich eine grimmige Entschlossenheit erkennnen. Gespannt auf seine Antwort drehte ich mich wieder zu Keran um. Dieser richtete sich auf und guckte spöttisch auf mich herunter. Er hatte wohl seine Überraschung vom Anfang überwunden.

,,Liebe Cousine! Ich wundere mich, dass du hier bist. Solltest du nicht eigentlich weit weg bei deiner ach so tollen Familie sein? In diesem kleinen Dorf?"

Ich schluckte hart.

Meine Familie.

,,Sollte ich, ja.", erwiderte ich schlicht, ohne irgendeine Erklärung.

Keran schnaubte.

,,Ein Grund vielleicht?!", forderte er.

,,Warum sollte ich dir auch nur einen Satz über mein Leben verraten?", fauchte ich.

Wir kannten uns von früher. Damals waren wir gut miteinander ausgekommen. Aber er war immer schon neidisch auf mein Verhältnis zu Lio gewesen, da sein Zwillingsbruder Will nichts mit ihm zutun haben wollte. Ich hatte damals noch nicht verstanden wieso, denn ich war mit beiden gut befreundet gewesen. Doch als ich dann einmal auf einem langen Familienspaziergang hinfiel, und komplett im Schlamm landete, verstand ich es.

Es hatte am Tag davor geregnet und alles war noch nass und schlammig. Wir waren in Schottland bei unseren Verwandten. Wir wollten alle zusammen spazieren gehen, und wir Kinder waren davon begeistert. Lio und ich tobten in den Pfützen. Keran und Will hinter uns. Wir spielten Räuber und Gendarm. Zoé war noch zu klein und wurde von Mama auf dem Rücken getragen. Ich war sieben. Lio, Keran und Will alle 11 Jahre. Doch dann stolperte ich und landete der Länge nach im nassen Dreck. Lio und Will kamen sofort an und wollten mir helfen, aber Keran blieb direkt vor mir stehen und lachte. Er lachte einfach. Hart und kalt. Ohne jegliches Mitgefühl.

Aber das war ja noch nicht einmal das Schlimmste gewesen. Ich hatte mir das komplette Knie an zwei großen Steinen blutig geschlagen und konnte nicht mehr gehen. Die ganzen Erwachsenen waren schon vor einer halben Stunde wieder zurück gegangen und hatten den drei Jungs die Verantwortung für mich übertragen. Mein Bruder und Will wechselten sich den ganzen langen Weg nach Hause ab, mich auf dem Rücken oder auf den Armen zu tragen. Als zum ersten Mal Keran an der Reihe gewesen wäre, hatte er abgelehnt und wortwörtlich gesagt:

,Das hat sie alleine verbockt und nur sich zuzuschreiben, da muss sie jetzt auch alleine wieder rauskommen. Lass sie doch selbst laufen Bruder.'

Daraufhin diskutieren die drei lautstark. Als letztes sagte Keran:

,Ich werde nicht beim Tragen helfen. Da soll sie lieber hier draußen versauern...'

Ich hab bis heute nicht verstanden warum er das getan hat. Aber an diese beiden Sätze erinner ich mich noch ganz genau. Den Rest haben mir die beiden Jungs später erzählt.

Ab diesem Zeitpunkt hielten wir uns fern voneinander. Das Letzte Mal als ich ihn gesehen hab, war auf der Beerdigung von seiner Familie. In ihrem Haus hatte es einen Großbrand gegeben, und nur Keran hatte überlebt. Die Ursache des Brandes war bis heute nicht geklärt.

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt