10. Kapitel

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Panisch drehte ich mich um die eigene Achse.

,,Lass uns zurück laufen und durch die nächste Tür gehen.", schlug ich gehetzt vor.

Timus nickte und lief schon los. Ich folgte. Ein heißer Schmerz durchzuckte meinen Rücken. Doch ich ignorierte ihn und sprintete weiter. Immer hinter der Wache her. Wir bogen um die Ecke und da! Die rettende Tür. Hinter uns immer noch das Geklirre und Geschrei der feindlichen Männer. Wir hechteten gemeinsam durch die Tür und lehnten uns von hinten dagegen. Ich schloss meine Augen. Mein Herzschlag raste. Dann öffnete ich sie wieder und blickte mich vorsichtig im Raum um.

Dann blieb mein Herz stehen. Ich keuchte auf. Der Raum war dunkel und man konnte kaum etwas erkennen. Aber was man erkennen konnte, waren die Schemen vieler Männer welche uns umzingelten. Ich stieß Timus einen Ellbogen in die Rippen. Er sah auf. Und schrak, wie ich zuvor, zurück. Dann sackte sein Körper zusammen.

,,Wir ergeben uns. Wir haben keine Chance gegen sie.", erklärte er mir niedergeschlagen.

Ich nickte. Zusammen hoben wir die Hände.

Doch es passierte nichts. Niemand bewegte sich. Alles war still.

,,Was wollen sie denn noch von uns?", wisperte ich meinem Freund fragend zu.

,,Ich weiß es nicht."

Stirnrunzelnd betrachtete ich die Umrisse der Männer genauer. Ganz langsam stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen. Es wurde zu einem breiten Grinsen. Und schließlich konnte ich nicht mehr an mich halten und prustete laut los. Timus blickte verwirrt von einem zum Anderen.

,,Schau die die Wachen mal ganz genau an...", kicherte ich.

Nun verstand auch er.

Und musste ebenfalls laut lachen.

,,Das ist die Aufregung. Das Adrenalin.", verteidigte Timus sich lächelnd.

Immernoch lachend ging ich auf einen der Männer zu. Und nahm seinen kalten Panzerhandschuh in die Hand.

,,Guten Tag, Sir Williams.", witzelte ich.

,,Es tut mir außerordentlich leid, sie verwechselt zu haben. Ich hoffe sie und ihre Armee können uns das verzeihen...?" Lautes Lachen von Timus unterbrach mich.

,,Sei doch etwas höflicher bitte Timus!", schalt ich ihn fröhlich.

Diese kleinen Scherze lockerten die angespannte Stimmung, und für den Moment konnten wir beide vergessen, dass wir zwei Gejagte und auch der Flucht waren.

Vor uns lag die Waffenkammer. Und das was wir in der Dunkelheit für eine Armee aus in Rüstung gekleideter Männer gehalten hatten, waren in Wirklichkeit nur Rüstungsständer.

Spinnweben und eine dicke Staubschicht lag auf allem. An den Wänden hingen alle möglichen Waffen und Werkzeuge. Langbögen, Jagdbögen, Kampfbögen, Krummbögen, verschiedene Pfeilarten, Messer, Kartanas, Wurfscheiben, Dolche, Schwerter, Speere, Armbrüste, Bolzen in verschiedenen Stärken, Chakrams, ebenfalls unterschiedliche Stärken, Morgensterne, Schilde in allen Formen und Farben, Lanzen, mit Spitzen besetzte Eisenketten und Keulen, schwere Hammer, doppelschneidige und einfache Äxte, Säbel und Degen.

Für den Moment waren wir beide ganz still. Und lauschten den Fußgetrappel vor der Tür. Gerade rechtzeitig hatten wir uns hier herein gerettet. Nun liefen die Truppen Samuels da draußen herum. Damit saßen wir beide hier ersteinmal für eine unbestimmte Zeitspanne fest. Von dieser Erkenntnis gefangen, ließ ich mich erschöpft auf den Boden sinken. Die Fröhlichkeit von eben war wie weggewischt. Timus kam durch den Raum und setzte sich neben mich. Ich seufzte.

Einige Zeit später konnte ich nicht mehr untätig herumsitzen. Ich musste etwas tun!

Unruhig tigerte ich im Raum auf und ab. Dann fing ich an die Wände zu inspizieren.

,,Was machst du da?", fragte Timus.

Ich drehte mich zu ihn um.

,,Vielleicht gibt es ja auch hier eine Dienstbotentür. Das wäre der einzige Ausweg... Denn da vorn laufen jede Menge anderer Wachen herum, die wohl nicht ganz so gut auf uns zu sprechen sind.", antwortete ich schnippisch.

Er zuckte mit den Schultern.

,,Es kann nicht schaden. Wir haben ja sowieso nichts anderes zu tun..."

Ich nickte zustimmend.

Einander gegenüber tasteten und suchten wir die steinernden Wände ab.

Meine Hände glitten in dem Dämmerlicht über den rauen Stein. Kerbe für Kerbe. Zentimeter für Zentimeter. Dann blieb ich an einer etwas rieferen Kerbe hängen. Ich stockte. 

,,Hast du was gefunden?", fragte Timus sofort, als er merkte das ich an einer Stelle verharrte.

,,Vielleicht. Komm mal rüber..."

Und tatsächlich war es einen Tür. Gemeinsam versuchten wir sie zu öffnen. Aber sie ließ sich nicht bewegen. Ich ertastete ein Schloss. Jedoch ohne Schlüssel.

,,Es gibt keinen Schlüssel, Timus.", teilte ich meinen Freund resigniert mit.

Dieser überlegte.

,,Es gibt allerdings viele Waffen hier. Mit einer von ihnen wird es uns doch gelingen ein mickriges Schloss aufzubrechen!"

Ich nickte zustimmend. Langsam ging ich die Wände voller Waffen ab und suchte eine geeignete.

,,Wie wäre es mit einer Axt?", fragte ich.

,,Zu laut. Ich bin jetzt schon überrascht, dass hier bis jetzt niemand reingekommen ist. Wir wollen es nicht herausfordern."

Ich überlegte.

,,Vielleicht irgendein Dolch oder so um das Schloss zu knacken?"

,,Ja vielleicht..."

Wir wurden von einem Knall an der Eingangstür unterbrochen. Hektisch griff ich nach einer Klinge und versuchte panisch den Hebel im Gewinde umzulegen. Jedoch ohne Erfolg. Timus drängte mich zu Seite und übernahm den schmalen Dolch. Anstatt wie ich, fahrig und ungeduldig irgendwas zu probieren, ging er ruhig und gefasst an die Sache heran. Hysterisch schaute ich zur Tür. Wir hatten sie provisorisch mit zwei dicken Lanzen und Eisenhammern gesichert, jedoch war ich mir sicher, das dies nicht lange halten würde.
Ein weiterer Knall ertönte und ich zuckte zusammen.

,,Mach schneller Timus! Sie kommen!", flüsterte ich meinem Freund zu.

Und endlich, nach unendlich erscheinenden Sekunden, hörte ich das erlösende ,,Klick". Fast gleichzeitig mit dem dritten Knall.

Wir lehnten uns gemeinsam an die Tür und endlich schwang sie mit einem leisen Quitschen auf.

,,Wie wäre es noch mit Waffen?", fragte ich, einem plötzlichen Einfall folgend.

,,Ich habe mein Schwert und du kannst sowieso mit nichts von dem hier umgehen...", unterbrach mich die Wache.

Da hatte er Recht. Aber sicher war sicher und ich steckte mir einen handliches Messer und zwei komisch aussehende Dolche ein. Dann hastete ich Timus hinterher, welcher schon in der Tür stand und auf mich wartete. Gerade rechtzeitig, als der nächste Knall ertönte schlugen wir die Tür zu.

Dunkelheit hüllte uns ein. Nichts war zu hören. Nur unseren keuchenden Atem. Nervös versuchte ich überhaupt irgendwas zu erkennnen. Doch keine Chance.

,,Wo sind wir hier?", flüsterte ich in die Rabenschwärze.

Timus schnaufte.

,,Sei still, Leah!"

Bei seinem harschen Ton zuckte ich zusammen. Doch er hatte Recht. Nun hörte ich es auch.

Erst ein fieses Splittern, und dann Stimmengemurmel. Angst durchflutete meinen Körper.

Waren wir entdeckt worden?

Jetzt waren da Schritte.

Ich hielt den Atem an.

Würden sie uns finden?

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt