43. Kapitel

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Ich wurde in einen großen, hohen und runden Raum geführt. Stille herrschte. Viele Gesichter sahen zu mir auf. Kerzen brannten rundherum. Der Raum ähnelte einer Kirche. Ein Schauer lief mir über den Rücken. In der Mitte der Menge war eine kleine runde Fläche ausgespart worden. Als wir näher kamen, konnte ich auf dem Boden eine Zeichnung erkennen.

Eine Windrose, ein Kompass mit den vier Himmelsrichtungen. Auf der Spitze im Süden stand Samuel. Er trug einen weißen Anzug. Er lächelte mich grausam an. Ich blickte nüchtern zurück. Sein Blick wanderte an mir herunter. Seine Maske verrutschte für einen kurzen Moment, als er mein hübsches Kleid sah. Sein Blick huschte wutentbrannt zu der Schneiderin, die ein Stück hinter mir ging. Doch dann sah er die dunkelroten Schlieren an meinen Armen und meiner Seite. Das Blut war durch den hellen Stoff durchgesickert. Das brachte ihn wieder zum Lächeln. Ich schüttelte mich innerlich vor Abscheu. Nach außen hin ließ ich mir jedoch nichts anmerken.

Immernoch herrschte Stille. Ich wurde auf der Spitze der Windrose abgestellt, die nach Norden zeigte. An der Spitze nach Osten stand ein Seelenmagier. Er war durch seine silberne Robe mit einer goldenen flammenähnlichen Muster, welches die Seele darstellen sollte, gekennzeichnet. Im Westen stand ein Blutmagier mit einer goldenen Robe mit dem silbernen Tropfen, welches das Blut symbolisierte, als Zeichen. Im Nordwesten, rechts von mir, zwischen mir und dem Blutmagier, stand einer der vier Elementmagier. Die flammend rotorange Robe sagte mir, dass er für das Feuer stand. Im Südwesten mit einer lilanen Robe stand der Luftmagier. Zwischen Samuel und dem Seelenmagier, also im Südosten stand der Wassermagier mit der blauen Robe. Links neben mir im Nordosten stand mit einer grünen Robe eine Elementmagierin, die die Erde darstellte.

Als ich richtig stand, legte sich eine noch unheimlichere Stille über die Versammlung. Dann fingen die sechs Magier an zu singen.

Die Melodie.

Ich hatte es geträumt. Ich hatte das alles geträumt. Mit Samuel. Und der Melodie. Drake war tot gewesen. Alle anderen auch. Sie waren alle unerreichbar für mich geworden. Genau wie jetzt auch.

Und Samuel sah mir ins Gesicht und sah meine Pein. Und fing an zu lachen.

Genau wie in meinem Traum.

Ich wurde panisch.

Die Elementmagier entfesselten ihre Kräfte. Sie trafen sich alle in der Mitte. Dann beteiligten sich auch der Blut- und der Seelenmagier. Unter ihrem Einfluss formte sich alles zu einem wunderschönen Gebilde. Doch diese Melodie die sie alle dabei sangen machte es für mich zu einem Alptraum.

Ich fing an zu zittern.

Die Melodie bohrte sich in mein Bewusstsein, schlich sich in meinen Kopf, verwirrte meine Sinne.

Nacheinander fuhren die einzelnen Elemente in mich. Kurz nahm ich noch wahr, wie es auf meiner gegenüberliegenen Seite mit Samuel auch passierte.

Dann kamen die Schmerzen.

Erst verbrannte ich.

Dann erstickte ich.

Dann ertrank ich.

Dann versteinerte ich.

Dann verblutete ich.

Und die Melodie trieb mich in den Wahnsinn.

Ich fiel auf die Knie. Ich keuchte und schnappte nach Luft. Alle meine alten Narben brannten wie die Hölle. Es fühlte sich an, als würden sie alle erneut aufbrechen. In meinem Geiste erlebte ich alles noch einmal. Jede Verletzung. Und dann starb ich erneut durch die Verletzung an der Kehle durch den Jadestein.

Ich hörte viele Leute schreien.

Ich spürte den kühlen Boden an meiner Wange. Ich starrte nach oben an die Decke. Schmerz tobte durch meinen schwachen Körper. Mein Blick wanderte zu einer Empore hoch oben. Dort stand er. Mit seinen grünen Augen starrte er mich an. Nur mich. Der trübe Ausdruck war aus ihnen verschwunden. Langsam griff er sich an seine Kehle. Er röchelte. Dann sank auch er auf die Knie.

Halb schon ohne Bewusstsein runzelte ich die Stirn.

Ich konnte einfach nicht glauben, dass Drake uns verraten hatte. Das konnte einfach nicht sein.

Vorher war er weg gewesen. Mir viel wieder ein, das Samuel ja auch Seelenmagier war.

Stand er vielleicht unter einem Bann?

Verzweifelt klammerte ich mich an diesen Strohhalm der Hoffnung.

Alles war besser, als wenn er uns wirklich verraten hätte.

Denn Banne konnte man brechen. Ich wusste zwar nicht wie, aber es war möglich.

Ich blendete die Schreie und die Schmerzen kurzzeitig aus. Auch die schwarzen Schlieren und die Punkte die sich in meinem Sichtfeld bildeten, ignorierte ich.

Fast schon begierig suchte ich ihn mit den Augen nach Anzeichen dafür ab, dass er keinen freien Willen mehr hatte. Sofort fand ich welche.

Seine Kleidung war zerrissen und schmutzig. Einen freiwilligen Gast würde man so nicht behandeln. Und wenn die Sachen auf der Reise dreckig geworden wären, hätten sie ihn ja mit offenen Armen willkommen geheißen und ihm neue Kleidung angeboten.

Außerdem hatte das Hemd einen langen Schnitt an der Brust. Darunter lugte eine lange aber flache Schnittwunde hervor. In dessen Mitte etwas Schwarzes war. Ich konnte nicht genau erkennen, was es war, da ich zu weit weg war, aber es sah aus, als wäre da ein Klumpen Dreck, oder ein Tattoo auf seiner linken Brust.

Ich runzelte wieder die Stirn. Mir schwand langsam mein Denkvermögen. Mir war schwindelig. Ich stützte mich mit letzter Kraft auf dem Boden auf. Mein Arm knickte sofort ein. Ich schlug hart wieder auf dem Boden auf. Doch ich war noch nicht ganz ohnmächtig.

Was hatte das alles zu bedeuten?

Außerdem war da noch das Aufflackern unserer Verbindung.

Vielleicht, so machte ich mir Hoffnungen, war der richtige Drake ja noch da und versuchte gegen die Banne anzukämpfen.

Und wenn er mich hier so sah, wie ich mich in diesem Ritual quälte und immer und immer wieder innerlich starb, fand er vielleicht wieder zu sich zurück. Vielleicht erinnerte er sich an unsere Liebe.

Ich schöpfte wieder etwas Hoffnung.

Konnte ich es wagen zu glauben, dass Drake uns doch nicht absichtlich verraten hatte?

Dieser klitzekleine Hoffnungsschmimmer zauberte mir trotz der Höllenqualen ein Lächeln ins Gesicht.

Dann verlor ich das Bewusstsein.

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt