22. Kapitel

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Am nächsten Morgen wachte ich von den Sonnenstrahlen auf, die mir durch den Belüftungsschlitz in die Augen schienen. Drinnen war alles still. Die Männer schienen noch zu schlafen.

Leise stand ich auf und fing an sorgfältig an, meine Sachen zu packen. Ich hatte beschlossen, auf Zen zu hören. Er wollte es so. Und er war ein schlauer Mann. Er würde schon seine Gründe haben.

Ich packte alle meine Sachen aus der Truhe in zwei große Satteltaschen. Sehr viel besaß ich ja nicht. Meine Kleidung, meine Waffen, meine Bücher und noch anderes Zeug, was sich über die Jahre angesammelt hatte. Meine Dolche befestigte ich wie gewohnt an meinen Unterarmen. Den Bogen ließ ich ungespannt und legte ihn zu meinem Gepäck. Ebenso besaß ich ein altes Schwert, welches Zen mir irgendeinmal zum Üben gegeben hatte. Es taugte nicht sonderlich viel. Doch damit hatte ich das Kämpfen gelernt, ich wollte es mitnehmen.

Zem kam durch den Durchgang. Er blickte sich aufmerksam um und sah meine gepackten Sachen.

,,Hast du dich entschlossen mit ihnen zu gehen?", fragte er lächelnd.

,,Ja.", erwiderte ich. ,,Aber nicht aus Überzeugung von der Richtigkeit dieses Plans. Sondern nur, weil ich glaube, dass ich dir das schulde. Wenn du möchtest, dass ich gehe, dann tue ich das. Auch wenn ich die Gründe nicht gutheiße."

Immernoch lächend kam er auf mich zu.

,,Ich weiß, dass dir das hier schwerfällt. Aber es ist das Richtige. Vertraue mir."

Ich schüttelte den Kopf.

,,Ich vertraue dir voll und ganz Zen und das weißt du auch. Aber das hier ist einfach falsch. Ich müsste bei dir sein und dir helfen, gegen die Hunde zu kämpfen, statt mich zu verkriechen und darauf zu warten, dass sie mich finden oder dieses FBI mich rettet."

,,Du wirst schon sehen kiimo alea. Du wirst nicht untätig rumsitzen müssen...", entgegnete er mir.

,,Das hoffe ich doch. Denn wenn ich mich langweile, werde ich zum Biest...", sagte ich todernst.

Wir beide mussten lachen. Aber es stimmte wirklich. Ich brauchte immer etwas zu tun, sonst wurde ich garstig.

Mein Freund wurde wieder ernst.

,,Ich habe hier noch etwas für dich. Zum Abschied. Und als Erinnerung."

,,Werde ich dich nicht wiedersehen?", fragte ich verwirrt.

,,Wer weiß das schon... Niemand ahnt, wie sich die Dinge entwickeln. Ich sorge lieber vor.", erklärte der Mönch.

Er streckte mir seine Faust entgegen und ließ auf meine flache Hand, welche ich ihm entgegenstreckte, etwas Kaltes fallen.

Ich sah es mir genauer an. Es war eine filigrane silberne Kette, mit einem Ring daran.

Der Ring ebenfalls silber und fasste einen tiefschwarzen Stein in seiner Mitte. Feine Ranken schlangen sich drumherum und er fügte sich perfekt ein.

Der Stein schimmerte wie ein Nachthimmel bei Neumond. Denn es zogen sich silberne Schlieren durch ihn hindurch. Doch diese sah man nur, wenn man ganz genau hinsah.

Ich nahm ihn von der Kette und steckte ihn auf meinen rechten Ringfinger. Er passte perfekt. Doch ich nahm ihn wieder ab und fädelte die Kette hindurch. Beim Kämpfen konnte man kein Ring gebrauchen. Und eigentlich auch keine Kette. Doch diese konnte man noch besser verstauen oder unter der Rüstung einklemmen als einen Ring, der den perfekten Griff um die Waffe verhinderte.

Gerührt sah ich wieder auf.

,,Vielen Dank, Zen. Ich werde ihn in Ehren halten." Ich lächelte.

Er ebenfalls. Doch dann zog er noch etwas hinter seinem Rücken hervor. Ich keuchte auf. Es waren ein wunderschönes Langschwert und sechs kleine Wurfmesser. Und sie waren in dem Stil meiner Dolche. Schlichte schwarze Griffe, aber mit feinen silbernen Ranken und Verzierungen. Neben dem Schwert hielt der Mönch die dazupassende Schwertscheide in den Händen. Sie war aus dunklem fast schwarzen Leder mit Schnürungen am oberem Ende. Auch für die Wurfmesser hatte er eine passende Aufbewahrung: Einen dünnen Gürtel mit drei kleinen Scheiden, jeweils an der rechten und linken Seite. Der Gürtel war aus dem gleichen Material, wie auch schon die Schwertscheide.

Vorsichtig nahm ich das Schwert entgegen. Die Klinge und der Griff waren perfekt ausbalanciert. Man konnte das Schwert direkt oberhalb des Griffes, wo die Klinge anfing, mit nur einem Finger halten und die beiden Seiten hielten die Waage. Erst nahm ich es in die rechte Hand. Der Griff lag kühl und beruhigend in meiner Hand. Ich wechselte in die Linke. Auch dort fühlte das Schwert sich gut an. Wenn man es auf den Boden stellte reichte es mir bis zur Mitte meines Oberschenkels. Also nicht zu groß aber auch nicht zu klein. Auch das Gewicht war gut. Sanft berührte ich die Klinge. Sie war doppelschneidig und sehr scharf. Ich lächelte. Es war das perfekte Geschenk.

Ich nahm eines der Wurfmesser. Auch diese waren auf das Genaueste ausbalanciert. Ich warf es in die Luft und fing es wieder auf, um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie es flog. Dann holte ich aus und schleuderte es gegen die Wand. Es blieb wackelnd mit der Spitze stecken.

Ich musste lachen und fast weinen zugleich. Ich nahm den Wurfmessergürtel und schlang ihn mir um die Hüften. Auch die Scheide des Schwertes band ich um. Ich steckte das Schwert hinein und genoss das Zischen, als ich es wieder herauszog. Dann steckte ich es aber doch wieder ein und ordnete jedes einzelne Wurfmesser seinem Platz zu. Sie waren so angeordnet, dass ich links und rechts schnell welche ziehen und sofort werfen konnte. Das Schwert trug ich auf der linken Seite, damit ich es schnell mit der rechten Hand ziehen konnte. Ich konnte zwar mit links genauso gut kämpfen, jedoch mochte ich als Rechtshänderin rechts immernoch lieber. Wenn ich schonmal dabei war, prüfte ich auch noch schnell meine Dolche, doch diese saßen perfekt.

Dann schaute ich hoch. Zen hatte mich die ganze Zeit über lächelnd beobachtet.

Ich ging zu ihm und umarmte ihn fest. Ich würde ihn vielleicht nie wieder sehen...

,,Pass auf dich auf...“, flüsterte ich erstickt.

,,Du auch“, erwiderte er leise.

Da kamen Drake und Tarek herein. Sie sahen beide noch etwas verschlafen aus, jedoch waren sie angezogen und hatten ihr Gepäck dabei. Als Drake meine gepackten Sachen sah, verdrehte er die Augen und ging vor sich hin grummelnd nach draußen zu den Pferden. Tarek jedoch lächelte mich an und bedeutete mir, ihm zu folgen. Wir gingen alle nach draußen und ich half den Jungs unser Gepäck zu verstauen.

,,Wie machen wir das mit den Pferden?“, fragte ich nichts Gutes ahnend.

,,Wir wechseln uns ab.“, bestätigte Tarek meinen Verdacht.

Ich seufzte.

Nachdem wir alles verstaut hatten, stieg Drake auf und Tarek ebenfalls. Ich drehte mich nocheinmal zu Zen um und berührte den Ring an meinem Hals. Dann schloss ich ihn in eine feste Umarmung. Es war alles so schnell gegangen... Ich hatte gar nicht die Zeit, über das Geschehene nachzudenken. Aber vielleicht war es auch besser so. Sonst würde ich mich wahrscheinlich nicht dazu überwinden können mit den Brüdern zu reiten und meinen zweiten Vater zu verlassen und ihn vielleicht nie wiederzusehen. Ich atmete einmal tief durch und löste mich schließlich von ihm. Dann stieg ich mit Tareks Hilfe hinter ihm auf Krezz und wir ritten los. Diesmal ritt ich zuerst bei ihm mit. Der arme Krezz tat mir etwas leid, aber Tarek hatte mir versichert, dass wir ab und zu die Pferde wechseln würden, damit nicht eines immer die doppelte Last tragen musste. Ich freute mich nicht darauf, wenn ich wieder mit Drake reiten musste...

Ich drehte mich noch ein letztes Mal um und schaute in die saphirfarbenen Augen von dem Mönch. Ich berührte erneut den Ring. Er winkte mir zum Abschied und ich hob ebenfalls die Hand. Ich schaute zu ihm zurück, bis wir zu der ersten Biegung kamen und er hielt meinen Blick ebenfalls fest. Als ich ihn nicht mehr sehen konnte, fuhr mir ein Stich durchs Herz und ich schloss die Augen. Dieser Mann hatte mir so viel gegeben und jetzt musste ich ihm meine Abwesenheit geben, um ihn zu beschützen. Ich hielt die Augen geschlossen und dachte an unsere gemeinsame Zeit zurück. Er würde immer bei mir bleiben.

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt