19. Kapitel

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Drake und Tarek kamen zu uns. Doch sie setzten sich nicht hin. Ich konnte das sehr gut verstehen, denn der Boden war blutdurchtränkt. Überhaupt lagen um uns herum noch die ganzen Leichen und es stank barbarisch.

,,Wo sind denn eure Pferde?", fragte Zen.

,,Wir haben sie ein Stück weiter im Wald festgebunden, weil sie den Geruch von Blut nicht mögen und darum nervös geworden wären. Und bei der Reise können wir das nicht gebrauchen.", erklärte Drake.

,,Zen, was ist hier passiert?!", fragte Tarek.

Der Mönch schüttelte den Kopf.

,,Hier ist nicht der richtige Ort und Zeitpunkt um das zu erklären. Leah, hilf mir bitte hoch."

Ich zuckte zusammen. Es war das Erste mal, seit drei Jahren, dass er mich bei meinem Namen und nicht mit kiimo alea rief. Wahrscheinlich verstanden die beiden Brüder Shaidans Sprache und Zen wollte ihnen noch nicht mein Geheimnis offenbaren.

Rasch trat ich auf meinen Freund zu und half ihm, vorsichtig aufzustehen.

,,Wir sollten die Leichen verbrennen." ,meinte Zen.

Ich nickte. Also überließ ich Zen der Obhut von Tarek und Drake und machte mich an die unschöne Arbeit, die Toten zu einem Haufen aufzutürmen. Aber ich war ja sowieso schon über und über mit Blut besudelt und der Gestank lag auch schon auf der ganzen Lichtung in der Luft.

Ich spürte überdeutlich die brennenden Blicke der anderen in meinem Rücken. Doch nachdem ich den dritten Mann auf den Haufen gelegt hatte, hörte ich Schritte von hinten. Ich drehte mich um. Drake kam auf mich zu. Ich machte mich schon auf eine Spöttelei von ihm gefasst, aber er lief an mir vorbei zu der nächstliegende Leiche. Dann nahm er sie unter den Armen und schleifte sie zu dem Stapel. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Drake half mir. Ich blickte zu den anderen zurück. Tarek stand dicht an meinem Mönch und stützte ihn. Ein breites Lächeln lag auf den Gesichtern der beiden. Ich schüttelte den Kopf und machte mich wieder an die Arbeit.

Nach ungefähr 20 Minuten standen wir vier zusammen vor dem großen lodernem Haufen. Ich starrte in den Himmel und beobachtete den Rauch. Ich wollte diese Menschen nicht nocheinmal sehen. Auch wenn sie zu Samuel gehört hatten, waren sie immernoch Menschen gewesen. Sie hatten nur auf seinem Befehl gehört. Bestimmt hatten viele von ihnen ebenfalls keine weiße Weste, jedoch waren viele von ihnen noch jung gewesen. Nicht viel älter als ich. Sie hatten noch ein langes Leben haben können. Aber sie hatten das Pech, mir in die Quere gekommen zu sein.

Ich hatte Menschen getötet.

Dieser Gedanke wurde mir erst jetzt wirklich bewusst.

Ich hatte Leben ausgelöscht.

Eine einzelne Träne ran mir über die dreckige Wange. Ich war versucht sie wegzuwischen, damit niemand eine Schwäche an mir sah. Vorallem nicht die beiden jungen Männer. Doch da wurde mir klar, das Mitleid und Trauer nicht immer Schwächen waren. Sie waren menschlich. Und würde ich sie nicht empfinden, würde ich so werden wie Samuel. Diese Träne und das große Feuer, war die einzige Ehrerbietung, welche wir den toten Feinden geben konnten. Und das wollte ich nicht schmälern, indem ich mich dafür schämte.

Also ließ ich die Träne ungehindert laufen.

Irgendwann, ich hatte das Zeitgefühl verloren, wurde der Rauch immer lichter. Ich schaute in die Gesichter der anderen.

Zen war auf die Knie gesunken, hatte die Hände gefaltet und die Augen geschlossen. Seine Lippen bewegte  sich im stummen Gebet.

Auch wenn die Brüder eigentlich nichts mit der Sache zu tun hatten, waren sie ehrerbietig stehen geblieben und hatten den Toten ebenfalls die letzte Ehre erwiesen.

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt