14. Kapitel

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Ich wirbelte herum. Zen stand vor mir und sah mich mit einem missbilligendem Blick scharf an.

,,Ich... Ich weiß nicht... Ich wollte nur...", stammelte ich etwas eingeschüchtert von dem sonst so ruhigen und sanften Mann.

,,Wenn ich dir auf die Sprünge helfen darf, sieht es so aus aus wolltest du gerade einen meiner Bögen zerstören."

Ich zuckte zusammen.

,,Nein! Nein, das stimmt nicht! Ich wollte es nur einmal ausprobieren!"

,,Du weißt, kiimo alea, dass das kein Spielzeug ist. Du hättest dich ernsthaft verletzten können. Außerdem ist es nicht gerade ein guter Anfang von unserer Beziehung, wenn du dir einfach Sachen von mir nimmst, ohne zu fragen. Hättest du mich gefragt, hätte ich bestimmt ja gesagt. Warum wolltest du es denn ausprobieren?"

Ich ließ die Schultern hängen. Sollte ich ihm meine Geschichte erzählen? Vielleicht konnte er mir ja helfen und mir beibringen wie man sich verteidigt.

Dass ich Timus fast gar nicht helfen konnte beim Kämpfen, lastete schwer auf meinen Schultern. Abgesehen von meinen Verletzungen natürlich. Aber hätte ich ihm helfen können, wäre er jetzt nicht in seiner Gewalt. Vielleicht wurde er gerade auf das Schlimmste gefoltert. Vielleicht war er schon tot. Ich hörte fast seine Schreie in meinen Ohren nachhallen.

Ich dachte an die Hinrichtungen. Hätte ich mich da verteidigen können, wäre meine Familie jetzt nicht vollständig ausgelöscht. Ich hätte verhindern können, dass sie alle starben. Aber ich hatte es nicht gekonnt. Weil ich zu unwissend war. Eine Träne bahnte sich den Weg durch meine gerade geschlossenen Lider und lief meine Wange hinunter. Eine warme Hand strich sie sanft weg. Ich zuckte zusammen. Ich hatte Zen nicht kommen hören.

,,Du musst es mir auch nicht erzählen, wenn du noch nicht bereit dazu bist...", beschwichtigte der Mönch mich.

,,Ich... Ich würde gerne lernen, mich zu verteidigen. Reicht das erstmal als Erklärung?"

Als ich meine Augen wieder öffnete sah er mich mit einem seltsamen Blick an. Dann nickte er.

,,In Ordnung. Ich werde dich das Kämpfen lehren."

Eine große Last fiel von meinen Schultern. Ich sackte in mich zusammen. Ich konnte es nicht fassen. Er wollte es mir wirklich beibringen.

,,Aber es gibt da noch einige Sachen die du bedenken musst, bevor du mein Lehrling wirst.", mahnte er.

Ich schaute auf.

,,Ersteinmal werden deine ganzen Verletzungen vollständig heilen müssen. Dann erst können wir anfangen. Zweitens wird es kein Kinderspiel werden. Du wirst sehr hart arbeiten und lernen müssen. Und du wirst nicht nur den Umgang mit Waffen von mir lernen. Denn Kämpfen alleine ist nicht alles. Das heißt, dass du sehr viel länger als du geplant hast bei mir bleiben müsstest. Normalerweise geht die Ausbildung fünf Jahre."

Ich überlegte. Ich hatte mir noch keine Gedanken gemacht, was ich nach meiner Flucht machen wollte. Fünf Jahre waren eine lange Zeit, aber es würde sich lohnen. Außerdem wäre ich hier bei Zen einigermaßen sicher und ich wüsste auch nicht wo ich sonst hinsollte. Ich hatte keine anderen Verwandten zu denen ich könnte, außerdem würde Samuel mich wahrscheinlich jagen und er würde sicher nicht damit rechnen, dass ich mich noch in der Nähe der Burg aufhielt. Er würde denken, dass ich so schnell wie nur irgend möglich das Weite suchen würde, um schnell von ihm weg zu kommen.

Das wollte ich auch.

Aber hier bot sich die Möglichkeit für mich, nicht mehr ganz so unwissend zu sein, wie davor.  Wenn das Unvermeidliche eintrat und er mich fand, konnte ich mich wenigstens etwas verteidigen.

Ich blickte in die Saphiraugen von dem Mönch.

,,Ich würde gerne euer Lehrling werden.", antwortete ich ihm.

Er nickte. ,,Dann fangen wir morgen mit der Ausbildung an. Heute gebe ich dir noch eine Schonfrist, denn deine ganzen Wunden sind noch nicht vollständig wieder verheilt. Heute darfst du noch tun und lassen was du möchtest, danach stehst du unter meiner Obhut und wirst mein Lehrling sein. Das heißt harte Arbeit und Gehorsam. Ich bin nicht immer so freundlich, wie in den letzten Tagen war...''.

Ich nickte.

Zen drehte sich um und ging zurück in die Höhle. Jedoch nicht, ohne den Bogen mitzunehmen und mich dazu aufzufordern die Pfeile einzusammeln und ebenfalls reinzubringen.

Nachdem ich seine Aufforderung ausgeführt hatte, ging ich wieder nach draußen.

Ich wanderte ein bisschen umher und erkundete die Gegend. Etwas entfernt von der Höhle fand ich eine versteckte Lichtung. In der Mitte befand sich ein silbern glänzender See. An seinem Ufer befand sich ein ausladender Baum. Neugierig sah ich ihn mir genauer an. Sein Stamm war weißsilber und die Blätter glänzten in einem satten Rotbraun und Gelbgold. Einige Äste hingen so tief,dass sie fast das Wasser des Sees berührten. Es kam mir vor wie ein Heiliger Ort.

Vorsichtig setzte ich mich zwischen die großen Wurzeln des Baumes. Wie sich herausstellte waren sie gar nicht so ungemütlich. Der Boden war mit Moos bedeckt und zwei der Wurzeln standen so, dass man sich perfekt hineinsetzen und den Rücken am Stamm anlehnen  konnte. Ich zuckte kurz zusammen, als mein empfindlicher Rücken die harte Rinde berührte, doch es tat nicht mehr so unsäglich weh, wie vor noch drei Tagen. Ruhig betrachtete ich meine Umgebung und lauschte. Es waren allerlei Vögel zu hören und das sanfte Plätschern des Wasser, wenn es an dem Ufer brach. Ich genoss diese angenehme Stille.

Meine Gedanken schweiften zu den vergangen Wochen. Alles war so schnell gegangen. Ich konnte mir wirklich nicht erklären, warum das alles passiert war. Es hatte mit dem Gerücht der Magie angefangen. Dieses Wort zog sich wie ein roter Faden durch die restlichen Ereignisse.

Doch soetwas gab es doch nicht oder?

Aber wenn ich genau darüber nachdachte...

Da war dieses Gerede der anderen bei Samuel: Blutmagier, Seelenmagier, Elementmagier, Gesegnete, Halbblut, Reinblut, Mond-Pluto-Phase, Rituale.

Was hatte das alles zu bedeuten?

Sogar Manfred und Timus hatten darüber geredet. Und diese beiden kamen mir nicht so verrückt vor, wie zum Beispiel Samuel. Da fielen mir auch wieder all die merkwürdigen Dinge ein, die passiert waren.

Samuel hatte mich ohne eine Waffe verletzt. Keran ließ einfach so eine Flamme auf seiner Hand entstehen. Meine Mutter heilte mich einfach. Mein Vater verzauberte mich mit seinen Geschichten so, dass ich dann an nichts anderes mehr dachte. Ich selbst heilte unnatürlich schnell.

Ich vergrub meine Hände in meinen offenen Haaren. Ich war verrückt. So etwas gab es nicht. Das konnte nicht sein. 

,,Aber wenn ich mal objektiv darüber nachdenke und die Geschehnisse mit den Erzählungen auf Samuels Burg zusammenbringe, heißt das noch lange nicht, dass das wahr ist", versuchte ich mich zu beruhigen.

Dann war Keran wohl ein Elementmagier. Aber dies waren wohl, laut Manfred, die Schwächsten dieser Art. Mein Vater war dann ein Seelenmagier. Er hatte Zugriff auf die Seele, konnte Entscheidungen beeinflussen, den Geist verwirren oder besänftigen. Meine Mutter und Samuel waren vielleicht Blutmagier. Denn sie konnten heilen, aber auch verletzen. Ohne Hilfsmittel. Sie hatten Macht über das Blut, über den Körper, über das Leben.

Aber Timus hatte gesagt, das Samuel das mächtigste Halbblut war, da er mit beiden Seiten gesegnet ist. Halbblut hieß wohl, dass die Eltern des Kindes zwei verschiedener Arten waren. Und da er mächtig war, war er wohl von einem Seelenmagier und einem Blutmagier. Doch da er von beiden Seiten gesegnet war, war dies wohl etwas Besonderes. Also bekam ein normales Halbblut wahrscheinlich immer nur die Kraft eines Elternteils übertragen...

Samuel meinte ebenfalls, dass seine Zeit schon überschritten war. Was hatte das zu bedeuten? Und was war ich? Ich hatte noch nie zuvor irgendwelche Kräfte bei mir entdeckt. Aber laut den anderen war ich gesegnet. Weil ich in der Mond-Pluto-Phase geboren war. Was hieß das? Ich heilte schneller als andere, aber das war dann auch schon alles.

Meine Eltern waren wirklich Magier gewesen. Das hieß, meine Geschwister waren Habblüter.

Doch warum war ich kein Halbblut?

Sondern eine Gesegnete?

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt