15. Kapitel

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In Gedanken versunken bemerkte ich erst spät, dass die Nacht ihre Decke über das Land gebreitet hatte. Schnell stand ich auf und suchte den Weg zurück zur Höhle. Zum Glück hatte ich einen guten Orientierungssinn, denn sonst hätte ich mich bei der schnell hereinbrechenden Finsternis bestimmt verlaufen.

Als ich die Höhle betrat, stieß ich mit Zen zusammen.

,,Du warst lange draußen. Ist alles in Ordnung?"

,,Ja. Ich brauchte nur einen Ort wo ich nachdenken konnte...", antwortete ich ihm.

Er nickte verständnisvoll. Dann drehte er sich um und ging wieder hinein. Ich folgte ihm.

Sollte ich ihn nach den Gesegneten fragen? Er wirkte so weise.

Nachdenklich beobachtete ich den Mann, der vor mir lief. Er hatte einen leichten Gang und bewegte sich geschickt und besonnen. Wie ich auch schon bei unserer ersten Begegnung bemerkt hatte, konnte man sein Alter sehr schwer einschätzen. Aber so weise wie er sprach und sich verhielt, musste er ja schon viel gesehen haben. Das hieß wiederum, dass er schon älter war. Aber so flüssig wie er sich bewegte, konnte ich es mir einfach nicht vorstellen.

Wir waren an meinem Schlafplatz angekommen. Dort wollte ich mich schon auf mein Lager setzen, als ich etwas an der Felswand bemerkte. Eine Bewegung aus den Augenwinkel. Ich ließ mir erstmal nichts anmerken und zog mir die Schuhe aus. Doch dann ganz plötzlich wirbelte ich herum.

Und erschrak zu Tode. Denn da stand ich.

Vor mir stand ein Spiegel. Ich brach in Gelächter aus.

,,Was ist denn so lustig, kiimo alea?", fragte Zen erstaunt.

,,Ich wollte gerade einen Spiegel angreifen.", lachte ich.

,,Und was ist daran so lustig?"

Mein Lachen verstummt allmählich.

,,Naja...", sagte ich etwas verwirrt, ,,Es ist ja nur ein Spiegel ..."

Zen nickte.

,,Aber was wenn es ein Feind gewesen wäre? Du hast gut reagiert."

Ich freute mich über das unerwartete Lob.

,,Du hast instinktiv gehandelt. Wäre es ein Feind gewesen, hättest du noch die Chance gehabt zu schreien, bevor du stirbst. Dann wäre ich alarmiert gewesen."

,,Nur zu schreien? Ich hätte mich natürlich auch gewehrt!!!", empörte ich mich.

,,Natürlich hättest du es versucht. Aber da du es nicht kannst und es wahrscheinlich ein ausgebildeter Kämpfer gewesen wäre, hättest du noch die Chance gehabt zu schreien und mich damit zu alarmieren. Das ist doch schon mal ein Anfang."

Mit diesen Worten drehte er sich lächelnd um und wollte gehen. Aber ich hielt ihn auf.

,,Und warum steht hier denn jetzt ein Spiegel?", fragte ich.

,,Damit du dir deine Wunden ein letztes Mal selbst verbinden kannst. Bei mir wirst du auch lernen zu heilen. Du kannst damit nicht früh genug anfangen."

Und damit rauschte er entgültig davon.

Ich schüttelte den Kopf. Ein komischer Kauz.

Als Erstes schaute ich mir meine Handgelenke an. Ich wickelte vorsichtig die Verbände ab. Es waren schwache Narben von den Ketten zu erkennen, doch alles war gut verheilt.

Dann schaute ich mir meinen rechten Knöchel an. Er war von dem heftigem Aufprall, von dem Sprung der Mauer, verstaucht gewesen. Dort waren keine Narben zu sehen und Schmerzen hatte ich auch keine mehr. Trotzdem legte ich erneut einen Stützverband um, damit ich kein Risiko einging.

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt