7. Kapitel

80 12 10
                                    

Immer noch komplett verwirrt, fiel mein Blick auf den Wasserkrug und den halben Brotlaib neben mir. Das Fleisch lag auch noch daneben. Jetzt erst fuhr mir der Schreck durch die Glieder.

Hätte Samuel das gemerkt!!! Ich wäre verloren gewesen!!!

Doch zum Glück hatte mein Körper das Essen verdeckt. Ich war völlig durcheinander.

Was würde jetzt passieren? Würde ich Timus wiedersehen? Würde es mir gelingen zu fliehen?

Diese klitzekleine Hoffnung war in mir, gab mir die Kraft weiter zu leben und einen Plan auszuhecken, wie ich von diesem Schreckensort wegkam.

Die Tage vergingen wieder. Aber diesmal war ich aufmerksamer. Ich dachte über meine Flucht nach. Dies gab mir erneut die Kraft die Qual und Schmerzen die Samuel mir zufügte, auszuhalten. Jeden Tag immer aufs Neue.

An diesem Tag ging mein Onkel früher als sonst wieder weg und in sein Zimmer. Danach kam er in frischen Klamotten und mit einer Tasche in der Hand wieder heraus. Danach verließ das Zimmer komplett. Ich wartete den ganzen Abend, aber er kam nicht zurück. Die Hoffnung in mir wuchs. Als sich die Nacht über die Burg senkte, und es langsam immer dunkler im Zimmer wurde, hörte ich wieder die kleine Tür.

Timus kam, gefolgt von einem zweiten Mann ins Zimmer. Er war etwas dick und hatte ein rotes Gesicht. Aber er wirkte freudlich und aufgeschlossen. Ich nickte den beiden zu.

,,Das ist Lady Leah. Darf ich vorstellen?", sagte Timus zu dem Mann. Dieser nickte mir ebenfalls zu.

Lady Leah?

Da fiel mir wieder ein, dass Samuel ja ein Großherzog war. Und ich als seine Nichte dann eine Lady...

,,Das hier ist Manfred", stellte er den Anderen vor.

,,Ich bin der Hofschmied" sagte Manfred. Seine Stimme klang tief und weich.

,,Das ist ja schön, und ich freue mich auch sehr dich kennenzulernen Manfred, aber wie willst du mir helfen hier heraus zukommen? Außerdem könnte jeden Moment mein Stiefonkel zurück kommen und dann ist es um uns alle geschehen...", meinte ich etwas skeptisch.

Der Schmied wurde noch etwas röter.

,,Ich bin derjenige der diese Ketten geschaffen hat.", murmelte er verlegen.

,,Ja und?",fragte ich verständnislos.

Timus seufzte.

,,Jedes geschmiedete Teil hat einen besonderen Schwachpunkt." ,erklärte Manfred. ,,Und da ich der Hersteller dieser Ketten bin, weiß ich auch ganz genau, wo er hier liegt."

,,Und was Samuel angeht, er ist für diese Nacht verreist, also der perfekte Zeitpunkt für dich zum fliehen.", fügte Timus hinzu.

Ungläubig blickte ich von einem zum andern.

Gab es wirklich eine realistische Chance für mich zum Fliehen?

,,Willst du mir wirklich helfen?",fragte ich an Manfred. ,,Wenn dass Samuel herausfindet bist du geliefert."

Gespannt schaute ich zu ihm. Die Farbe in seinem Gesicht war nun wieder etwas abgeflaumt und er wirkte schon fast blass. Aber er nickte. Ich atmete auf.

Der Schmied nahm eine Zange und einen dicken Hammer von seinem Gürtel, den ich vorher noch gar nicht bemerkt hatte, und trat vor mich. Ich beobachtete ihn aufgeregt. Er zog auch noch zusätzlich etwas wie ein Meißel heraus und legte diesen an ein Kettenglied. Dann visierte er an und schlug mit voller Kraft mithilfe des Hammers darauf. Es gab einen lauten Knall. Ich zuckte zusammen und lauschte angestrengt auf eventuelles Rufen von alarmierten Wachen oder Bediensteten. Aber alles blieb still. Immer noch komplett angespannt drehte ich mich wieder zu Manfred und Timus um. Auch sie beide lauschten konzentriert.

Diese Prozedur wiederholte er mehrere Male. Jedes Mal zuckte ich zusammen und die Spannung stieg an.

Endlich ertönte das erlösende ,,Pling"  der zerspringenden Kette und ich konnte endlich wieder meinen Arm etwas weiter bewegen. Ich atmete auf. Die erste Hälfte war schon mal geschafft. Manfred hatte mich so geschickt befreit, dass ich jetzt nur noch den eisernen Ring um das Handgelenk trug und daran nur noch zwei weitere Kettenglieder befestigt waren. So musste ich nicht so viel Gewicht an einem Arm tragen. Die restlichen Kettenglieder hingen noch an der Wand. Ich blickte zu Timus. Er stand an der Tür und hielt Wache. Auch er wirkte verkrampft, obwohl er mir mehrere Male versichert hatte, das mein Onkel fort sei. Der Schmied ging zu meiner anderen Seite, lächelte mich kurz an und machte sich flink wieder an die Arbeit.

Nach mehreren Hammerschlägen war auch mein anderer Arm frei. Genauso wie bei dem Anderen war nur noch der dicke Eisenring an meinem Handgelenk.

Ich konnte es nicht fassen.

Ich war wieder frei!

Dankbar schaute ich zu meinen beiden Helfern.

,,Ich weiß nicht wie ich euch danken kann. Ihr wisst nicht wie viel ihr für mich getan habt und ich kann mich niemals auch nur ansatzweise revanchieren. Ihr habt euer Leben für mich riskiert und ich würde auf der Stelle das Gleiche für euch tun. Ich bin euch etwas schuldig. Was auch immer ihr von mir wollt, fragt mich einfach.", bedankte ich mich überschwänglich.

Beide lächelten mir nur zu. Aber dann sagte Timus:

,,Du musst jetzt von hier fliehen. Proviant und andere überlebenswichtige Dinge haben wir zusammen gesucht. Wenn du es nicht schaffst, war alles umsonst. Also gehe ja kein Risiko ein, verstanden?"

Er sagte das scherzhaft, aber ich konnte die Wahrheit und die Sorge um mich dahinter erkennen. Ich war ernsthaft gerührt. Diese beiden Männer kannten mich kaum, und setzten beide ihre komplette Existenz aufs Spiel um mir aus der Tyrannerei meines Stiefonkels herauszuhelfen. Solche Menschen traf man nur selten im Leben. Und gerade ich kannte soetwas nicht. Ich wurde ständig von allen verraten und hintergangen, denn letztendlich kam ich nur von einer schlimmen Situation in ein anderes schlimmes, wenn nicht schlimmeres Ereigniss. Diese offene Gutmütigkeit und Sorge um einen einzelnen Menschen kannte ich nur von meiner Familie.

Und diese war kaltblütig getötet worden.

Als sich Manfred räusperte und zur Tür zeigte, schreckte ich wieder in die Gegenwart zurück und nickte als Antwort auf Timus Aussage. Wir setzten uns alle gleichzeitig in Bewegung und gingen zum Ausgang. Vorsichtig öffnete der Schmied die Tür und winkte uns anschließend hindurch.

Mein Herzschlag hatte sich gerade verdoppelt. Kalter Angstschweiß lief mir den Rücken hinunter und ließ die noch teilweise offenen, frischeren Wunden brennen. Ich biß die Zähne zusammmen, um kein Laut von mir zu geben. Einige frisch verschorften Stellen platzten erneut auf und warmes Blut lief mir über den zerschundenen Rücken, gemischt mit Schweiß. Ich war dieses Gefühl schon gewöhnt, trotzdem schauderte ich. Timus der hinter mir ging, sog scharf die Luft ein als er es sah.

,,Was hat dieses Monster mit dir angestellt Leah?!", fragte er vollkommen entsetzt.

Verlegen versuchte ich meinen unbedeckten Rücken verdeckten. Das Kleid hatte er ja ganz am Anfang zerfetzt, um mich besser verletzen zu können.  

,,Er hat mich gefoltert..." offenbarte ich leise.

Beide Männer schüttelten die Köpfe.

Plötzlich hörte ich ein Geräusch hinter mir.

Blitzschnell fuhr ich herum.

Und schnappte ungläubig nach Luft, als ich die Person vor mir erkannte.

Das komnte nicht sein.

Der Segen der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt