Kapitel 16

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„Frisch geerntete Karotten! Kauft Leute, kauft!"

„Die besten Kartoffeln findet ihr nur hier, in einzigartiger Qualität!"

„Frischer Fisch, frischer Fisch! Schlagt zu!"

Das waren nur einige der Ausrufe, die ich aufschnappte. Darunter mischten sich das Schlagen von Pferdehufen auf das Steinpflaster, Kinderschreie und Hühnergackern, bis alles zu einem allgemeinen Lärm verschmolz. Zudem traten mir die unterschiedlichsten und teilweise unbekannten Gerüche in die Nase. Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinsehen oder auf was ich mich zuerst konzentrieren sollte, so viele Eindrücke stürzten auf mich ein.

„Du warst noch nie auf dem Markt?", fragte Edward, der mich aufmerksam betrachtete. Offensichtlich amüsierte ihn mein Mienenspiel, denn ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen.

„Früher bin ich manchmal mit meiner Tante gegangen, aber das ist schon sehr lange her", verriet ich

Daraufhin runzelte Edward die Stirn. Dass unser Essen in den letzten Jahren hauptsächlich aus den abendlichen Überbleibseln der gegenüberliegenden Schenke, dessen Besitzer mit meinem Onkel befreundet war, bestanden hatte, ließ ich aus diesem Grund besser unerwähnt.

Edward ließ seinen Blick über die vielen Stände schweifen.

„Für mich riecht keine der Waren sonderlich appetitlich, aber wenn ich du wäre, würden mich die geräucherten Würste dort drüben reizen", sagte er mit einem Zwinkern und nickte auf einen kleinen Stand schräg vor uns, von dem tatsächlich ein wunderbarer Geruch zu uns hinüberwehte.

Edward führte mich zu dem Stand und bestellte alles, was ich auch nur anschaute. So verhielt es sich bei jedem Stand, an dem wir vorbeikamen und bald schon war er gezwungen, einen großen Korb zu kaufen, um die ganzen Dinge unterbringen zu können.

Während unserem Gang über den Marktplatz spürte ich die Blicke der vielen Menschen auf uns ruhen, da wir unweigerlich eine Menge Aufmerksamkeit erregten. Edward stach mit seinem makellosen Aussehen und der vornehmen Kleidung aus den Massen heraus. Ich dagegen fühlte mich immer unwohler, schließlich gab ich hier vor jemand zu sein, der ich gar nicht war und niemals sein würde. Ob die Leute erkannten, dass ich nicht an Edwards Seite gehörte? Dieser Gedanke stimmte mich aus unerklärlichen Gründen traurig und ich verdrängte ihn schnell.

Irgendwann hörte ich, wie eine Kirchturmuhr in der Nähe zwei Uhr Mittag schlug. Ach du meine Güte, wir hatten schon mehrere Stunden auf dem Markt verbracht! Es war mir gar nicht so lange vorgekommen.

Nachdem ich Edward ausdrücklich beteuert hatte, dass ich all die Nahrung niemals zu mir nehmen würde können und der Korb beinahe überquoll, erklärte er sich dazu bereit, dass wir uns auf den Rückweg machten. Ich war sehr erleichtert, den vielen Menschen entfliehen zu können.

„Danke", sagte ich, sobald wir uns ein Stückchen von dem Stimmengewirr entfernt hatten.

„Wofür bedankst du dich, Isabella?", fragte Edward und klang ernsthaft verwundert.

War das denn nicht offensichtlich?

„Für all die Dinge, die Ihr für mich gekauft habt, Sir. Und dafür, dass Ihr mir den Markt gezeigt habt", antwortete ich frei heraus.

Er hatte etwas an sich, das mich dazu brachte, zu leichtfertig alles zu sagen, was ich dachte. Ich war mir sicher, dass mich das noch in gehörige Schwierigkeiten bringen würde.

„Der Markt hat dir nicht gefallen", erwiderte Edward und es war keine Frage sondern eine Feststellung. Ich musterte ihn verblüfft.

Er wandte mir das Gesicht zu und lächelte schief.

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