Kapitel 15

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In meinem Rücken ertönte ein missbilligendes Brummen und halb befürchtete ich, Jonathan würde nun zu mir kommen, doch dann entfernten sich seine Schritte und er schien wieder an dem Tisch Platz zu nehmen. Ich atmete auf. Offensichtlich traute er sich in Edwards Gegenwart nicht, mir zu nahe zu kommen.

Das wunderte mich nicht sehr, denn in diesem Augenblick trat dieser auch schon wieder in Erscheinung. In den Händen trug er ein langes blaues Gewand in einem leicht dunkleren Farbton als der meines Kleides. Außerdem eine Bürste und einen rot glänzenden Apfel.

„Damit dein Hunger etwas nachlässt", sagte er und reichte mir den Apfel. Dankbar nahm ich ihn entgegen und biss prompt hinein. Ich war wirklich hungrig.

Edward trat hinter mich und legte mir den Umhang über die Schultern. Mein Atem stockte, als er die Kordeln an meinem Hals verknotete. Seine kalte Hand streifte meine Haut und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass er niemals damit aufhörte.

Doch viel zu schnell hatte er eine Schleife gebunden und nahm die Bürste zur Hand. Ganz sanft fuhr er damit durch meine Haare, bis auch das letzte Knötchen herausgekämmt war. Dabei platzierte er seine Hand oben auf meinem Kopf, damit es nicht ziepte. Meine Kopfhaut brannte und ich musste dem Impuls widerstehen, mich gegen seine Brust zu lehnen. Das Blut schoss mir in die Wangen. Es war einfach lächerlich.

Als Edward fertig war, trat er wieder vor mich und musterte das Ergebnis seiner Bemühungen mit einem zufriedenen Ausdruck.

Wie in Zeitlupe hob er die Hand und legte sie seitlich an meine Wange. Ich konnte nicht widerstehen und schmiegte mich hinein, lehnte mich beinahe dagegen. Da meine Wangen sich sowieso unnatürlich heiß anfühlten, nahm ich die eisige Kälte von Edwards Hand noch stärker wahr. Das führte dazu, dass mir noch wärmer wurde.

„Es gefällt mir, wenn du errötest, Isabella", raunte er so leise, dass ich es kaum verstehen konnte.

Ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Wieso um Himmels Willen sagte er so etwas zu mir?

Edward ließ seine Hand wieder sinken und bot mir erneut seinen Arm an. Dieses Mal hakte ich mich unter und ließ mich von ihm aus dem Haus führen.

Das Gefühl seines harten Unterarms unter meinen Fingerspitzen ließ mein Herz in einem schnelleren Rhythmus schlagen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich ein selbstzufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Er musste meinen rasenden Herzschlag gehört haben und das war mir unsagbar unangenehm.

Sobald wir uns im Garten befanden, fühlte ich mich, als wäre eine Last von meinen Schultern genommen worden. Ich hatte sie nicht wahrgenommen, bis ich einen Schritt vor die Haustür gesetzt hatte. Doch jetzt, als ich tief durchatmete, fühlte ich mich so gut wie schon lange nicht mehr. Edward an meiner Seite trug sicherlich nicht unwesentlich dazu bei, doch so genau wollte ich nicht darüber nachdenken.

Ich musterte ihn genauer, besonders die Stellen seines Körpers, die nicht von Kleidung verdeckt waren. Letztes Mal, als er mit mir außerhalb des Hauses gewesen war, schien seine Haut auf eine sonderliche Art geglitzert zu haben. Doch im Moment wirkte sie fast normal. Zu makellos und rein, um menschlich zu sein, aber erst auf den zweiten Blick als nicht menschlich zu erkennen.

Vielleicht lag es am Wetter. Beim letzten Mal hatte die Sonne vom Himmel gestrahlt und heute war Letzterer von einer dichten Masse grauer Wolken bedeckt, die der Sonne keinen Platz ließ.

Wir liefen eine Weile schweigend nebeneinander her und je weiter wir uns von Edwards Heim entfernten, desto unbehaglicher wurde mir zumute. Was würde passieren, wenn die drei Vampire, die über mich hergefallen waren, mich hier sahen?

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