Kapitel 37

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„Wage es ja nicht, Isabella! Denkst du wirklich, es interessiert mich, dass du deine Unschuld verloren hast? Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es nicht deine Schuld war, verdammt! Fändest du es angemessen, dass ich dich für das Verhalten anderer bestrafen würde? Soll ich dich auf die Straße setzen, weil andere Männer sich an dir vergangen haben?", brach es ungehalten aus ihm heraus und ich war mir nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden hatte, da er so schnell sprach. Jedenfalls schien seine Wut ein Wundermittel für meine Tränen zu sein, denn sie versiegten.

„Es ist mir egal, Isabella! Es wäre mir sogar egal, wenn du die größte Hure der Stadt wärst und dein Bett mit hundert Männern vor mir geteilt hättest. In meiner Position werde ich es mir sicher nicht anmaßen, über dich zu urteilen. Und ich bin es leid, dass du mein Äußeres mit meinem Inneren gleichzusetzen scheinst!", rief er aufgebracht.

Heißes Blut schoss mir in die Wangen. Das konnte er unmöglich gesagt haben! Ich schniefte und hustete und rückte ein Stückchen von ihm ab, um meine Fassung wiederzugewinnen. Edward seufzte und sprach weiter, ruhiger jetzt.

„Ich bin nicht mein Äußeres. Mein Erscheinungsbild hat mir Jahrzehnte lang dabei geholfen die Schwärze meines Charakters auszuleben. Du dagegen, Isabella, du bist ein strahlendes Weiß. Wenn es jemanden zusteht, sich zu fragen, ob er es wert ist, dann bin ich es. Und wenn noch ein einziges Wort zu diesem Thema deinen Mund verlässt, werde ich Konsequenzen ziehen."

Drohte er mir? Ich schluckte und sprang über meinen Schatten.

„In Ordnung. Es tut mir leid, ich möchte mich nicht mit dir streiten."

Meine Stimme klang leise und brüchig, doch sie rief die erhoffte Reaktion bei Edward hervor. Ein leises Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er beugte sich vor, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben.

„Du weißt gar nicht, wie sehr es mir gefällt, dass du dieses schrecklich förmliche Wort nicht mehr benutzt. Geh dich umziehen und dann werden wir zu meiner Familie hinübergehen."

Ich sah an mir hinab und entdeckte mit Schrecken, dass ich die zweite Nacht in Folge in meinem Kleid eingeschlafen war. Das sollte ich mir lieber wieder abgewöhnen.

Wenig später betraten wir Hand in Hand den Salon der Cullens. Mein erster Impuls, sobald wir die Türschwelle überschritten hatten, war es gewesen, ihm meine Hand zu entziehen, doch er hielt mich in einem stählernen Griff und ließ mir keine Chance.

Offensichtlich hatten sie abgesprochen, dass sie sich treffen wollten, denn alle Cullen hatten sich im Salon versammelt und begrüßten uns. Nur Rosalie sagte nichts und trug eine unzufriedene Miene zur Schau. Sie sah aus wie ein Racheengel.

„Hast du gut geschlafen, Bella?", erkundigte Alice sich und prompt wurde ich rot.

Wusste sie, was Edward und ich gestern Abend getan hatte? Wussten sie es am Ende alle? Wie gut war ihr Gehör? Ich hoffte, dass sie nicht hören konnten, was in Rosalies und Emmets kleinem Häuschen passierte. Edward hatte sich bei Alices Worten versteift, doch ich wusste, dass das einzig daran lag, dass Alice mich Bella nannte. Es gefiel ihm nicht, weil Aro mich genauso genannt hatte. Aber ich konnte es Alice nicht übelnehmen.

„Danke, ich habe gut geschlafen", antwortete ich.

„Sehr schön. Wir haben bereits den Tisch für dich gedeckt", sagte Esme und zog mir den Stuhl am Kopfende zurück.

„Ihr seid sehr nett zu mir", lächelte ich und nahm Platz. Wenn sie nicht so überirdisch schön wäre und diese unnatürlichen bernsteinfarbenen Augen nicht da wären, könnte sie ohne Zweifel als Mensch gelten.

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