Meine Hand schien ein Eigenleben entwickelt zu haben. Während Isabella schlief, strich sie über ihre seidigen Haare, die warme Haut ihrer Wangen, ihrer Stirn, über ihr Schlüsselbein, ihre Arme und die weiche Wölbung ihrer Hüfte hinab. Für einen kurzen Augenblick hatte ich mit mir gerungen und überlegt, ihr das Kleid auszuziehen, doch ich wollte nicht, dass sie sich auf irgendeine erdenkliche Weise von mir bedroht oder benutzt fühlte. Außerdem hatte Rosalie ihr nur das dünne Nachtkleid mitgebracht und bei der Erinnerung an die Konturen ihres weichen Körpers, regte sich nicht nur meine Körpertemperatur. Also ließ ich das Kleid wo es war. Falls es unbequem für sie war, so merkte man es ihr nicht an. Ihr Atem ging ruhig und tief, stockte allerdings von Zeit zu Zeit, wenn ich mit meinen Fingern über ihre warme Haut fuhr.
Ab und zu traf mich der Duft ihres Blutes besonders intensiv und es fühlte sich an, als zöge sich mein Innerstes zusammen. Seit ich tatsächlich von ihr gekostet hatte, hatte es eine Veränderung in meiner Wahrnehmung ihres Duftes gegeben, da ich nun wusste, wie sie schmeckte. Aus diesem Grund war der erste Reiz des Unbekannten verflogen. Doch gleichzeitig erschwerte diese Tatsache die Situation, da ich eben genau wusste wie himmlisch sie schmeckte. Allerdings war es ein leichtes, ihr zu widerstehen solange ich nur an die Alternative dachte. Niemals wieder würde ich ihr wehtun.
Nachdem ich Isabella etwa zwei Stunden lang beim Schlafen zugesehen hatte und mir sicher war, dass sie so bald nicht aufwachen würde, zog ich ihr vorsichtig die Decke bis zu den Schultern und verließ Emmets und Rosalies Haus. Auch wenn es mir nicht behagte, sie allein zu lassen, war es an der Zeit, mit meiner Familie zu reden. Insbesondere Jasper, Rosalie und Emmet würde ich warnen müssen, nachsichtiger zu sein. Ich wollte es vermeiden, ein weiteres Mal die Kontrolle zu verlieren, denn andernfalls konnte ich nicht dafür garantieren, keinem meiner Familienmitglieder ernsthaften Schaden zuzufügen. Wenn Carlisle mich heute nicht aus dem Raum geschickt hätte, wäre ich vermutlich auf Jasper losgegangen, der Isabella bloß für eine meiner Gespielinnen hielt. Das war sie nicht, ganz und gar nicht.
Meine Familie stand bereits versammelt im Hausflur und wartete auf mich. Ich tauchte bewusst nicht in ihre Köpfe ein, da mir ohne Zweifel schon bewusst war, was sie alle dachten.
„Sie schläft", begrüßte ich sie und nahm meinen Platz in dem lockeren Kreis, den sie gebildet hatten, ein. Abgesehen von Esme, die mich geradezu anstrahlte, schauten sie alle sehr ernst, was ich ihnen nicht verübeln konnte. Ich hatte sie in eine äußerst missliche Lage gebracht, dessen war ich mir bewusst. Doch ich hatte unmöglich mit Isabella in New York bleiben können, dort wäre sie noch weniger sicher gewesen als hier. Natürlich wusste Aro, wo die Cullens wohnten, doch es würde immerhin einige Stunden brauchen, bis einer der Vampire bei uns war, während es in der Stadt nur wenige Minuten dauern würde.
„Ich habe immer gewusst, dass du irgendwann die Richtige finden würdest", lächelte Esme glückselig und ich nickte ihr zu. Daran bestand kein Zweifel. Isabella war die Richtige. Sonst hätte ich sie nicht unangetastet bei mir wohnen lassen, sonst hätte ich sie nicht aus Aros Verließen befreit, sonst hätte ich sie nicht mit zu meiner Familie genommen. Doch mir war bewusst, dass nicht all meine Freunde meinen Seelenfrieden vor die Sicherheit ihrer Familie stellen würden.
„Ich weiß, dass ich kein Recht habe, von euch zu verlangen, euch gegen Aro zu stellen", begann ich und empfing daraufhin ein trockenes Lachen von Emmet und einen zweifelnden Gesichtsausdruck von Carlisle.
„Bleibt uns denn eine andere Wahl?", fragte Rosalie missgelaunt. „Indem du dieses Menschmädchen mit zu uns genommen hast, hast du Aro ein klares Zeichen gegeben. Wenn er nicht schon in wenigen Stunden mit seiner Meute hier auftaucht, haben wir großes Glück. Falls es zu einem Kampf kommen sollte, werde ich mich ganz bestimmt nicht auf die Seite dieses Menschen stellen."
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Angst
أدب الهواةNew York, Mitte des 18. Jahrhunderts - Isabella Swan lebt bei ihrem Onkel, seitdem ihre Eltern einem Raubüberfall zum Opfer gefallen sind. Als sie eines Nachts einen Auftrag für ihn ausführen soll, fällt sie in die Hände übler Vampire, die in ihr ei...