Ein wildes Knurren ertönte und einen Moment später saß Edward nicht mehr auf dem Stuhl, sondern stand auf der anderen Seite des Raumes. Blinde Wut funkelte mir aus seinen Augen entgegen und ich zuckte zusammen, als ich erkannte, dass er im Begriff war, jegliche Kontrolle zu verlieren. Mist! Ich hätte mich zurückhalten sollen. Es war nicht richtig gewesen, ihm das vorzuhalten, nachdem er mich gerettet hatte.
Dann verließ plötzlich ein weiteres donnerähnliches, ohrenbetäubendes Knurren seinen Brustkorb, das die Zimmerwände erbeben ließ. Ich zuckte zusammen und schlug mir die Hände auf die Ohren, während er mit dem Rücken zu mir stand und die Tür anzuknurren schien. Das Knurren dauerte an und schien zudem immer lauter zu werden. Sein Körper wirkte schrecklich verkrampft.
Dann kam plötzlich Leben in ihn und bevor ich auch nur blinzeln konnte, hatte er sich auf das schöne Bücherregal gestürzt und riss all die wunderbaren, wertvollen Werke hinaus. Nein! Er musste aufhören. Ich hatte Angst, dass er das ganze Zimmer zu Kleinholz verarbeiten würde. Denn dazu war er ohne Frage in der Lage.
Ohne überhaupt nachzudenken, schlug ich die Bettdecke zurück und stand auf. So schnell ich konnte, lief ich auf Edward zu und hielt erst inne, als ich direkt hinter ihm stand. Bücher und herausgerissene Seiten flogen wild durch die Luft und ich japste, als mich ein schwereres Exemplar an der Schulter traf. Ich musste ihn irgendwie dazu bringen, dass er aufhörte. Sofort! Und am besten ohne dass er mich dabei verletzte.
Das tiefe Grollen, das direkt aus seinem Brustkorb zu kommen schien, erschütterte noch immer das gesamte Zimmer.
„Edward", murmelte ich leise, doch es war über sein Gegroll überhaupt nicht zu verstehen.
„Edward!", rief ich, laut genug, dass er es eigentlich hätte hören müssen, doch es schien nicht so, als ob er überhaupt noch etwas wahrnahm, abgesehen von der blinden Zerstörungswut, die ihn befallen hatte.
Im nächsten Moment packte er das nun leere Bücherregal und warf es mit einem ungeheuren Knall gegen die Zimmertür, von der durch den Aufprall mehrere große Splitter herausbrachen. Ich keuchte auf und war ungeheuer froh darüber, dass er sich für die Tür und nicht die Mitte des Raums entschieden hatte, denn dann hätte sie mich erwischt.
„Edward!", wiederholte ich zum gefühlt hundertsten Mal. Doch er beachtete mich überhaupt nicht, sondern machte sich stattdessen am nächsten Regal zu schaffen. Es war genug!
Mutig machte ich einen Schritt nach vorne und legte meine beiden Hände auf seine Schultern, die dort ungeheuer klein und verloren wirkten. Augenblicklich erstarrte Edward in seinen Bewegungen und auch das Knurren verebbte. Er fuhr herum und starrte mich aus geweiteten, roten Augen an. Seine Brust hob und senkte sich so schnell, wie ich es bei ihm noch nie gesehen hatte, und er stand so nah, dass ich seinen süßen Atem auf mein Gesicht treffen spüren konnte.
„Ich hätte dich verletzten können, Isabella", murmelte er dann und so plötzlich, dass ich mich in keiner Weise darauf vorbereiten konnte, hatte er die Arme um meine Hüfte geschlungen und mich gegen sich gezogen. Sein Griff war fest, als hätte er nicht vor, mich in nächster Zeit wieder loszulassen. Aber nicht so fest, dass es wehtat. Ihn so nah, mit nur dem dünnen Stoff unserer Kleider zwischen uns, an mir zu spüren, stellte die merkwürdigsten Dinge mit meinem Herzen an.
Dann war sein Gesicht plötzlich in meinen Haaren, sein kühler Atem kitzelte meine Halsbeuge. Mir war bewusst, wie schnell mein Herz in diesem Moment klopfte, beinahe als würde es versuchen, aus meinem Brustkorb zu springen. Und er musste es auch hören.
Doch ich war viel zu benebelt von seiner plötzlichen Nähe, als dass ich mich weiter darum kümmern konnte. Überdeutlich spürte ich jeden einzelnen angespannten Muskelstrang unter seiner Haut, die sogar durch seine Kleidung hindurch eine angenehme Kühle auf mein erhitztes Gesicht übertrug. Wie automatisch hob ich die Arme und legte sie um seine Hüfte. Ein merkwürdig erstickter Laut verließ Edwards Lippen und verlor sich in dem verwüsteten Raum. Sein Griff verstärkte sich, wenn das überhaupt möglich war, noch ein wenig und es fühlte sich an, als würde etwas in meiner Brust mit einem Mal an die richtige Stelle springen.
Das einzige, was ich in diesem Moment wusste, war, dass ich ihm noch näher sein wollte. Und alle anderen Gedanken - wie absurd ich mich verhielt und wie verwerflich das hier war - rückten in den Hintergrund.
Etwas Kühles und ungeheuer Weiches berührte meinen Hals und es war, als durchzuckte mich ein Blitz. Waren das seine Lippen gewesen? Ich zog meinen Kopf ein Stückchen zurück und vermisste sofort das Gefühl seiner Nähe.
Sein Gesicht war so nah. Seine Lippen schienen mich geradezu magisch anzuziehen und der Blick in seinen Augen war ein einziger Lockruf. Ehe ich das Ganze noch in irgendeiner Weise überdenken konnte, stellte ich mich auf die Zehenspitzen und legte meine Lippen vorsichtig auf seine. Und dann passierte für einen kurzen Moment gar nichts. Edward schien sich in einer Art Schockstarre zu befinden und ich begann schon, mich innerlich für diese wahnwitzige Idee zu verfluchen. Außerdem tat ich wirklich nichts anderes, als meine Lippen gegen seine zu drücken, denn ich hatte leider nicht die leiseste Ahnung von dem, was ich hier tat.
Doch dann ruhten seine Hände plötzlich nicht mehr an meinem Rücken, sondern legten sich federleicht an mein Gesicht.
Und dann begann er, seine Lippen unter meinen zu bewegen. Erst fühlte es sich ziemlich ungewohnt an, bis ich auf die Idee kam, es ihm nachzutun. Nach einigen unbeholfenen Bewegungen geschah es beinahe wie von allein und jeder intelligente Gedanke verabschiedete sich aus meinem Kopf.
Edward schmeckte so unglaublich wunderbar wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Viel besser als er roch. Und das weiche und gleichzeitig harte Gefühl seiner kühlen, glatten Lippen auf meinen, ließ mich beinahe den Verstand verlieren.
Seine Hände glitten von meinem Gesicht hinab über meine Schultern und die Arme hinunter, bis er sie mit meinen eigenen Händen verschränkte und sie zusammen hinter meinen Rücken führte. Das führte dazu, dass ich noch enger an ihn gepresst wurde, Brust an Brust, und das Ziehen, das ich bereits bei seinem Biss in meinem Unterleib gespürt hatte, machte sich erneut bemerkbar, allerdings um einiges stärker.
Mein Atem beschleunigte sich auf eine Frequenz, die mir in jeder anderen Situation peinlich gewesen wäre, doch im Moment war ich zu sehr von diesem Kuss gefangen genommen. Ich wünschte, ich könnte ihm noch näher sein. Also drängte ich mich so eng wie nur möglich an ihn heran und fühlte mein Herz für einen kurzen Moment seinen Rhythmus verlieren, als ein kleines Stöhnen Edwards Lippen verließ und ich im nächsten Moment etwas Kühles und aufregend Feuchtes über meine Unterlippe gleiten spürte. Seine Zunge!
Im selben Moment ging ein leichtes Zittern durch seinen Körper und ich spürte, wie sich etwas Hartes gegen meinen Bauch drückte. Die Luft stockte mir in den Lungen, als mir bewusst wurde, dass er erregt war. Seine Lippen pressten sich unnachgiebig und gierig gegen meinen Mund und ein leises, unterdrücktes Grollen ließ seinen Körper vibrieren.
„Isabella", murmelte er gegen meine Lippen.
Ich öffnete die Augen und blickte auf sein makelloses Gesicht, das selbst aus nächster Nähe keinen einzigen Fehler zu haben schien. Seine Augen waren geschlossen und der Ausdruck auf seinem Gesicht erinnerte mich ein wenig an den, den es besessen hatte, als er von meinem Blut getrunken hatte. Er war so unglaublich schön. Engelsgleich.
Dann schlich sich plötzlich eine unangenehme Schwärze in mein Sichtfeld und ein starkes Schwindelgefühl machte sich über meinen Körper her. Glücklicherweise hielt Edward mich sowieso schon mehr als dass ich auf eigenen Füßen stand, sodass ich nicht umkippte, als mir die Sinne schwanden. Meine Augen klappten zu und ich hörte Edward leise fluchen.
DU LIEST GERADE
Angst
FanfictionNew York, Mitte des 18. Jahrhunderts - Isabella Swan lebt bei ihrem Onkel, seitdem ihre Eltern einem Raubüberfall zum Opfer gefallen sind. Als sie eines Nachts einen Auftrag für ihn ausführen soll, fällt sie in die Hände übler Vampire, die in ihr ei...