Über meinem rechten Arm hing ein Korb, voll beladen mit allerhand Köstlichkeiten – sofern ein Mensch war und diese Dinge wirklich genießen konnte.
An meinem linken Arm hatte ich Isabella untergehakt und ich konnte förmlich dabei zusehen, wie sie sich immer weiter aufrichtete, je weiter wir uns vom Markt entfernten. Ihr gefiel es absolut nicht, sich in größeren Menschenansammlungen aufzuhalten, das hatte ihr ganzer Körper förmlich jedem zugeschrien, der sie auch nur angeschaut hatte.
Normalerweise hasste ich nichts mehr als die übergroße Ängstlichkeit, diese bedauernswerte Schwäche, die in einigen Menschen wohnte. Doch alles in mir sträubte sich dagegen, Isabella die Schuld für ihr verängstigtes Verhalten zu geben. Der Mann, den sie ihren Onkel nannte, war der einzig Schuldige. Es brannte mir unter den Fingernägeln, sie nach ihrem Leben zu fragen und mir alles bis ins kleinste Detail erzählen zu lassen, doch ich befürchtete, dass es noch zu früh war. Ich war mir nicht sicher, ob sie mir schon genügend vertraute. Und außerdem wollte ich sie nicht an all die dunklen Tage erinnern, denn dann würde das kleine Lächeln, das sich nun auf ihr Gesicht schlich, sofort verschwinden.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie sich zögerlich in meine Richtung drehte.
„Danke", sagte sie dann zu meiner Überraschung und richtete den Blick schnell wieder auf die Straße.
„Wofür bedankst du dich?", fragte ich und bemühte mich aus reiner Gewohnheit, in ihre Gedanken einzudringen, um dort eine Antwort zu finden. Natürlich gelang es mir nicht.
„Für all die Dinge, die Ihr für mich gekauft habt, Sir. Und dafür, dass Ihr mir den Markt gezeigt habt", antwortete Isabella mit einer tiefen Ehrlichkeit in der Stimme.
Noch vor ein paar Tagen hätte sie sich niemals getraut, so unbefangen mit mir zu reden und ich konnte den Stolz, der mich bei ihren Worten erfüllte, nicht verleugnen. Vielleicht würde es eines Tages so weit sein, dass sie einfach frei und ehrlich mit mir sprach, mir von ihren Gedanken und Sorgen erzählte und sich nicht dafür schämte.
„Der Markt hat dir nicht gefallen", stellte ich fest.
Ich wusste, dass das der Wahrheit entsprach, doch gleichzeitig war ich gespannt, wie sie darauf reagieren würde.
Alles, was sie tat, war, mir wieder den Kopf zuzudrehen und mich verdutzt anzuschauen. Sie war offensichtlich der Meinung, sie habe ihre Abneigung besser verbergen können.
Ich lächelte.
„Es war nicht schwer zu erkennen. Du warst die ganze Zeit über verkrampft, Isabella", erklärte ich.
Als ob sie sich dadurch ein wenig angegriffen fühlte, richtete sie sich ein Stückchen weiter auf, doch auf ihrem Gesicht spiegelte sich eine tiefe Unsicherheit wider.
„Und du hast keinem der Menschen dort ins Gesicht gesehen", fügte ich hinzu.
Einerseits stimmte mich diese Tatsache traurig, weil sie einfach so sehr in sich gekehrt war, doch andererseits freute ich mich über ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und darüber, dass sie mir, einem Vampir, unter all den Menschen ihr Vertrauen schenkte. Wenn auch nicht vollkommen.
Ich sagte diese Dinge nicht, um sie zu verletzen. Ich wollte ihr nur begreiflich machen, dass es keinen Grund für ihre Ängstlichkeit gab.
Jetzt hüpfte ihr Adamsapfel auf und ab, als sie schwer schluckte. Ihr Blick ruhte erneut auf der Straße vor uns, dieses Mal schaute sie allerdings stur auf den Boden direkt vor ihren Füßen. Ihre Bedrücktheit schien sich über die Luft auf mich zu übertragen und ich seufzte leise. Das war nicht meine Absicht gewesen.

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Angst
Hayran KurguNew York, Mitte des 18. Jahrhunderts - Isabella Swan lebt bei ihrem Onkel, seitdem ihre Eltern einem Raubüberfall zum Opfer gefallen sind. Als sie eines Nachts einen Auftrag für ihn ausführen soll, fällt sie in die Hände übler Vampire, die in ihr ei...