Kapitel 21

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„Na, na, na", hörte ich eine neue melodische Stimme vom Gang her.

Der Vampir ließ mich sofort los und wich einen Schritt zurück, um dann zur Seite zu weichen.

Er gab die Sicht frei auf einen mittelgroßen Mann mit dunklen Haaren, die ihm lockig auf die Schultern fielen. Er stand vor der offenen Tür meiner Zelle und musterte mich mit einem verzückten Ausdruck im Gesicht. Das Blut gefror mir in den Adern.

„Wie ist dein Name, mein Mädchen?", fragte er mich und schritt langsam näher.

Als er direkt vor mir stand, legte er eine Hand unter mein Kinn und drehte es in alle Richtungen, um mich genau zu mustern. Ich war verwirrt. Er kannte nicht einmal meinen Namen? Ich dachte, er hatte mich meinem Onkel abgekauft.

Der Griff an meinem Kinn wurde schmerzhaft.

„Isabella", presste ich zwischen den Zähnen hervor und atmete erleichtert auf, als er von mir abließ.

„Bella. Wie passend. Eine Schönheit bist du wirklich", lächelte er und tat dann etwas, das Übelkeit in mir aufsteigen ließ. Er lehnte sich vor, hob die Hand in einer anmutenden Bewegung und wedelte sich ein wenig Luft aus meiner Richtung unter die Nase.

Genießerisch schloss er die Augen und seufzte zufrieden. Ich hielt den Atem an.

„Dein Blut riecht himmlisch, Bella", äußerte er und trat um mich herum, sodass er nun dicht hinter mir stand. Als er meinen neuen Spitznamen aussprach, zuckte ich zusammen. Ich war nicht schön, doch schon gar nicht wollte ich von ihm so genannt werden.

Ich spürte seinen kühlen Atem in meinem Nacken und dann schob er meine Haare über eine Schulter nach vorne und neigte meinen Hals langsam zur Seite. Mein Körper begann zu zittern wie Espenlaub.

Erst jetzt wurde mir das volle Ausmaß der Situation bewusst.

Ich war am Ende. Ich saß in einem Verließ Aros, des Mannes, an den Jonathan mich hatte verkaufen wollen und vor dem er eine solche Angst gehabt hatte. Er würde ohne Hindernis seinen Blutdurst an mir stillen können und letztendlich würde ich so enden, wie das arme Mädchen in meiner Nachbarzelle.

Zorn wuchs in mir heran. Zorn auf mich selbst und meine dumme Entscheidung, von Edwards Haus wegzulaufen. Ich hätte jedenfalls versuchen sollen, ihm die Wahrheit über seinen sogenannten Freund zu erzählen. Das letzte Mal hatte ich viel zu schnell aufgegeben. Nun bekam ich die Folgen zu spüren.

Ein brennender Schmerz entfachte an der rechten Seite meines Halses und ich wusste, dass Aro meine alten Wunden wieder aufgerissen hatte, um seine Zähne darin zu versenken.

Der Schmerz, der immer tosender durch meinen ganzen Körper tobte, war nicht einmal das Schlimmste. Das Schlimmste waren die Erinnerungen, die ich so lange verdrängt hatte, und die nun wieder an die Oberfläche traten. Mit einem Mal lag ich wieder nackt und schutzlos auf dem dreckigen Straßenboden und die Hände der drei Vampire glitten gierig über meinen Körper.

„Nein! Nein!", schrie ich verzweifelt, doch eine Hand presste sich unnachgiebig auf meinen Mund und das Saugen an meinem Hals verstärkte sich.

Ihre Hände fanden den Weg zu all den Stellen, die ich seitdem an meinem Körper verabscheute, und ich spürte, wie sich das schwere Gewicht eines Vampirs auf mich senkte. Der Schmerz wurde beinahe unerträglich und ich sackte in mich zusammen, gab auf. Bilder vom heutigen Morgen schoben sich vor meine Augen. Jonathans Grunzen hallte mir in den Ohren wider. Dann war da Edward in meinem Traum, so wunderschön und perfekt, dass es wehtat. Ich schluchzte auf.

Das Saugen an meinem Hals wurde noch eine Spur kräftiger und brach schließlich abrupt ab. Die Bilder von der verhängnisvollen Nacht und auch alle anderen verschwanden und ließen mich allein im Hier und Jetzt zurück.

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