46. Attacke

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Louis:

Noch immer geschockt davon, dass man diese Frau einfach so weggesperrt hatte, ging Louis mit Zayn und Liam weiter. Sie hatten sich schnell aus dem Staub gemacht, bevor die Uniformierten sie auch noch genauer unter die Lupe nehmen wollte. Auffallen sollte unbedingt vermieden werden. Es war noch früh am Morgen und die Straßen noch recht leer, als sie sich auf den Weg zum Zentrum machten. „Wollen wir am Flussufer entlang gehen?", schlug Liam vor und so nahmen sie die Parallelstraße zur Whitehall und gingen am Ufer der Themse entlang. Auch hier war wenig los und sie blickte immer wieder hinüber auf die andere Seite des Flusses. Unheilvoll zeichneten sich die dunklen Ruinen der abgebrannten Häuser vor dem Himmel ab. „Was machen die mit den Menschen dort drüben?", überlegte Louis und dachte an die Frau, die man vorhin eingesperrt und weggekarrt hatte. „Ob es da sowas wie ein Krankenhaus gibt und man nur verhindern will, dass sich Krankheiten nicht hier auf dieser Seite ausbreiten?", überlegte Zayn und sah eher so aus, als versuchte er sich selbst, Hoffnung zu machen. „Ich denke nicht. Der Junge, den ich in der Kirche...gebissen habe, meinte dass es keine Apotheken in der Stadt gibt. Deswegen glaube ich nicht, dass die ein Krankenhaus haben. Das wird sowas wie ein Ghetto sein, das man dort eingerichtet hat...schrecklich, dass sich Menschen sowas ausdenken", murmelte Louis und seufzte. Es war schade, dass Menschen so primitiv und brutal wurden, wenn sich die Umstände änderten. Jeder stand sich selbst am nächsten und keiner nahm Rücksicht auf andere. Friss oder Stirb war hier das Motto.

Der Wind, der das Wasser kräuselte, trieb die Wolken vor sich her. Sie rissen auf und warme Sonnenstrahlen erreichten das Ufer, an dem sie entlanggingen. „Ah, endlich." Zayn schloss die Augen und hielt das Gesicht in die Sonne. Louis hätte die Wärme auch gerne genossen, stattdessen presste er sich die Hände aufs Gesicht, denn dort wo die Strahlen seine Haut getroffen hatten, bildeten sich rasend schnell schmerzhafte Blasen. „Au!", rief er und verbarg das Gesicht in den Händen, doch auch die Haut dort wurde heiß und wund, als sie der Sonne ausgesetzt waren. So ähnlich musste es sich anfühlen, mit heißem Wasser übergossen zu werden. Unsägliche Schmerzen.

Louis Knie knickten ein und er drehte sich mit dem Rücken zur Sonne, um sich zu schützen. Erschrocken, waren Liam und Zayn sofort bei ihm und zogen ihm die Hände vom Gesicht. „Du meine Güte...wie konnte das passieren?", keuchte Liam. „Das können wir später noch fragen...wir müssen ihn vor der Sonne schützen!" Hektisch schlüpfte Zayn aus seiner Jacke und warf sie über Louis, um ihn vor der direkten Sonne zu schützen. Die Blasen waren so tief, dass Louis vor Schmerz keuchte und nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war. Alles tat weh und er konnte sich nicht erklären, wieso er plötzlich so auf die Sonnenstrahlen reagierte. Vor seinen Augen war alles schwarz, der Schmerz blendete ihn regelrecht. „Er muss aus der Sonne...los, lass uns so schnell wie möglich zurückgehen", beschloss Liam, packte Louis, warf ihn sich kurzerhand über die Schulter und rannte los. Seine Schritte waren hart und bebend und Louis bekam jedes Mal einen Schlag in die Magengrube, wenn er auf Liams Schulter auf und ab geworfen wurde. Zayn rannte hinter ihnen und achtete darauf, dass kein Stückchen von Louis' bloßer Haut an die Sonne kam.

Sie erreichten Whitechapel schnell und ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. Dort zogen sie sich in ihr Zimmer zurück. Liam legte Louis auf dem Bett ab und Zayn verschloss rasch die Fensterläden, sodass nur noch wenig Licht durch die schmalen Ritzen herein fiel. Dann kniete er sich vor Louis, der reglos und zusammengekrümmt da saß. Alles tat weh und er wollte gar nicht sehen, was die Sonne mit ihm angestellt hatte. „Lass mich das mal sehen." Zayn versuchte seine Stimme ruhig klingen zu lassen, doch Louis hörte genau, dass sie leicht zitterte. Die Jacke wurde abgehoben und Zayn legte sie neben sich auf den abgetretenen Holzboden. Als er Louis Gesicht sah, atmete er zischend ein und sein Blick wurde besorgt. „Das sieht schlimm aus", stellte er fest und hielt Louis Kopf ein wenig nach hinten gedrückt, um sich die Wunden genauer anzusehen. „Willst du es mal im Spiegel anschauen?", fragte er. Unsicher, ob es das wollte, oder nicht, verzog Louis das Gesicht. Es machte ihm Angst, nicht zu wissen wie er aussah und gleichzeitig wollte er es nicht sehen.

Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, denn Liam hatte den Spiegel von der Wand in der Hand und trat vor Louis hin, sodass er sich sehen musste. „Oh Gott", keuchte er. Sein Gesicht war mit nässenden, feuerroten, aufgeplatzten Blasen übersät, ebenso die Hände. „Wie konnte das passieren?", keuchte er und blickte noch einmal fassungslos in den Spiegel. „Du kannst so auf jeden Fall nicht mehr rausgehen, bis wir herausgefunden haben, wie man das wieder heilen kann", beschloss Liam, lehnte den Spiegel an die Wand und sah Louis mit vor der Brust verschränkten Armen an. „Zayn und ich ziehen nochmal los und versuchen Harry zu finden. Du bleibst hier und schließt dich uns heute Abend an, sobald die Sonne untergegangen ist. Ist das okay?"

„Ja, etwas anderes bleibt mir ja nicht übrig...vielleicht hilft ja kühles Wasser ein wenig gegen die Schmerzen", nuschelte Louis und blickte auf seine Hände, die ebenfalls offene Hautstellen aufwiesen. „Können wir dich hier alleine lassen?" Besorgt sah Zayn ihn an und wollte sich nicht losreißen, doch Liam hielt ihm die Hand hin. „Komm, wir können ja jede Stunde hierher zurückkommen und nach ihm sehen. Aber wir müssen auch Harry finden. Vielleicht weiß er, was man für Louis tun kann." Mit einem letzten Blick auf Louis, der kurz nickte, erhob sich Zayn, ergriff Liams Hand und sagte dann: „Wir kommen dann in einer Stunde zurück. Versprochen. Versuch das ganze mit Wasser zu kühlen." Louis nickte, stand wackelig auf und ging zum Waschbecken hinüber. „Bis später." Liam und Zayn verschwanden durch die Tür und Louis drehte vorsichtig am Wasserhahn, was nicht einfach war. Seine Hände taten weh und er konnte kaum die Faust schließen. Zweimal drehte er an dem kleinen Messinggriff, doch kein Wasser kam.

Verärgert, weil Zayn gestern noch die Flasche hatte ausspülen können, fluchte er. Wieso gab es jetzt kein Wasser in diesem Drecksloch? Die Blasen taten weh und er brauchte dringend Kühlung. Also schlüpfte er umständlich wieder in Zayns Pullover, zog sich die Ärmel über die Hände und die Kapuze über den Kopf und schlich durchs Treppenhaus hinunter in den Hinterhof.

Hoffentlich gab es dort eine Regentonne mit kühlem Wasser, in die er seine Hände tauchen konnte.

Der Hinterhof war schmal und zu den Nachbargrundstücken mit einem hohen Holzzaun abgetrennt. Mülltonnen standen herum und Gras wucherte zwischen den Waschbetonplatten heraus und eine Ratte huschte davon, als Louis an die Regentonne trat. Das Wasser war kalt, als er den kompletten Ärmel hinein tauchte. Es tat gut auf den offenen Stellen und Louis tauchte kurzerhand den ganzen Kopf in die Tonne. Als Vampir musste er glücklicherweise nicht atmen und so konnte er lange unter Wasser bleiben. Die Geräusche um ihn her, wurden gedämpft und er bekam nur noch mit, wie die Kühle Feuchtigkeit die offenen Wunden umschmeichelte.

Es tat unglaublich gut.

.-.-.-.

Der arme Louis scheint sowas wie eine Sonnenallergie bekommen zu haben. In einer Stadt, die die Kranken wegwirft, ist das nicht gut...

Umzug mit Folgen IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt