Harry stand in Whitechapel und sein Instinkt hatte in genau in die Straße geführt, die Louis ihm damals gezeigt hatte. „Hier haben wir früher gewohnt", erklang Louis' Stimme in seiner Erinnerung, als er vor dem Haus stand, das einmal hellblaue Fensterrahmen gehabt hatte. Er blickte an der Fassade hoch und ihm fiel auf, dass an einem Fenster die Läden geschlossen waren. Vorsichtig schnupperte Harry und blieb wie erstarrt stehen, als er glaubte, Louis' Geruch erhascht zu haben. Konnte es wirklich sein, dass Louis hier war? Das wäre ja dann lächerlich einfach gewesen und Harry wollte es noch nicht ganz glauben. Erst, wenn er Louis gesehen hatte, würde er dem, was seine Nase erschnüffelt hatte, Glauben schenken. Ein Milchmann fuhr mit einem Karren vor und stellte Glasflaschen vor die Tür, genau in dem Moment, als Harry den Entschluss gefasst hatte, das Haus zu betreten. Kurzerhand nahm er die Tür des Nebenhauses und trat dort in den schmalen Flur. Sicherlich hatte auch dieses Haus einen Hinterhof, über den er ins Nachbarhaus kommen könnte.
Der Hinterhof war dunkel und klein. Harry trat an den hohen Zaun heran und hörte Schritte, gefolgt vom Platschen einer großen Menge Wasser. Wusch Jemand im Hof nebenan Wäsche? Er kauerte sich an den Zaun und lauschte kurz, bis die Geräusche verstummt waren, dann erst erhob sich Harry und zog sich am Zaun hoch, um darüber blicken zu können. Eine Regentonne war zu sehen und große Mengen Wasser schienen auf den Betonfliesen verschüttet worden zu sein. Harry zog ein Bein über den Zaun und wollte hinüberklettern, als er von hinten einen Schlag mit einem Reisigbesen übergezogen bekam. Verdutzt drehte sich Harry um und blickte in das wütende Gesicht einer Frau mittleren Alters. Sie umklammerte einen langen Besenstiel und schimpfte lauthals: „Schämen solltest du dich! Man klettert nicht über Zäune in den Nachbarhof! Runter mit dir, aber dalli! Wenn du um die junge Ida aus dem zweiten Stock werben willst, dann mach das gefälligst anständig und betrete das Haus durch die Vordertür." Harry hatte keinen blassen Schimmer, von welcher Ida die Frau sprach, doch er fragte nicht nach, sondern kletterte brav vom Zaun herunter. Mit eingezogenem Kopf schlich er an der Frau vorbei, damit sie ihm nicht noch einmal mit dem Besen eins überzog. „Verzeihung", murmelte er und schob sich rasch ins Haus und ging wieder hinaus auf die Straße.
Der Milchmann war in der Zwischenzeit weitergegangen und endlich war die Tür frei. Louis' Geruch war zwar schwach doch noch zu erschnuppern und Harry stahl sich die Treppe hinauf in den ersten Stock. Louis musste das Geländer angefasst haben, denn am Handlauf war die Spur am Stärksten. Eine Spur aus Wassertropfen zog sich die Treppe hinauf bis zu einer Tür und Harry folgte ihr neugierig mit den Augen. An der Klinke der Tür haftete Louis' Geruch und Harry glaubte, auch kurz Zayn riechen zu können. Kurzerhand klopfte er und wartete nervös auf eine Antwort. Wenn Louis tatsächlich hier war, dann trennte sie gerade nur noch eine dünne Holzplatte. Von drinnen war ein Keuchen zu hören, ansonsten blieb es still. „Lou?", wagte Harry zu fragen und drückte die Klinke herunter. Es war abgeschlossen. Mit einem Ohr an der Tür lauschte er und konnte ein erneutes Keuchen hören, das ganz uns gar nicht gut klang. Am liebsten hätte er die Tür eingetreten, doch er war sich noch nicht ganz sicher, ob Louis wirklich in diesem Zimmer war. Die Spur an der Klinkte bewies lediglich, dass sein Freund diese angefasst hatte. Außerdem würde er sicherlich die Nachbarn auf sich aufmerksam machen, wenn er die Tür aufbrach und das war das allerletzte, was er jetzt wollte. Womöglich warfen sie ihn noch aus dem Haus. „Louis, wenn du da bist dann lass mich bitte rein", bettelte Harry und rüttelte nochmal an der Klinke. Ein Rumsen war zu hören, dann schlurfende Schritte und schließlich ein lautes Krachen, als ein Gewicht von der anderen Seite gegen die Tür fiel. Der Schlüssel im Schloss drehte sich um und die Tür schwang einen Spalt breit auf. Harry steckte den Kopf in den Raum und sah Louis, der auf dem Boden kniete, eine Hand auf der Klinke, den Kopf gesenkt.
„Louis!" Harry fiel ebenfalls auf die Knie und umarmte seinen Freund heftig. Sie hatten einander wieder gefunden und er konnte es kaum glauben. Harry konnte nicht verhindern, dass ihm die Tränen in die Augen schossen und er drückte Louis fest an sich. „Ich hatte solche Angst, dich nie wieder zu finden. Bist du verletzt, wie geht es dir? Oh Gott, ich hab dich wieder, ich kann es noch gar nicht glauben", stammelte er und umfasste Louis Gesicht mit den Händen, damit er ihn sich ansehen konnte. Kaum hatten seine Handflächen jedoch die Haut seines Freundes berührt, schrie dieser auf vor Schmerz und wich vor ihm zurück. „Lou, was ist passiert?" Ein fester Griff in die braunen Haare und er hatte den Kopf seines Geliebten nach hinten gedrückt. Hätte sein Herz noch geschlagen, es wäre stehengeblieben. Der Anblick, der sich ihm bot, war erschreckend: Louis Gesicht war überzogen von großflächigen Blasen, die wund waren und nässten. Auch seine Hände waren davon betroffen. „Was ist passiert? Wo sind Zayn und Liam, hast du sie verloren? Hat dich jemand angegriffen?", fragte Harry und Louis schüttelte den Kopf. „Nein...ich...ich habe Jemanden gebissen. Ich glaube, er war krank...dann bin ich in die Sonne gekommen und...das Licht hat die Blasen verursacht. Ich kann nicht ins direkte Sonnenlicht", stammelte Louis und zitterte am ganzen Körper. Vorsichtig zog Harry ihn auf die Beine und schob ihn zurück ins Zimmer, um die Tür wieder schließen zu können. Die Nachbarn sollten nicht mitbekommen, was hier in diesem Zimmer los war. Womöglich meldete sie dann noch Jemand, weil man bei Louis eine schlimme Krankheit vermutete.
Louis schien kaum gehen zu können und Harry stützte ihn bis zu einem Bettgestell, auf dem es keine Matratze gab. Louis ließ sich darauf sinken und hustete. Sein Pullover war nass und auch seine Haare, wie Harry jetzt erst auffiel. „Wieso bist du so nass?" - „Ich habe meinen Kopf und die Hände in die Wassertonne hinter dem Haus gehalten, weil die Blasen so gebrannt haben....aber ich glaube das Wasser hat es nur verschlimmert...ich hab das Gefühl, meine Haut ist an den Stellen schon ganz taub", wimmerte Louis und schloss die Augen. Harry blickte panisch über die ganzen offenen Stellen, während sein Kopf auf Hochtouren arbeitete.
Louis hatte also einen Kranken gebissen. Genau das, wovor Adam gewarnt hatte. Eine Blutvergiftung war für einen Vampir tödlich. Louis durfte nicht sterben! Er konnte ihn nicht verlieren, nachdem sie sich gerade erst wieder gefunden hatten. Sicherlich wusste Richard, was in einem solchen Fall zu tun war. Irgendwie musste man Louis zum Vampirhotel bringen, ohne dass die anderen Menschen auf sie aufmerksam wurden. „Wo sind Liam und Zayn?", fragte Harry, um Louis abzulenken und weiter an einer Lösung zu tüfteln. Man könnte sich einen Karren ausborgen, Louis unter eine Decke legen, sodass er vor neugierigen Blicken und direkter Sonne geschützt war und dann zu Richard fahren. „Die sind auf der Suche nach dir....irgendwo in der City. Aber sie wollten immer wieder zurückkommen, um zu sehen, wie es mir geht. Scheiße, das wird immer schlimmer." Louis machte Anstalten, sich die Hände aufs Gesicht zu pressen, doch Harry hielt ihn zurück: „Nein, fass' die Stellen nicht an! Vielleicht breitet sich das noch aus, wenn du das Wundsekret verteilst." Louis nickte matt, zog den Pullover, der noch immer nass war über die Hände und drückte sich den Stoff auf die offenen Stellen. Harry glaubte, ein leises Zischen zu hören, also ob Wasser verdampfen würde.
Hoffentlich kamen Zayn und Liam bald.
Ungeduldig stand er auf und lugte zwischen den Fensterläden hindurch hinunter auf die Straße, in der Erwartung, die beiden zu sehen, doch weit und breit war keine Spur zu entdecken. Vielleicht hatten sie seine Fährte gefunden und waren zu Richard gelaufen.
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Umzug mit Folgen II
FanfictionTeil zwei von Umzug mit Folgen! Das Jahr 2175. Es gab Krieg. Amerika hat gegen Russland gekämpft. England kam durch den Brexit noch ganz gut weg, aber die Menschheit hat sich zurückentwickelt. Sie werden abergläubisch und das ist für die Vampire in...