52. Ein Abschied von Zwei und ein neuer Plan für Vier

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Die nächsten Stunden waren kaum auszuhalten. Harry legte sich in seinem Zimmer nur kurz hin, dann ging er zurück zu Louis. Er konnte ihn einfach nicht allein lassen, obwohl er wusste, dass Richard kompetent war.

So verging der Tag und erst, als die Sonne langsam wieder unter ging, verkündete Richard, Louis sei über dem Berg. 50% seines Blutes waren ausgetauscht worden und sein Körper konnte nun alleine weiterarbeiten. Louis lag nun in Harrys Zimmer auf dem Bett, war bei Bewusstsein, jedoch zu kraftlos, um zu sprechen. Zayn und Harry waren bei ihm und behielten ihn im Auge.

Liam hatte Harry gerade eine Tasse Blut gebracht, die Lotties Mutter gespendet hatte, als es an der Tür klopfte und Eve mit Adam eintrat. Ihre Miene war wehmütig und Harry wusste sofort, dass sie gekommen waren, um sich bei ihm zu verabschieden. Sicher hatten sie beschlossen jetzt aufzubrechen, weil es Louis besser ging und er in guten Händen war.

„Ich übernehme", bot Liam an, setzte sich neben Zayn. „Danke Liam." Harry stand auf und ging auf Eve und Adam zu. „Wir sind gekommen, um uns zu verabschieden", begann Eve und trat einen Schritt auf Harry zu, „für Adam und mich ist es jetzt an der Zeit zu gehen. Die Unabhängigkeit ist besser für uns und nun, da wir dich mit deinen Freunden wieder vereint wissen, fällt es uns nicht ganz so schwer, loszulassen", sagte sie und zog ihn in ihre Arme. „Ich werde dich vermissen Harry. Wirklich. Und ich hoffe, wir sehen uns irgendwann einmal wieder."

Harry erwiderte die Umarmung und drückte sich fest an Eve. Jetzt, da er mit Adam durch ihr Gespräch im Reinen war, scheute er sich nicht davor, ihnen zu zeigen, dass er sie gerne hatte und dankbar dafür war, dass sie ihn bei der Hand genommen und begleitet hatten. „Danke für alles. Ohne euch wäre ich mit Sicherheit nicht so weit gekommen." Eve löste sich ein wenig von ihm, nahm Harrys Gesicht in ihre Hände und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. „Gib Acht auf dich und deine Freunde", sagte sie und in ihren Augen standen die Tränen. Als Harry das sah, wurde der Kloß in seinem Hals immer dicker und machte ihm das Atmen schwer. Nach Eve, verabschiedete sich Adam ebenfalls mit einer Umarmung. „Machs gut Harry und pass gut auf deinen Geliebten auf, damit so etwas nicht nochmal passiert", schärfte er ihm ein und wuschelte erneut durch Harrys Locken, was die ganze Situation ein wenig auflockerte. „Ja, ich verspreche es dir", sagte Harry und ließ Adam schweren Herzens los. Er wandte sich Liam und Zayn zu. „Freut mich sehr, eure Bekanntschaft gemacht zu haben." Sie schüttelten einander die Hände und die beiden alten Vampire beugten sich über Louis. Eve lächelte mild, als würde sie ein Baby betrachte, strich ihm über das helle Haar: „Seine Wunden heilen aber langsam....", stellte sie fest und tauschte einen Blick mit ihrem Mann. „Tu es", sagte er und sie neigte den Kopf. Für einen Moment dachte Harry, sie würde Louis abschnuppern oder womöglich beißen, doch sie leckte mit der Zunge ganz sachte über die Blasen. Louis seufzte tief und als Eve sich wieder aufrichtete, sah Harry, dass sich die Haut vor ihren Augen verschloss. Dass Eve mit ihrem Speichel Wunden schließen konnte, hatte Harry total vergessen. „Vielen Dank", hauchte Louis und griff nach Eves knochiger Hand, um sie zu drücken. „Das habe ich gerne gemacht. Ich kann doch nicht zulassen, dass dich diese Wunden so entstellen. Louis, wir wünschen dir alles Gute. Leider hatten wir nicht die Chance, dich richtig kennenzulernen, aber ich bin sicher, dass wir irgendwann die Möglichkeit dazu finden werden. Alles Gute weiterhin."

Dann verschwanden die beiden und ließen Harry, Liam, Zayn und Louis allein zurück.

„Eve ist sehr freundlich", bemerkte Liam nach einigen Minuten und alle nickten. „Sie waren wie Eltern für mich...oder wie große Geschwister und wer weiß, vielleicht haben sie in mir auch so etwas wie einen Sohn gesehen", überlegte Harry und wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht. Louis hob die Hand, berührte Harry am Kinn und schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass ich nicht traurig sein soll, wir sind alle unsterblich und werden uns sicherlich nochmal sehen, aber sie haben mir so viel geholfen und ohne sie hätte ich es sicherlich nicht nach London geschafft."
„Apropos; wohin soll unsere Reise eigentlich gehen, wenn Louis wieder fit ist?" Zayn sah in die Runde.

„Ich würde gerne hierbleiben", gestand Harry leise. Nach Edinburgh zurück zu kehren schien ihm momentan zu sinnlos. Man würde sie wieder erkennen und jagen. Vielleicht war es eine Option, wenn sie in zwanzig oder dreißig Jahren zurückkehrten, doch im Augenblick waren sie bei Richard sicherlich besser aufgehoben. Der alte Vampir könnte ihnen vielleicht sogar noch etwas beibringen und sie könnten ihm im Gegenzug bei der Verwaltung des Hauses oder sonstigen Sachen helfen, die so anfielen. Außerdem kam ein Nomadenleben, wie Adam und Eve es führten für ihn nicht infrage und London mochte er nach wie vor sehr gerne, also sprach zumindest aus Harrys Sicht nichts dagegen, hier zu bleiben. „Also ich finde die Idee gut. Mir gefällt es hier", sagte Zayn und auch Liam und Louis schlossen sich dem Vorschlag an. „Vielleicht sollten wir noch Richard fragen. Immerhin ist das ja sein Haus." Louis lächelte, als er das sagte, wirkte dabei aber sehr optimistisch. Zayn erhob sich und zog Liam mit: „Wir machen uns mal auf die Suche nach Richard und fragen, ob wir bleiben können."

„Ich bin so dankbar, dass du es geschafft hast. Wenn ich dich verloren hätte", er unterbrach sich, um sich davon abzuhalten, in Tränen auszubrechen. Wenn er Louis nicht so schnell gefunden hätte, dann wären die Jungs niemals auf die Idee gekommen, dass er eine Blutvergiftung haben könnte. Er wäre in diesem Zimmer in Whitechapel verstorben und Harry hätte vielleicht erst Tage später davon erfahren. Unwillkürlich tauchte das Bild eines leblosen Louis auf. Vielleicht hätte Zayn ihn vollkommen aufgelöst zu ihm geführt. Er wäre zusammengebrochen und hätte sicherlich tagelang neben Louis gesessen. Die Vorstellung war so mächtig, dass sie die Wirklichkeit vor Harrys Augen verschwimmen ließ. Seine Brust fühlte sich eingeengt an und er befand sich in einem Strudel aus negativen Gedanken, der ihn dazu brachte, sich immer schlimmere Szenarien auszumalen. Was geschah eigentlich mit Vampiren, wenn sie starben? Zerfielen sie zu Staub, weil sie ja eigentlich schon lange tot waren oder zersetzte sich der Körper genauso, wie bei einem Menschen? Vielleicht hätte er Louis' Leichnam dann gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. Etwas berührte sein Gesicht und Harry zuckte heftig zusammen. Er blinzelte schnell und erkannte, dass Louis sich aufgesetzt hatte und seine Wange berührte. „Harry, es ist alles gut. Ich lebe und du musst nicht daran denken, was passiert wäre, denn es ist alles gut gegangen...bitte mach dir keine Sorgen über solche Sachen." Wie schwer es Louis fiel zu sprechen, sah Harry sofort, doch es rührte ihn, dass sich sein Freund seinetwegen aufgerappelt hatte. „Bitte Harry. Wenn du dir solche Gedanken machst, ist das dir im Gesicht anzusehen und ich will das nicht sehen. Ich will, dass du dich freust, dass ich außer Lebensgefahr bin und wir uns wieder gefunden haben." Louis sprach langsam, weil ihm noch die Kraft fehlte, doch er gab sich große Mühe. „Harry, es wird alles gut. Danke, dass du mich gefunden hast. Das hat mir das Leben gerettet und ich gebe mir jetzt die größte Mühe, für dich wieder ganz gesund zu werden. Und weißt du, wieso?" - „Wieso?", fragte Harry und schluckte.

„Weil ich dich liebe, Harry."

Umzug mit Folgen IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt