43. Fournier Street - London Whitechapel

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Louis:

„Das eine Fenster ist dunkel...wir könnten reinschleichen und nachsehen, ob es wirklich frei ist", schlug Liam vor, als sie in Whitechapel vor dem Haus standen, das Zayn und Louis einmal gemeinsam bewohnt hatten.

„Tolle Idee und was machen wir, wenn doch jemand im Zimmer ist?", fragte Zayn und Louis spürte, dass er den Griff um seinen Oberkörper ein wenig festigte. Seitdem sie wieder auf dem Rückweg waren, hatte Louis die Kraft verlassen. Der Durst und die Tatsache, dass sie Harry nicht angetroffen hatten, hatte ihm zugesetzt und nachdem er nur noch durch die Straßen getorkelt war, hatte Zayn beschlossen, ihn zu stützen. Nachdem einige Menschen, denen sie begegnet waren, Louis mit äußerst misstrauischen Blicken bedacht hatten, hatte Zayn Louis die Kapuze über den Kopf gezogen, sodass man sein Gesicht nicht sehen konnte. „Wer weiß, wie empfindlich die Menschen auf kranke Leute reagieren", hatte er gesagt und so dafür gesorgt, dass Louis' gerötete Augen und die blasse Haut im Schatten seiner Kapuze verborgen blieben.

Weil sie nicht genau wussten, wohin sie gehen sollten, um eine Unterkunft zu finden, waren sie ein wenig planlos durch die Stadt gegangen und hatten sich schließlich in Whitechapel wiedergefunden. Liam und Zayn waren sich sicher, dass Louis einen ruhigen Platz brauchte, während sie sich gemeinsam auf die Suche nach Harry und nach Nahrung machen würden.

„Wir könnten sagen, dass wir Jemanden besuchen wollen und uns in der Tür geirrt haben, wenn das Zimmer doch belegt ist", meinte Liam, als läge diese Sache doch auf der Hand und blickte vom dunklen Fenster zu Zayn hin und wieder zurück. Louis, der keinen Nerv für eine solche Diskussion hatte, knurrte nur: „Jungs, bitte..." Liam klatschte in die Hände: „Wunderbar, dann gehen wir da jetzt rein und sehen nach, ob das Zimmer frei ist. Kommt mit." Er drückte die Eingangstür auf, die glücklicherweise nicht mehr diese blaue Farbe hatte  wie damals, als Louis mit Harry in der Stadt gewesen war.

Sie betraten den schmalen Flur, an dessen Ende eine Tür in den Hinterhof führte, sowie eine schmale Treppe mit ausgetretenen Stufen, hinauf in den ersten Stock ging. Im Haus war es recht still, nur das Licht, das unter den Türen hindurch auf den dunklen Flur fiel, verriet die Anwesenheit der Bewohner. „Das Zimmer ist im zweiten Stock", wisperte Zayn und Liam stieg die Treppe hinauf. Zayn zog Louis hinter sich her, der sich mit der Hand auf dem Geländer abstütze und sich mehr hochzog, als dass er ging. Im Treppenhaus roch es nach Holz und feuchten Schuhen, die vor den Wohnungstüren standen.

Im ersten Stock traten sie an die einzige Tür heran unter der kein Licht zu sehen war. „Ich klopfe. Vielleicht ist es besser, wenn du uns Louis euch so hinstellt, dass man euch nicht sofort sieht, sollte tatsächlich jemand öffnen", schlug Liam vor. Zayn wollte gerade den Mund aufmachen, um darauf empört etwas zu erwidern, doch Louis knurrte nur: „Tu' einfach, was er sagt." Also zogen sie sich ein wenig zurück und Louis hoffte, dass das Zimmer wirklich leer war. Er wollte nichts sehnlicher, als sich endlich hinzulegen. Er fühlte sich schwach und zittrig. „Immer muss Liam alles bestimmen", motzte Zayn leise, als sie am obersten Treppenabsatz standen, „und das alles nur, weil er in Menschenjahren 9 Jahre älter ist als wir. Dabei haben wir deutlich mehr Lebenserfahrung, als er." Daraufhin sagte Louis nichts, sondern beobachtete Liam. Er hatte an der Tür geklopft und lauschte jetzt, doch es waren keine Schritte zu hören. „Prima, der Raum ist frei, also nichts wie rein." Liam öffnete die Tür und Zayn zog Louis hinter sich her, den Flur entlang und in den Raum hinein.

Das Zimmer war klein. 15qm höchstens. Es gab ein Fenster, das hinaus auf die Straße gerichtet war und im spärlichen Licht einer Laterne war zu erkennen, dass lediglich Bettgestell aus Metall im Zimmer stand. Es hatte nicht mal eine Matratze. Trotzdem ging Louis darauf zu und legte sich hin. „Man, wenn du nur etwas getrunken hättest, dann würde es dir jetzt nicht so schlimm gehen." Liam sah Louis bedauernd an, der nickte: er sah ein, dass seine Freunde recht hatten. Es wäre viel vernünftiger gewesen, Kraft zu tanken, um dann genug Energie zu haben. In seinem jetzigen Zustand war es kontraproduktiv, selbst nach Harry zu suchen. Er würde keine langen Strecken gehen können, ohne zusammen zu brechen. Zayn, der den Blick auf ihn geheftet hatte, sagte: „Lou, Liam und ich machen uns morgen sofort auf die Suche nach Nahrung. Und wenn wir etwas gefunden haben, wirst du davon trinken und wir suchen die Stadt dann gemeinsam nach Harry ab – und wenn wir jedes Haus einzeln filzen müssen."

„Du hast Recht. Es war so dumm von mir, die Mahlzeit zu verweigern. So bin ich euch mehr eine Behinderung, als eine Hilfe. Das tut mir wirklich leid", sagte Louis bedauernd und er hätte sich jetzt für sein Verhalten ohrfeigen können. Die Drahtfedern des Bettes quietschten, als er sich wieder hinlegte und an die kahle Zimmerdecke blickte. Im Haus war es still, nur irgendwo weinte ein Baby. „Das muss dir nicht leid tun, Louis. Ich verstehe, dass dir der Appetit vergangen ist, weil du Harry vermisst hast. Gebrochene Herzen können vieles auslösen." Mit traurigem Blick sah Zayn zu Liam hinüber, der den Wink mit dem Zaunpfahl natürlich verstanden hatte und den dunklen Augen des Vampirs auswich. Louis schloss die Augen und atmete tief ein. Das alte Haus roch noch immer genauso, wie 1888 und weil die jetzigen Umstände in etwa genauso waren wie damals, man sich Louis fast so vor, als hätte er eine Zeitreise gemacht.

„Ist das eigentlich dasselbe Haus, in dem ihr damals gewohnt habt?", fragte Liam und blickte zu Zayn hin, der nickte: „Ja, hier waren wir schon mal." Louis, dem ein stechender Schmerz in die Kehle gefahren war, fasste sich an den Hals und ächzte. Es wurde immer schlimmer. Zayn sah das genauso, denn er schlug die Hände zusammen: „Okay. Planänderung: wir gehen jetzt und suchen wenigstens ein paar Ratten. Du musst etwas trinken und zwar so schnell wie möglich." Er durchquerte das Zimmer und drehte testweise am Wasserhahn, der sich mit samt einem kleinen Waschbecken, in der Ecke befand. Spotzend tröpfelte Wasser aus dem Hahn. „Liam, gib mir deine leere Flasche, ich spüle sie aus, damit wir etwas abfüllen können, sollte sich die Gelegenheit dazu ergeben", forderte Zayn ihn auf und Liam gehorchte rasch. Er warf Zayn die Flasche zu, der die Blutreste ausspülte.

Louis bekam nur noch schemenhaft mit, wie seine beiden Freunde das Zimmer verließen. Er zitterte am ganzen Körper und der Raum schien sich zu drehen, wenn er ganz still liegenblieb. Um diesem Schwindelgefühl entgegenzuwirken, rappelte Louis sich auf und rutschte aus dm Bett. Mit weichen Knien strauchelte er zum Fenster und krallte sich dort am Fensterbrett fest, um nicht umzufallen. Der Rahmen klemmte zwar ein wenig, doch er bekam das Fenster auf und die Nachtluft umspielte sein erhitztes Gesicht. Vorne an der Ecke der Fournier Street, in der sich das Haus befand, gab es noch immer das Pub „Ten Bells" - seit 423 Jahren stand dieses Pub nun schon und trotzte jeder Krise. Obwohl es draußen dunkel war und schon recht spät zu sein schien, wehten noch Stimmen durch die Straße zu ihm hinüber. Sie weckten einen Instinkt in ihm, dem er sich nicht entziehen konnte.

Wie er auf das Fensterbrett gekommen war und von dort hinunter auf die Straße, konnte Louis nicht mehr sagen. Sein Gehirn hatte auf den Modus „Nahrungsbeschaffung" geschaltet und es zog ihn zum Pub. Zu den Menschen, die dort saßen und tranken, um die Sorgen des Alltags zu vergessen.

.-.-.

Oh. Louis auf Nahrungssuche...ich würde sagen, das ist definitiv die falsche Idee.

LG

Umzug mit Folgen IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt