9. In Bridgend und Bo'ness

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Louis POV:

Der Abstand zur Stadt wuchs schnell.

Zu schnell, nach Louis Geschmack, doch er verlangsamte seine Schritte nicht, um Zayn nicht zu verärgern. Sie hatten ein kleines Dort passiert in dem viele Häuser leer standen und der Tag kam immer näher.

"Wollen wir nicht irgendwo unterschlüpfen, bis es wieder dunkel ist?" fragte Liam, als eine Scheune in Sichtweite auftauchte. Zayn lachte: "Wir sind keine Vampire, die bei Tageslicht zu Staub zerfallen, Liam. Wir können den ganzen Tag laufen, wenn wir wollen."

Das war vollkommen richtig. Sie waren zwar ein wenig blass, doch da die komplette Bevölkerung des Landes lange Zeit an Hunger gelitten hatte, sah man heutzutage viele Gesichter, die ein wenig mehr Farbe vertragen könnten. Sie würden also nicht auffallen. Louis Kehle kratzte und er wandte sich an Liam: "Hast du die Flaschen eingepackt?" Liam nickte, nahm seinen Rucksack ab und kramte im Gehen darin herum. Dann zog er eine 0,5 Liter Flasche heraus.

Das Blut hatte sich bereits abgesetzt.

Die weißen Blutkörperchen schwammen an der Oberfläche, wärend sich ein Bodensatz aus dunkelroter Flüssigkeit gebildet hatte.

"Ighitt. Ich hasse es, Blut zu schütteln. Das schmeckt dann fast, wie zweimal aufgewärmte Pizza." angewidert verzog Louis die Nase.

"Woher weißt du denn, wie Pizza schmeckt?" erkundigte sich Zayn amüsiert.

"Na hör mal, Harry hat doch früher immer bei uns welche gegessen, bevor...bevor der Arsch William ihn gebissen hat. Naja jedenfalls hab ich da mal ein kleines Stück probiert." Von Harry zu sprechen tat Louis weh und er versuchte nicht mehr an die Zeit zu denken, in der sein Freund noch ein Mensch gewesen war und sich unsicher aber neugierig mit der Tatsache auseinander gesetzt hatte, dass sein Freund ein Vampir war. Er hatte es sogar gewagt, mit ihm zu schlafen. Louis seufzte: seit Harry ebenfalls einer von ihnen war, musste er nicht mehr darauf achten, ihn nicht zu erdrücken, wenn sie einander liebten. Sie hatten keine Scheu voreinander und waren ein sehr offenes Paar, was das Thema anging.

Louis vermisste Harrys Küsse an seinem Hals und die dunklen Locken, die man mit den Händen so wunderbar durcheinander bringen konnte.

"Willst du jetzt was trinken, oder soll ich die Flasche wieder wegpacken?" Liams Frage riss Louis aus seinen Gedanken. Er blinzelte und das Bild von Harry verschwand vor seinem geistigen Auge. Stattdessen blickte er Liam an, der ihm noch immer auffordernd die Flasche hin hielt. Er schien sie geschüttelt zu haben, denn das Blut hatte sich wieder vermischt und eine gleichmäßige Farbe angenommen. Louis nahm die Flasche von Liam entgegen, schraubte sie auf und trank einen Schluck.

Jedes Mal überraschte ihn der Geschmack. Wenn Louis Blut sah, schmeckte er es meist schon auf der Zunge und da er sich die Hälfte seines Lebens von Menschenblut ernährt hatte, war das der Geschmack, an den er immer dachte. Daher war er jedes Mal enttäuscht, wenn das Blut nach Eichhörnchen, Hase oder sonst einem Tier schmeckte.

"Hier trink auch noch was. Morgen werden wir das Zeug nicht mehr nehmen können, dann ist es im Eimer." Louis leckte sich über die Spitzen, die seine Eckzähne gebildet hatten und gab Liam die Flasche zurück.

Sie liefen den ganzen Tag über Marschland, Wiesen und durch kleine Wälder. Erst gegen Abend erreichten sie wieder ein Dorf.

"Wollen wir mal eine Pause machen und uns einfach hier auf den Marktplatz setzen? Ich muss meinen Augen mal etwas anderes bieten, als Wiesen und Bäume", schlug Zayn von und die anderen Beiden nickten. Louis verstand was Zayn meinte und ließ den Blick über die aus dunkelroten Ziegeln gebauten Häuser schweifen. Aus manchen Kaminen kam Rauch und von irgendwo her war Kindergeschrei zu hören. Auf dem Marktplatz stand ein Brunnen, aus dem kein Wasser mehr sprudelte. Sein Rand schien von den Dörflern als Sitzbank genutzt zu werden, denn eine Zeitung lag darauf. Vielleicht hatte die Jemand vergessen. Liam griff danach und überflog rasch die Artikel.

"Steht was von Edinburgh drin?" fragte Louis und ihm wurde Angst und Bange, wenn er daran dachte, von Harrys Tod aus der Zeitung erfahren zu müssen.

"Nicht direkt. Es steht drin, dass die Menschen achtsam sein sollen. Dass es einen Vampirangriff in der Stadt gab. Pf Angriff. Die haben wohl eher uns angegriffen...aber die Presse hat es ja mit der Wahrheit noch nie so genau genommen", brummte Liam und las stumm weiter. "Was steht denn nun da?", fragte Louis ungeduldig und stupste Liam an der Schulter an. Auch Zayn war nun neugierig und beugte sich ein wenig vor.

"Sie schreiben, dass es einen Vampirangriff in einem Haus gab. Es sollen mindestens 20 Menschen zu Tode gekommen sein und angeblich hat ein Überlebender von einem Vampir berichtet. Dieser wurde aber seither nicht mehr gesehen und die Menschen sollen die Augen offenhalten", fasste Liam kurz und bündig zusammen.

"Mit dem Vampir meinen sie sicherlich Harry", sagte Zayn und strahlte Louis aufmunternd an: "Siehst du, er hat es geschafft. Ich habs dir doch gesagt." Louis erwiderte das Lächeln glücklich erleichtert.

Harry lebte. Aber wohin war er verschwunden? Sofort wurde sein Blick wieder ernst.

"Aber verloren haben wir einander trozdem. Was, wenn er sich irgendwo versteckt und darauf wartet, dass wir ihn finden?"

"Blödsinn. Er weiß, dass wir seine Fährte lange nicht so gut riechen können, wie er die unsere. Er wird es sein, der uns findet, da bin ich mir sicher", sagte Zayn und sah sich auf dem Dorfplatz um. "Sollen wir hier bleiben, oder weitergehen?"

"Wohin sollen wir denn gehen?", fragte Louis ein wenig jammernd und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Zayn blickte ihn finster an. Offenbar ging ihm Louis Gejammer nun ziemlich auf die Nerven und er sagte: "Ich hab keine Ahnung, wohin wir sollen. Aber sicher ist, dass wir nicht nach Edinburgh zurückkommen können, solange dort alle wachsam sind. Wir müssen einen Ort finden, wo wir in Ruhe ein neues Zuhause aufbauen können. Und das schaffen wir nicht, wenn wir hier auf diesem Brunnen sitzen bleiben. Also los, lasst uns weitergehen." Liam steckte die Zeitung in seinen Rucksack ein und alle drei erhoben sich wieder.

Ihr Weg führte sie an der Küste entlang, die sich immer mehr verjüngte und schließlich zu einem Ausläufer eines Flusses wurde, der ins Meer strömte. Die Dörfer hier waren alle ruhig und früher sicherlich einmal gut besucht gewesen. Doch im Krieg hatten hier viele Plünderungen stattgefunden, da die Lagerhäuser an der Küste immer recht gut gefüllt gewesen waren. Wie es aussah, war das ein oder andere Gebäude auch in Brand gesteckt worden, denn zwischen den Häusern gab es auch einige, von denen nur noch die Grundmauern zu sehen waren. Der Wind blies ihnen hart entgegen und trug salzige Gischt des Meeres mit sich.

"Also hier will ich nicht bleiben. Da ist es mir zu ungemütlich", stellte Zayn fest, dem der Wind die dunklen Haare ins Gesicht drückte und ihn aussehen ließ wie einen Yorkshire Terrier. Louis beugte sich über die Hafenmauer und sah hinunter in das dunkle Wasser, dass dort gurgelnd und glucksend auf das Gestein traf. Eine besonders starke Welle klatschte dagegen und das Wasser spritzte bis zu ihnen hoch. Rasch traten sie von der Mauer zurück.

"Ich mag es hier auch nicht. Lass uns weitergehen", stimmte Liam Zayn zu und grinste ihn an. "Louis, du bist überstimmt."

"Ich hab doch gar keine Widerworte gegeben", meinte Louis amüsiert.

Ob Liam Zayn nur zugestimmt hatte, um ihn zu beeindrucken? Vielleicht bildete er es sich nur ein, aber Louis beschloss, seine beiden Freunde in der nächsten Zeit ein wenig genauer zu beobachten.

Das würde ihn auch ein wenig von seinen Sorgen um Harry ablenken.

Umzug mit Folgen IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt