37. Feuer auf der Südseite?

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Louis:

Der Zug fuhr langsam in den Bahnhof Liverpool Station ein und hielt dann mit einem Ruck, der alles erschütterte. Zayn erhob sich von seinem Platz und auch Louis stand auf.
Es kostete ihn einiges an Kraft, gerade stehen zu bleiben. Ihm war schwindelig und er griff rasch Halt suchend nach Zayns Arm. Der sah ihn sofort besorgt an und schüttelte den Kopf: „Lou, bitte du musst etwas trinken...so geht das nicht weiter..."
„Mir kann doch nichts passieren. Du hast uns doch allen bewiesen, dass man nicht umkommt, wenn man eine Zeit lang kein Blut trinkt", sagte er und wankte neben ihm her durch den schmalen Gang des Wagens. Liam, der seinen Rucksack geschultert hatte, ging vorneweg und stieg als erster aus.

Auf dem Bahnsteig herrschte Gedrängel und sie wurden immer wieder von anderen Reisenden angerempelt, wenn sich Jemand mit Koffern und Taschen bepackt, an ihnen vorbeischob. Als sie von den Gleisen aus in die Bahnhofshalle traten, verlief sich die Menschenmasse ein wenig, doch es war noch immer unangenehm voll und lärmig. Zwar fehlten die digitalen Anzeigetafeln und auch die Bildschirme, die Werbung angezeigt hatten, waren verschwunden, trotzdem fühlte sich Louis mit den ganzen Reizen, ein wenig überfordert. Hauptsächlich, weil er die vielen Menschen deutlich riechen konnte.

Liam bahnte sich einen Weg durch die Halle nach draußen und Zayn folgte ihm, Louis noch immer an der Hand haltend.
Es war bereits Vormittag und in der Stadt herrschte viel Leben. Menschen schoben sich zu ihrer Arbeit, Verkäufer hatten ihre Stände an den Straßenecken aufgebaut und Zeitungsjungen winkten mit der aktuellen Ausgabe der Londoner Morgenpost, während sie die Schlagzeilen schrien. Es war fast wie damals, als er 1888 mit Zayn hier gewesen war, dachte Louis, als er hinter ihm über die Straße ging. Der einzige Unterschied war, dass die Menschen nicht mehr so altmodisch gekleidet waren, wie zu Queen Victorias Zeiten: die Frauen trugen keine Korsetts und lange Kleider und die Männer hatten die Zylinder und Gehröcke in den Schränken gelassen. Stattdessen trugen sie normale Hosen und T-Shirts, wenngleich diese auch recht einfach gehalten waren. Grelle Farben und aufwändige Muster suchte man hier vergebens.

Als sie aus dem gröbsten Gedränge entkommen waren und an einem Schaufenster standen, wandte Liam sich zu ihnen um. Sein Blick streifte kurz Zayn, dann blickte er Louis an: „Wir sind hier um Harry zu finden", sagte er und wirkte entschlossen: „Also, wo sollen wir zuerst nach ihm suchen." Louis und Zayn tauschten einen kurzen Blick, dann sagten beide gleichzeitig: „Wir sollten zum Globe gehen."
„Ich denke, dass es Harry dorthin zieht, weil er dort gebissen wurde", setzte Zayn noch nach und Liam nickte zustimmend. „In welche Richtung müssen wir denn gehen, um zum Globe zu kommen?", fragte er und sah sich um. „Zur Themse. Dann sehen wir, welche Brücken noch instand sind und dann gehen wir rüber ans Südufer. Das Globe steht am Ende der Millenium Bridge....wenn es die noch gibt."

Zayn hatte Recht. Sie waren seit Harrys Verwandlung nicht mehr in der Stadt gewesen und es könnte durchaus sein, dass manche Brücken nicht mehr instand gehalten werden konnten und deswegen geschlossen worden waren. Sie mussten sich also zuerst einen groben Überblick über den Zustand der Stadt verschaffen.

Also schlugen sie den Weg zum Fluss ein, der sie an ehemaligen Geschäftsgebäuden vorbeiführte. Die einst so prächtigen Glasfronten waren mittlerweile zerkratzt und matt vom Staub der Straße, der sich auf den Scheiben abgelagert hatte. Die Queen Victoria Street, die von geradlinigen Gebäuden gesäumt wurden, war früher ein teures Geschäftsviertel gewesen. An einem Haus prangte noch der Schriftzug einer Bank.

Louis konnte es kaum erwarten, endlich das Globe zu erreichen. Sein Gefühl sagte ihm, dass Harry dort schon stand und auf ihn wartete. Seine Nervosität war so heftig, dass er sogar leicht zitterte und Zayn den Griff um seine Hand noch ein wenig verstärkte und sogar einen Arm um ihn legte. Sicherlich dachte er, Louis wäre zu geschwächt, um weiter zu gehen, doch er murmelte nur: „Mir geht's gut Zayn...ich bin nur so nervös...hoffentlich ist Harry da." Seine Stimme klang kratzig und er räusperte sich mehrmals, doch Zayn musterte ihn noch immer besorgt. „Zaynie, es geht mir wirklich gut", versicherte Louis und hielt die Luft an, als ein junger Mann an ihnen vorbeilief, der besonders gut roch. Seine Kehle war mittlerweile so trocken, dass er sich anfühlte, als hätte er ein raues Metallrohr anstatt einer Speiseröhre im Hals.
Liam, der vor ihnen herging, war um eine Ecke gebogen und gab einen überraschten Laut von sich. „Wow, das ist ja unglaublich. Seht euch diesen Ausblick an!"
„Liam...der kann sich aber auch an den unbedeutendsten Kleinigkeiten erfreuen...und an seinem schlechten Geschmack zweifle ich schon lange nicht mehr. Nicht, seitdem er diese Kaiserin...oha", entfuhr es Zayn, als auch sie um die Ecke gebogen waren.

Am Südufer der Themse stand kaum noch ein Haus. Die Millenium Bridge war abgebaut worden und nur die Tower und die Blackfriars Bridge standen noch.
Louis trat neben Zayn ans Ufer des Flusses und sah hinüber auf die andere Seite. Häuserruinen standen dort und scheinbar lebten kaum noch Menschen auf dieser Seite des Flusses. Bäume wuchsen auf Hausdächern und die Natur hatte sich vieles wieder zurückgeholt. Alles wirkte seltsam dunkel.

„Hat es auf der Südseite ein Feuer gegeben?", fragte Liam und deutete auf die rußgeschwärzten Fassaden, die wie Skelette in die Höhe ragten. „Sieht ganz so aus", murmelte Zayn und Louis schluckte. Sein Blick war zu der Stelle gewandert, wo einst das Globe Theater gestanden hatte.

Da war nichts mehr.

Das Globe war scheinbar ebenfalls diesem Feuer zum Opfer gefallen. Und somit war der Treffpunkt, den er mit Harry hätte haben können, vernichtet.

.-.-.-.
Hm...blöd

Umzug mit Folgen IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt