14. Elisabeth

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Louis POV:

Elegant reichte sie den Jungs die Hand. Liam war der erste der reagierte, indem er ihre Hand schüttelte. Die junge Frau wirkte irritiert und sah Liam an, als sei er ein kleines Kind.

"Ich glaube, sie hatte einen Handkuss erwartet", bemerkte Zayn und Louis nickte: "Das denke ich auch." Hätte Liam es gekonnt, wäre er sicherlich rot angelaufen. Stattdessen senkte er verlegen den Blick und hauchte dann einen Kuss auf die schmale Hand der Frau. Auch Louis und Zayn grüßten sie so und stellten sich dann vor.

"Was führt euch denn hierher?", fragte Elisabeth und sah sie neugierig an. "Wir suchen einen Unterschlupf und haben diese Burg gesehen. Dass hier jemand lebt, wussten wir nicht. Wir haben bisher in Edinburg gelebt und mussten von dort fliehen, weil uns die Menschen entdeckt haben", erklärte Louis. Elisabeth sah ihn interessiert an und nickte dann verstehend. "Das ist ein Grund, weshalb ich diese Burg schon vor langer Zeit gekauft habe. Hier kann ich mich zurückziehen und die Menschen rücken mir nicht auf die Pelle. Das konnte ich schon zu Lebzeiten nicht leiden." Sie seufzte wehmütig und ihr Blick wanderte über die Wandvertäfelungen. Die drei Jungs wussten darauf nichts zu erwidern und schwiegen.

"Sicherlich wollt ihr etwas essen." - "Ja, sehr gerne", sagte Liam begeistert und ein wenig atemlos. Elisabethh wandte sich um und ging ihnen voran die Treppe wieder hinauf. Zayn und Louis warfen sich einen irritierten Blick zu. In den Augen seines Freundes las er dieselbe Ratlosigkeit. Was war mit Liam los? Wieso verhielt er sich so? Hatte ihm diese Elisabeth den Kopf verdreht?

Die Frau führte sie in ein großes, prächtiges Esszimmer, das im ersten Stock lag. Durch die Fenster konnte man hinaus in den Garten sehen und das Licht der Morgensonne fiel auf einen glänzenden Mahaghonitisch. Die Tischbeine waren mit Blattgold überzogen und überall standen verzierte Vasen und Nippes herum.

"Ich habe das hier noch zu meinen Lebzeiten einrichten lassen. Ich war 1867 hier in Schottland und habe diese Burg gekauft. Mein Mann Franz Josef hat sich nie sonderlich für dieses Land begeistert und mich hier nie besucht", sagte Elisabeth und wies die mit einem Kopfnicken an, sich zu setzen. Als sie den Namen ihres Mannes nannte, fiel Louis ein, wieso sie ihm so bekannt vorkam und er platzte heraus: "Sie sind die Kaiserin von Österreich?" - "Ja, das bin ich", antwortete Elisabeth ruhig und lächelte kurz, bevor auch sie sich auf einen Stuhl sinken ließ. Ihr Korsett ließ nicht viel Bewegungsfreiheit zu und so saß sie kerzengerade da.

"Aber, wie sind Sie zum Vampir geworden? Ich habe gelesen, dass Sie in Genf einem Mordanschlag zum Opfer fielen...das muss irgendwann im Herbst 1898 gewesen sein", sagte Zayn ungläubig und starrte die Kaiserin an.

Elisabeth seufzte und sagte: "Nun, ich kenne euch nicht, aber da wir derselben Spezies angehören, stehen wir ja auf einer Seite. Ich will euch meine Geschichte erzählen, doch ich halte mich kurz. Wie ihr vielleicht wisst, war ich nie gerne am kaiserlichen Hof in Wien und habe recht bald sehr lange Reisen unternommen. Mein Mann hatte dafür wenig Verständnis und so reiste ich immer allein. Meine Interessen galten schon immer dem Übernatürlichen und ich bereiste Schottland, weil ich von dem Vampirmythos gehört hatte. Wie ihr sicherlich wisst, war und ist mir meine Schönheit schon immer wichtig gewesen. Alt zu werden war für mich undenkbar und ich suchte nach einer Möglichkeit, mir meine Jugend zu bewahren. Hier traf ich auf einen jungen Mann, der mit alte Geschichten erzählte und ich stellte ihn zu meiner Unterhaltung als Lehrer an. Wie er mir irgendwann mitteilte, war er ein Vampir. Von der Nachricht ganz angetan, bat ich ihn, wenige Wochen nach meinem 30sten Geburtstag, mich zu verwandeln. Ich befand mich auf dem Zenit meiner Schönheit und wollte für immer so bleiben, wie ich war. Er willigte ein und verwandelte mich. Ab diesem Tag zeigte ich mich in der Öffentlichkeit nicht mehr, ohne einen Schleier. Kein Mensch bekam mein Gesicht mehr zu sehen und so fiel Niemandem auf, dass ich nicht alterte. Mein Mann hatte wenig Zeit und beschäftigte sich mit seinen Geliebten und den Staatsgeschäften. Wir sahen uns nur äußerst selten, was zu meinem Vorteil war. Nach einigen Jahren hatte ich das Ganze satt und beschloss, meinen Tod zu inszenieren. Ein junger Italiener ließ sich mit einer großen Menge Geld dazu überreden, mich auf offener Straße zu "erstechen" und so wurde ich am 10 September 1898 für tot erklärt."

Mit einem genüsslichen und sehr zufriedenen Seufzen, lehnte sich die Kaiserin auf ihrem Platz zurück und lächelte. "Ab diesem Tag lebte ich endlich in Freiheit. Mein leerer Sarg wurde in Wien bestattet und ich reiste nach Schottland, um endlich mein neues Zuhause zu beziehen. Und nun bin ich hier."

Einen Moment schwiegen alle. Louis war beeindruckt von der Geschichte, die sie ihnen erzählt hatte und starrte die ehemalige Kaiserin von Österreich an. Niemals hätte er gedacht, dass Jemand so selbstverliebt sein würde, um sich freiwillig in einen Vampir verwandeln zu lassen, nur um immer schön bleiben zu können. Irgendwie hatte diese Frau wirklich eine ziemliche Macke. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen und tat es dann doch nicht.
Stattdessen war es Zayn, der einen Kommentar zu der Geschichte loswurde, indem er durch die Zähne pfiff und sagte: "Das haben Sie ja wirklich ziemlich clever eingefädelt." Elisabeth sah ihn irritiert an und sagte dann ein wenig überrascht: "Mit einer solchen Aussage hatte ich nicht gerechnet, aber ich danke dir für deine Anerkennung."

In diesem Moment ging die Tür auf und der alte Mann betrat das Zimmer. Er schob einen Servierwagen vor sich her auf dem eine große Porzellanschüssel stand, sowie vier Teller und glänzende Silberlöffel. Wortlos deckte er den Tisch ein. Louis musterte die Porzellanschüssel und fragte sich, was man ihnen auftischte. Seine Kehle war schon richtig trocken und als er den metallenen Geruch aus der Schüssel wahrnahm, bekam er einen solch unglaublichen Hunger, dass er es kaum noch erwarten konnte.
Der Diener der Kaiserin hob den Deckel der Schüssel an und schöpfte den drei Jungs je eine Kelle dunkelrotes Blut auf die Teller. Es war auf Körperthemperatur erwärmt worden und Louis fiel es schwer, den Teller nicht sofort an die Lippen zu heben und leer zu trinken, solch einen Hunger hatte er. Doch auf seine Tischmanieren zu verzichten, das konnte er sich jetzt nicht erlauben. Immerhin saß er mit einer Kaiserin am Tisch und da sollte er ein wenig Anstand haben. Also nahm er den Löffel in die Hand und wartete darauf, bis alle anderen auch ihr Essen auf dem Teller hatten.

Als der erste Blutstropfen seine Zunge berührte, wusste Louis sofort, dass er es hier nicht mehr mit tierischem, sondern mit Menschenblut zu tun hatte.

Wie hatte er diesen Geschmack vermisst! Es war B positiv – Harrys Blutgruppe und doch schmeckte es ein bisschen anders. Louis erinnerte sich noch gut daran, als er Harry vor der Schule in die Hand gebissen hatte, nachdem dieser vom Klettergerüst gefallen war.

Diesen Geschmack würde er nie im Leben wieder vergessen.

Er hatte sich in seinem Gehirn eingebrannt. Beim Gedanken an Harry ließ er kurz den Löffel sinken und starrte abwesend auf das dunkle Holz des Tisches.
Wo war sein Freund nur abgeblieben?

In Louis fühlte sich alles bleiern und schwer an. Eigentlich sollte er erleichtert sein, dass sie wieder Unterschlupf gefunden hatten und das auch noch in der Nähe von Edinburgh – was bedeutete, dass Harry sie vielleicht doch noch fand, wenn er ihrer Spur folgte, doch das war nur eine Hoffnung, die Louis sich machte. Denn eigentlich hatte er keine Ahnung, ob sein Freund noch ab Leben war oder nicht.

Nach zwei weiteren Schlucken legte er den Löffel ab und wandte sich der Kaiserin zu: "Ich fühle mich nicht wohl. Gibt es hier ein Zimmer, in das ich mich ein wenig zurückziehen kann?"

Umzug mit Folgen IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt