39. Zurück auf alten Pfaden

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Louis:

Geknickt und mit gesenktem Kopf ging Louis neben Zayn her und starrte auf seine Füße. Harry war nicht dort gewesen. Dabei war er so sicher, dass er seinen Freund dort wieder treffen würde. Das Glücksgefühl, dass sich seit ihrer Ankunft in der Stadt immer mehr bei ihm eingestellt hatte, war verschwunden und hinterließ nichts als schmerzende Leere. „Meinst du, ich hätte dort bleiben und warten sollten, bis Harry auftaucht?", fragte er Zayn unsicher und hob den Kopf, um ihn anzusehen. Zayn zuckte mit den Schultern und verkniff nachdenklich das Gesicht: „Ich glaube, es ist nicht sonderlich empfehlenswert, hier zu bleiben." Er reckte das Kinn ein wenig und schnupperte. „Bilde ich es mir ein, oder riecht es hier seltsam?", fragte er und sah sich um. Liam war bei diesen Worten stehen geblieben und sah sich um.
„Ich seh nichts."
„Ich hab auch nicht gesagt, dass ich was sehe, ich hab gesagt, es riecht hier komisch! Hör gefälligst richtig zu", zischte Zayn Liam an und Louis seufzte: „Könnt ihr bitte aufhören zu streiten, oder das zumindest auf später verschieben, wenn wir wieder auf der anderen Flussseite sind?" Louis klang so genervt, dass sich Liam und Zayn am Riemen rissen und aufhörten zu streiten. „Jetzt riecht doch mal..." forderte Zayn sie nochmal auf und Louis streckte die Nase in die Luft.

Er wusste, was Zayn gemeint hatte. Der Geruch von Haut, Schwefel und etwas Verdorbenem wabert zu ihnen herüber.
„Ob die Stadt hier ihre Toten abgeladen hat?", überlegte Liam und verzog angewidert das Gesicht. Möglich wäre es durchaus, denn schließlich schien diese Seite des Flusses nicht genutzt zu werden, so zugewachsen, wie hier alles war. „Ich will es gar nicht so genau wissen, wenn ich ehrlich sein soll. Lass uns einfach gehen", bettelte Louis und glücklicherweise waren die beiden anderen Jungs einverstanden und so machten sie sich rasch auf den Weg zurück zur Brücke.

Am Sockel des Backsteinpfeilers legte Louis den Kopf in den Nacken und sah hinauf bis zum Geländer. War die Mauer höher geworden, oder kam es ihm nur so vor? Seufzend griff er nach einem Stein und arbeitete sich nach oben vor. Zayn kletterte unter ihm und Louis vermutete, dass er das nur tat, um sicher zu gehen, dass er nicht abstürzte.

Zugegeben, der Weg zurück au die Brücke, war deutlich anstrengender, doch Louis kratze seine letzten Kräfte zusammen und zog sich oben über die Brüstung. Hier war die Luft besser und zu sehen, dass die Brücke zurück ans Nordufer führte, beruhigte ihn irgendwie. Ein beunruhigender Schatten hatte auf dieser Gegend gelegen und Louis hoffte inständig, Harry möge sich diesen Ort nur von Weitem ansehen.

Sie machten sich zurück auf dem Weg in die Stadt. „Wir sollten uns mach einer Unterkunft umsehen. Ich glaube, ich brauch mal eine Pause", gestand Louis und sah seine beiden Begleiter an, die sofort nickten. „Sollen wir in Whitechapel nach einer Wohnung suchen, die leer steht? Den Stadtteil kennen wir am besten", schlug Zayn vor und alle waren damit einverstanden.

Der Weg zurück führte sie über breite Straßen und an einem kleinen Platz vorbei, auf dem sich eine Menge Menschen versammelt hatten, weil ein Markt stattfand. Hölzerne Wagen waren aufgebaut worden und es roch nach Fleisch, Gebäck und Leder. Lautes Stimmengewirr der Kunden und der Verkäufer erfüllte den Platz und Liam meinte nachdenklich: „Glaubt ihr, die Städter sind auch noch so abergläubisch, wie in Schottland?" Er blickte dabei über den Markt, als wünschte er sich, einmal darüber schlendern zu können. „Also, wenn ich mir die beiden dort hinten ansehe, dann glaube ich das wohl. Schau mal, wie die uns angucken." Louis hob die Hand und machte seine Freunde auf zwei Mädchen aufmerksam, die an einer Litfaßsäule lehnten und interessiert zu ihnen hinübersahen. Er konnte nicht genau sagen, weshalb sie ihm aufgefallen waren. Beide hatten helles Haar, eine war allerdings deutlich größer als die andere und beide Mädchen hatten ein Seil in der Hand. Vielleicht war es das gewesen, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. „Vielleicht stehen sie ja auf Zayn", brummelte Liam. „Oder sie kaufen ein Schwein auf dem Markt und wollen es mit dem Seil nach Hause führen."
„Oder sie sind Vampirjäger", mutmaßte Zayn, der Liams Kommentar ignoriert hatte. „Lass uns gehen, bevor sie noch bemerken, was wir sind. Louis sieht nämlich grade ein bisschen so aus, wenn ich ehrlich sein soll." Besorgt drehte Zayn sich zu ihm um: „Hast du noch Kraft genug? Ich kann dich auch tragen." Louis fühlte sich zittrig und nickte matt, als Zayn ihm das Angebot machte.

Während er Huckepack getragen wurde, schloss Louis die Augen. Sein Magen grummelte noch immer, doch das Hungergefühl war in der Zwischenzeit abgeflaut. Doch langsam begann er zu zittern und ab und zu fielen ihm die Augen zu. Dass das Globe nicht mehr stand, hatte ihn mehr geschockt, als er zugeben wollte. In seiner Vorstellung hatte er dort seinen Freund wieder getroffen. Sie hatten sich umarmt und geküsst und wären endlich wieder beieinander gewesen. Doch außer den Grundmauern stand nun nichts mehr und Harry und er würden sich irgendwo anders wieder treffen. Wenn er doch nur irgendwie Kontakt zu ihm aufnehmen könnte. Frustriert lehnte Louis die Stirn auf Zayns knochiger Schulter ab und wimmerte leise vor sich hin. Augenblicklich stand Liam neben ihm und hob seinen Kopf an: „Louis, was ist los?"
"Wir haben Harry nicht gefunden...das war meine einzige Motivation heute und es hat nicht geklappt", gab er zu und zum ersten Mal seit längerer Zeit, stiegen ihm Tränen in die Augen. Zayn blickte ihn über die Schulter hinweg an und in seinen Augen war so viel Mitleid zu lesen, wie sie nur Freunde füreinander empfinden konnten. „Lou...wir finden Harry. Hör zu: wir bringen dich jetzt nach Whitechapel in eine Unterkunft und dann machen Liam und ich uns nochmal auf die Suche. Du warst doch mit Harry schon mal in London. Kannst du dich erinnern, wo ihr überall gewesen seid? Vielleicht besucht er diese Orte nochmal und hofft, dort auf dich zu Treffen." Louis schluckte und nickte matt. Vielleicht war es wirklich besser, wenn Zayn und Liam allein loszogen und er sich schonte. Mittlerweile war es Nachmittag und auf den Straßen herrschte reges Treiben. Sie könnten sich unter die Menschen mischen und würden kaum auffallen, wenn sie nach Harry suchten.

Sie ließen den Markt immer weiter hinter sich und schlugen den Weg zum Spitalfields Market ein. Die alten Markthallen hab es noch und sie wurden auch noch immer dazu genutzt, um dort Gegenstände zu verkaufen. Schön, dass nicht alle Gebäude ihren ursprünglichen Sinn verloren hatten. „Louis, sag uns doch mal, wo du mit Harry überall warst" forderte Liam ihn auf und zog einen Zettel und einen Stift aus seinem Rucksack. Er notierte sich alle Orte, die Louis ihm nannte:

Die Tatorte von Zayns Morden, Big Ben, London Eye, Buckingham Palace, die Promenade am Nordufer zwischen Trafalgar Square und dem Houses of Parliament, die Westminster Bridge.

„Da haben wir ja einiges zu tun. Aber das schaffen wir schon" sagte Zayn aufmunternd und Liam drehte sich überrascht zu ihm um: „Wir? Willst du etwa mit mir gemeinsam losziehen?"
„Na, glaubst du etwa, ich lasse dich allein durch London stromern? Du kennst dich doch gar nicht aus."

Und zum ersten Mal seit Tagen, lächelte Zayn Liam an.

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Ziam scheint sich langsam wieder einzukriegen und Louis geht es nicht gut...armer Kerl

Umzug mit Folgen IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt