48. Die Wände hoch

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Harry wollte nicht so lange warten, bis Zayn und Liam wiederkamen, doch es blieb ihm nichts anderes übrig. Louis lag auf dem Bett, ächzte und wimmerte ununterbrochen. Seine Haut schien immer heller zu werden  und wenn Harry sich das nicht einbildete, wurden auch die Blasen immer größer.

Die Geschichte von dem Vampir mit der Blutvergiftung, wollte Harry nicht mehr aus dem Kopf und er hatte Angst um Louis Leben.
Würde es ihm genauso ergehen? Würde er von innen heraus zerfallen? Was konnte er tun, um ihm zu helfen? Harry saß neben Louis auf dem Fußboden, hielt seine Hand fest und redete ihm gut zu.
„Harry...mein ganzer Körper tut weh", jammerte Louis und seine Stimme brach, so verzweifelt war er.
„Ich weiß...aber wir müssen auf Zayn und Liam warten. Ich bekomme dich alleine nicht zu Richard."
„Wer ist Richard?", fragte Louis und blinzelte Harry neugierig an. Vielleicht lenkte es ihn ja ab, wenn er ihm von dem alten Vampir erzählte, dachte Harry und berichtete von dem Vampirhotel. Er berichtete, wie er Adam und Eve kennengelernt und was sie ihm über das Leben als Vampir beigebracht hatten. Die Sache mit der Blutvergiftung ließ er allerdings aus.

Louis nickte ab und zu, doch Harry wusste, dass sein Freund ihm nicht mehr ganz folgen konnte, denn seine Augen blinzelten ganz langsam und er wimmerte immer wieder. Ab und zu zuckte sein Körper unkontrolliert und es schien, als wäre er nicht mehr wirklich Herr über seinen Körper. Harry hatte richtig Angst um Louis und wurde mit jeder Minute, die verstrich, nervöser. Wo blieben nur die beiden anderen? Sie wussten doch, dass es Louis nicht gut ging und wollten ab und zu nach ihm sehen. Zweimal war er kurz davor gewesen, einfach das Haus zu verlassen und sich auf die Suche nach Zayn und Liam zu machen, doch er wagte es nicht Louis noch einmal zu verlassen. Womöglich verschwand er dann wieder und die Suche ging von vorne los. Das wollte er nicht noch einmal durchmachen, also blieb er bei Louis sitzen und versuchte sie beide abzulenken, indem er unentwegt redete.
„Ich bin so froh, dass ich dich endlich gefunden habe. Als wir hier in London ankamen und ich gesehen habe, dass das Globe nicht mehr steht, hatte ich schon fast die Hoffnung aufgegeben. Ich war mir so sicher gewesen, dass ich dich dort treffen würde, weil ich ein paar Mal davon geträumt habe. Wusstest du eigentlich, was mit der Südseite passiert ist? Warst du mal drüben?" Louis nickte: „Ja...aber ich weiß nicht, was dort passiert ist." Froh darüber, dass Louis ihm noch folgte und scheinbar nicht ganz weggetreten war, redete Harry weiter.
„Richard hat mir erzählt, dass es drüben ein Feuer und seitdem nutzen die Londoner die Südseite, um ihre Kranken abzuschieben. Dort werden sie einfach ihrem Schicksal überlassen." Verständnislos über ein solches Verhalten, schüttelte Harry den Kopf. Louis hingegen, schien ein Licht aufzugehen, denn er sagte leise: „Das würde auch erklären, weshalb sich der Junge, den ich gebissen habe in der Kirche versteckte." Seine blauen Augen flatterten zu Harry hin und er lächelte matt: „Du weißt gar nicht, wie froh ich bin, dass du mich gefunden hast – ich habe wirklich gedacht, dich jahrelang suchen zu müssen, das wäre eine Qual gewesen." Als er diese Worte ausgesprochen hatte, hätte Harry seinen Freund am liebsten sofort geküsst, doch er wagte es nicht. Womöglich infizierte er sich dann auch noch. Stattdessen blickte er in Louis Augen, lächelte, und streichelte ihm mit der Hand durch die feuchten Haare und hauchte ihm ein „ich liebe dich" ins Ohr. Louis schloss die Augen und hustete, anstatt eine Antwort zu geben. 

Schritte waren auf der Treppe zu hören und mit einem Mal flog die Zimmertür auf. Harry war sofort auf den Beinen. Er würde Louis verteidigen, sollten Menschen versuchen ihn auf die Südseite zu schaffen. Vielleicht hatte ihn ein Hausbewohner verpfiffen, weil aufgefallen war, dass es ihm nicht gut ging. Die Menschen heutzutage waren sicherlich übervorsichtig und meldeten jedes Keuchen und Husten, das sie hörten. Zu Harrys Erleichterung blickte er jedoch in die Gesichter von Zayn und Liam, die abgehetzt wirkten, jedoch strahlten, als sie Harry erkannten. „Du hast ihn gefunden!", rief Zayn und schloss ihn fest in die Arme.
„Wir haben deine Spur gefunden und sind in Soho auf einen komischen Kauz gestoßen..."
„Ja. Richard. Bei ihm bin ich untergekommen", wimmelte Harry Zayns Bericht ab. „Louis schwebt in Lebensgefahr. Er hat eine Blutvergiftung. Wir müssen ihn schnell zu Richard bringen", sagte Harry und Liam blickte erschrocken auf Louis hinunter.
„Ich hab eine Blutvergiftung?", krächzte der kranke Vampir und sah verängstigt aus. Sicherlich hatte er nicht damit gerechnet, dass es so schlecht um ihn stand.
„Ja, das bekommt man, wenn man verunreinigtes Blut trinkt", sagte eine Stimme, die Harry sofort erkannte und er wandte sich erneut der Tür zu. Adam betrat das kleine Zimmer und schloss die Tür hinter sich.  „Wie kommst du denn hierher?" fragte Harry und musste zugeben, dass er erleichtert war, Adam zu sehen, denn sicherlich wusste er genau, was jetzt zu tun war. Der Vampir trat an das Bett heran und musterte Louis eindringlich: „Liam und Zayn kamen bei uns in Soho an und berichteten, dass ihr Freund Louis krank geworden sei. Bei dem Namen zog Eve die Schlussfolgerung, dass es sich dabei nur um deinen Freund handeln kann. Zayn gestand uns, dass sie deiner Fährte gefolgt waren, um hierher zu kommen. Eve und Richard bereiten im Haus alles vor, um Louis zu helfen, deswegen bin ich hergekommen, um ihn so schnell wie möglich dorthin zu bringen. Ich bin deutlich schneller, als ihr." Kurzerhand warf Adam Louis über seine Schulter und stand auf. „Warte, er muss vor der Sonne geschützt werden!", rief Liam und wollte Louis mit einem weiteren Pullover einwickeln, doch Adam winkte ab: „Die Sonne wird in den nächsten Minuten hinter Wolken bleiben. Diese Zeit reicht mir, um von hier nach Soho zu kommen."
„Aber das ist fast eine Stunde", warf Zayn besorgt ein und sah hilfesuchend zu Harry. „Mach dir keine Gedanken, Adam ist sehr sehr schnell", sagte er und Adam grinste: „Ja, und ich werde den Weg über die Dächer nehmen, dann bin ich noch schneller und muss keinen anderen Menschen ausweichen."  Kurzerhand öffnete er das Fenster und trat auf den schmalen Sims. „Harry..." kam es leise von Louis und er griff nach seiner Hand. „Wir kommen nach, vertrau Adam. Er bringt dich zu Richard und dort werden wir dich heilen können. Wir kommen nach, mach dir keine Gedanken...ich liebe dich."
„Aber ich kenne Richard nicht..."
„Du wirst ihn gleich kennen", sagte Adam und sprang kurzerhand aus dem Fenster.

Die drei streckten die Köpfe durch das Fenster hinaus ins freie und sahen, wie Adam sich geschickt an der Regenrinne des gegenüberliegenden Hauses festklammerte und hochzog. Mit Louis über der Schulter balancierte er über die Dachschindeln hinauf bis zum Rist, nahm dann Anlauf und sprang auf das nächste Haus hinüber, das glücklicherweise recht nah daran gebaut war, sodass er sicherlich wenig Kraft aufbringen musste.

„Wie alt ist Adam?", fragte Liam nur und es war klar, dass er vollkommen perplex über dessen Fähigkeiten war. „900 Jahre. Wieso fragst du?", fragte Harry, zog sich zurück und sah sich im Zimmer um. Außer dem Rucksack, den Liam mitgebracht hatte, gab es hier keinerlei Gegenstände. Wunderbar, dann mussten sie wenigstens nicht viel zusammenpacken. „Och, ich hab mich nur gefragt, wie man mal eben so hoch und so weit springen kann. Ist ja irre."
„Ja, in unserer Situation gerade, war das sehr hilfreich, da hast du Recht", antwortete Harry abwesend, klaubte den Rucksack vom Boden auf und drückte ihn Liam in die Hand. „Wollen wir dann los?"

Umzug mit Folgen IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt