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Jungkook

"Setz dich da hin", verlangt die Schwester und ich lasse mich keuchend auf der Liege nieder. Taehyung lässt mich los und stellt sich neben Yoongi an die Wand, welcher gerade meine Schulbücher in meinen Rucksack stopft, den ich neben die Tür gestellt habe. Die Schwester ist eine junge Frau mit einem europäischen Aussehen. Dafür sprechen die natürlichen, roten Locken, die vielen Sommersprossen und das Grün ihrer Augen. Trotzdem spricht sie fliessend koranisch.

"Ich muss mir deinen Oberkörper ansehen, um dich zu untersuchen", erklärt sie, "Kannst du dir dein Hemd bitte ausziehen?"

Mein Blick schweift unsicher von ihr, zu den beiden Jungen bei der Wand, die mich stumm anstarren. Ich beisse mir auf die Lippe und spiele mit dem Saum meines Hemdes, bis ich mich überwinde und es beginne, aufzuknöpfen, bevor ich es über den Kopf ziehe. Eigentlich sollte es mir nichts ausmachen, mich so zu präsentieren. Immerhin arbeite ich in einem Nachtclub und wenn ich nicht gerade ein freizügiges Kostüm trage, dann muss ich mich ohnehin immer ausziehen, während ich die Stange zu meinem Geliebten erkläre.

Aber hier, in der Schule, ist es mir trotzdem unangenehm so gesehen zu werden. Auch beim Sport, in der Umkleide, stehe ich in einer unauffälligen Ecke und versuche, so wenig wie möglich von mir zu zeigen. Mein Körper ist das Einzige, was ich halbwegs schön finde. Nicht mein Gesicht, nur meine Statur, meine Hautfarbe. Es ist das Einzige, was die Leute hübsch an mir finden, womit ich sie praktisch verführen kann und ich will nicht, dass man ihn auch noch schlecht redet.

Dann könnte ich vermutlich nicht einmal mehr meine Arbeit ausführen. 

Kaum sitze ich ohne das dunkle Hemd da, höre ich, wie Taehyung scharf die Luft einzieht. Mein Blick gleitet beschämt zu Boden. "Wie ist das passiert?", fragt die Schwester hörbar entsetzt. "Ich bin die Treppen runtergefallen", lüge ich lediglich, doch sie scheint mir zu glauben und beginnt, meinen Oberkörper abzutasten. "Hast du Schmerzen beim Atmen?", fragt sie konzentriert. "Ein wenig", gebe ich leise zu.

"War ja ein heftiger Sturz, hm?", merkt Taehyung provokant leise an. Mein Kopf dreht sich und ich sehe ihn warnend an. Doch Taehyung sieht genauso warnend zurück. Seine Augen funkeln voller Zorn und seine Arme hat er vor der Brust verschränkt. "Ja", zische ich zurück und sehe, wie Yoongi genervt die Augen verdreht, dank unseres kurzen Wortwechsels.

"Au!", jammere ich lautstark, die Schwester probehalber in einen der Flecken drückt. "Entschuldige", meint sie fast abwesend, bevor sie sich wieder aufrichtet. "Hast du irgendwelche Schmerztabletten genommen?"

"Ja, Jungkook, hast du?", knurrt Taehyung, der mit jeder Minute wütender zu sein scheint. Ich weiss nicht einmal warum. Ich meine, ja, ich habe gerade die Krankenschwester angelogen, aber das kann ihn ja schlecht so fuchsteufelswild machen.

Yoongi schnaubt und schlägt ihn in die Seite, als die Krankenschwester nicht hin sieht. Daraufhin ist er das Objekt von Taehyungs Wut, welcher ihn ansieht, als reisst er ihm gleich den Kopf ab. "Ja", antworte ich einfach auf ihre Frage und hoffe, sie will keine bestimmte Anzahl.

Zu meinem Glück nimmt sie die karge Antwort so hin und notiert sich etwas auf ein Blatt, bevor sie mir sagt, dass ich mein Hemd wieder anziehen darf und es schnell wieder zuknöpfe. "Ich verschreibe dir Bettruhe. Du solltest dich so viel, wie möglich, schonen", erklärt sie und kritzelt etwas auf einen weiteren, deutlich kleineren Zettel. "Ich werde dir entschuldigen, du wirst jetzt nach Hause gehen, verstanden? Und ebenfalls will ich, dass du keinerlei Sport treibst", weist sie mich an.

Ich weite die Augen und nicke langsam. Fuck. Wenn ich keinen Sport machen darf, kann ich nicht arbeiten. "Kannst du deine Eltern anrufen? Ich will nicht, dass du laufen oder mit dem Bus fahren musst, sondern dich jemand abholt", erklärt sie. Diesmal schüttle ich den den Kopf. Ich kann meine Eltern nicht anrufen, um mich abholen zu lassen.

Sie schnalzt mit der Zunge, da meldet Taehyung sich zu Wort. "Ich bin mit dem Auto hier, ich kann ihn fahren."

In mir erstarrt alles. Der Kerl schreckt wohl vor nichts zurück, um mit mir in Kontakt zu sein, oder? Wieso überhaupt?! Ich meine, dass ist doch bescheuert!

"Sehr gut, dann werde ich euch beide entschuldigen lassen! Du darfst sonst wieder in die Klasse zurück", richtet sie sich an Yoongi, der die Augen verdreht, nachdem sie ihm den Rücken zukehrt, sich aber still von Taehyung verabschiedet und dann das Krankenzimmer verlässt. Mit einem schmerzerfüllten Zischen stehe ich wieder auf, während Taehyung meinen Rucksack aufhebt. "Gute Besserung", wünscht sie mir, während ich langsam zur Tür laufe. "Danke", antworte ich leise und nicke Taehyung ebenfalls dankbar zu, als er mir die Tür aufhält.

Gemeinsam laufen wir durch die leeren Schulgänge zum Parkplatz, wo er seine Autoschlüssel hervorholt und gleich darauf die Scheinwerfer eines silbernen Maseratis angehen. Der Rothaarige läuft auf den Wagen zu und ich folge ihm hastig. "Steig ein", weist er mich ruhig an. Ich öffne die Tür und unterdrücke ein schmerzerfülltes Stöhnen, als ich mich bücke und auf dem Beifahrersitz Platz nehme.

Taehyung drückt mir meinen Rucksack in die Hände, kaum bin ich angeschnallt und startet den Motor.

"Du wirst mir nicht sagen, wer es war, oder?", will er leise wissen, als ich ihn nicht gerade durch die Strassen zu mir nach Hause lotse. "Es wird ohnehin nichts ändern", erwidere ich. Er sagt darauf nichts mehr, bis wir bei mir vor dem Wohnblock parken. "Ist jemand zuhause, bei dir?", fragt er mich.

Wahrheitsgemäss zucke ich mit den Schultern, denn ich habe wirklich keine Ahnung. Jinyun ist bestimmt noch in der Schule und ob mein Vater da ist, weiss ich nicht. "Gut, dann komme ich mit hoch", beschliesst er und ich wünsche mir, ich hätte seine Frage bejaht.

Er soll mich doch einfach nur in Ruhe lassen, ist das so schwer für ihn?

Doch da ich weiss, dass man mit ihm nicht diskutieren kann, wenn er sich etwas in den Kopf setzt - das habe ich ja heute bereits erfahren - halte ich den Mund und wir steigen gemeinsam aus. Mit dem Rucksack in der Hand laufe ich auf den Block zu, stosse die Glastür auf und begebe mich zum Lift, der uns in den dritten Stock bringt. 

Taehyung spricht immer noch nicht. Ist er etwa wütend, weil ich es ihm nicht erzähle? Der Typ hat doch einen Knall! Bei meiner Wohnungstür angekommen klingle ich und warte darauf, dass jemand öffnet, wenn überhaupt. Es dauert auch nicht lange und ich höre, wie aufgeschlossen wird, bevor die Tür sich langsam öffnet und ich meinen Vater sehe.

"Hi Dad", begrüsse ich ihn leise, während sich die Augen meines Vaters weiten, genauso wie die, meines von sich selbst auserkorenen Beschützers, als er ihn sieht.

Willkommen in meinem Alltag Taehyung. Vor dir steht der Grund, warum ich strippe.

Stripper [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt