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Wenn man so realisiert, dass die Story gar nicht mehr allzu lange dauert xD

Jungkook

Ich habe gerade sämtliche Biologie-Unterlagen, die am nächsten Test drankommen werden, vor mir ausgebreitet, als ich die Schritte höre, die direkt in meinen Flur zu kommen scheinen. Wie früher immer, verbringe ich meine Pause wieder im Kellergeschoss und eigentlich wäre alles wie immer: Wenn da nicht diese unglaubliche Leere wäre, die jede Faser meines Körpers erfüllt.

Zu sagen, dass ich okay bin, wäre bereits eine Lüge. Und beschissen eine Untertreibung. Das schlimmste an der Sache ist, dass ich niemanden für diese Misere verantwortlich machen kann, bis auf mich selbst. Ich bin ganz alleine Schuld.

Vielleicht habe ich diesen Schmerz verdient? Vielleicht habe ich verdient, das zu fühlen, weil ich nie wirklich geschätzt habe, was Tae mir gegeben hat. Wahrhaftig, er hat mir alles gegeben, was er hatte, er hat mir alles von sich anvertraut, hat sich mir in die Hände gelegt, mir seine verletzlichste Seite offenbart - und ich habe ihn fallen gelassen.

Genauso wie er danach mein Herz dafür fallen gelassen hat. Ich würde sagen, er hat sich revanchiert und dass ich das hier durchaus verdient habe, genauso wie die sichere Vermutung, dass er nicht mehr auch nur ein Wort mit mir wechselt.

Doch als die Schritte erklingen, flammt Hoffnung in mir auf. Der kleine Teil in mir, der sich verzweifelt an der Wunschvorstellung festklammert, er möge Gnade mit mir haben. Er würde darüber schlafen, lange nachdenken und mir eine letzte Chance geben. Ich würde sie ergreifen. Ich würde alles dafür geben.

Als ich die Schritte also höre, schaue ich auf, voller Hoffnung, mit klopfendem Herzen und wage nicht, den Blick abzuwenden, bis die Person in meinem Blickfeld auftaucht.

Und kaum erkenne ich sie, falle ich auch schon wieder in mich zusammen. Meiner Hoffnung ist erneut ein Dämpfer verpasst worden. Betrübt wende ich meine Augen wieder von Yoongi ab und richte meine Aufmerksamkeit stattdessen auf die Papiere in meiner Hand und die, die um mich herum verteilt auf dem Boden liegen.

"Hey, Kleiner. Mach nicht so ein Gesicht", höre ich den Älteren sagen, antworte jedoch nicht darauf. Wie soll ich denn sonst aussehen? Überglücklich?

Schön wär's.

"Jungkook!", seufzt Yoongi und er lässt sich mit einem Ächzen neben mir nieder, darauf bedacht, keines meiner Blätter zu zerstören, die er mit einer lässigen Handbewegung wegfegt, damit er Platz hat, neben mir zu sitzen. Seufzend lehnt er den Oberkörper und Kopf gegen die Wand, verschränkt die Arme vor der Brust und schliesst die Augen. "Was machst du wieder hier unten, Kleiner?", fragt er mich.

Ich zucke mit den Schultern, obwohl er es nicht sehen kann und lehne mich vor, um alle meine Unterlagen einzusammeln. Wenn Yoongi hier ist, kann ich ohnehin nicht mehr lernen. Schon gar nicht, wenn er das Gespräch sucht, so wie jetzt.

"Hier habe ich meine Ruhe", erwidere ich dann doch auf seine Frage. "Aber hier unten ist es einsam", kontert er sofort.

Ich schätze ich habe es gerade mehr als verdient, alleine gelassen zu werden. 

"Ich bin Einsamkeit gewohnt", murmle ich leise. "Sieh mal, Jungkook", seufzt Yoongi und schlägt die Augen auf, bevor er mich anschaut, "Ja, du hast Scheisse gebaut. Ja, du hast Taehyung verletzt. Ich weiss nicht, was dich dazu geritten hat, aber ich bin mir sicher, du hattest einen guten Grund."

"Das hilft mir aber nicht! Ich habe ihn verletzt und dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich hätte eine andere Lösung finden müssen, als die, die ich genommen habe", wispere ich wieder den Tränen nahe. Der Schwarzhaarige seufzt und legt mir den Arm um die Schulter. "Du hast dich vielleicht geirrt, indem du dachtest, dies sei die beste Möglichkeit, weswegen du sie gewählt hast. Aber Irren ist menschlich, Jungkook. Du bist nicht unfehlbar und Taehyung genauso wenig. Weisst du noch, wie er dich in seiner Wut geschlagen hat? Wie er dir diese kleine, unbedeutend aussehende, aber doch so vielsagende Schramme auf deiner Wange zugefügt hat?", fragt er und tippt die Narbe, die daraus entstanden ist, kurz mit dem Finger an, "Wie er dich am selben Tag im Regen stehen gelassen hat?"

Ich nicke unsicher und sehe ihn fragend an. Yoongi schenkt mir ein sanftes Lächeln. "Das sind seine Fehler, Jungkook. Auch er hat einige gemacht und auch du hättest ihn damals von dir stossen können. Und du hast es sogar getan, Kookie. Du konntest ihn damals nur nicht so sehr verletzen, wie er es jetzt bei dir konnte."

"Was willst du mir sagen, Yoongi?", frage ich heiser und schlucke den Kloss in meiner Kehle hinunter. Er wuschelt mir grinsend durch die Haare. "Wirf die Flinte nicht gleich ins Korn - denn genau das tust du gerade. Du hast ihn so einfach aufgegeben, bist fest davon überzeugt, dass er dir nie wieder verzeiht. Aber ich bin da anderer Meinung. Streng dich nur ein bisschen an!"

"Er war so wütend, Yoongi-", beginne ich, doch er presst mir die Hand auf den Mund. "Und als er dich geschlagen hat, wie tief hat es dein Vertrauen erschüttert? Dennoch hast du ihm die Chance gegeben. Er hat um sie gekämpft und du hast sie ihm geschenkt. Verstehst du? Aber von nichts kommt nichts, Kleiner!"

Ich sehe zu meinen Füssen und nuschle ein: "Denkst du?"

"Mhm", macht der Ältere zuversichtlich, "Lass es uns sofort ausprobieren!" Mit dem steht er wieder auf und hält mir hilfsbereit seine Hand hin. Unsicher sehe ich ihn an, ergreife sie aber und lasse mich hochziehen, bevor er mit mir den Flur entlang eilt. "Er war gerade noch in der Eingangshalle", meint er über die Schulter und steigt die Treppen hinauf. Ich beeile mich, im nachzulaufen und gemeinsam begeben wir uns ins Getümmel der Schüler oben in der Eingangshalle.

"Da ist er!", lächelt Yoongi und ruft gleich darauf den Namen meines Ex. Ich suche den roten Haarschopf in der Menge, doch finde keinen. Erst als ich ihn auf uns zukommen sehe, verstehe ich, wieso ich ihn nicht finden konnte.

Er hat sich die Haare anders gefärbt. Was vorher noch das stechende, trotzdem schöne Rot war, ist nun ein dunkles Braun. Für Manche wäre das nichts weiter schlimmes, doch mir tut es weh. Er hat die ganze Zeit mit mir über die roten Haare getragen. Wieso sollte er sie so plötzlich umfärben, wenn er davor nie auch nur den Eindruck gemacht hat, sie in einer anderen Farbe zu wollen?

Taehyung bleibt vor uns stehen und schenkt mir keine weitere Beachtung. Das tut noch mehr weh. "Er würde gern mit dir reden", sagt Yoongi und deutet auf mich.

Nun schenkt er mir doch seine Aufmerksamkeit. Seine Augen mustern mich mit einer ungewohnten, herablassenden Kälte, ich schrecke vor der Seite zurück, die er an den Tag legt. "T-tae, ich-" Er zischt leise und bringt mich damit automatisch zum Schweigen.

"Lass stecken, Jungkook", murmelt er gerade noch laut genug, damit ich es bei dem ganzen Lärm hier verstehen kann, "Kapierst du es nicht?", fragt er und fährt sich durch die gefärbten Haare. Er schenkt mir einen Blick, der mir sagt, dass meine kleine, dumme Theorie ganz richtig war: Die Haare sind ein weiteres offizielles Zeichen, für seinen Schlussstrich. Erst die Kette, jetzt die Haare.

"Ich will, dass du mich in Ruhe lässt."

Stripper [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt