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Taehyung

"Das ist deine Schuld!"

"Du hast das alles angerichtet!"

"Wie kannst du überhaupt noch leben wollen, nachdem du das getan hast?"

"Deine Schuld! Nur deine, hörst du?! Niemand anderes, nur du hast das zu verantworten!"

"Ich liebe dich."

"Komm da runter!"

"Sie steht auf dem Dach."

"Wir kriegen das hin, versprochen."

"Ich kann nicht mehr, Taehyung."

Mit einem lauten Keuchen fahre ich aus meinem unruhigen Schlaf, setze mich auf und sehe mich schwer atmend im Zimmer um. Es ist alles wie immer, aber trotzdem irgendwie nicht. Mit dem Auftauchen dieses Mädchens heute, hat sich alles verändert. Ich dachte, ich kann ein normales Leben führen und keiner wird je erfahren, was ich damals getan habe, aber so geht das nicht mehr. 

Wenn Sowon auftaucht, kann ich mir sicher sein, dass sie solange nicht Ruhe gibt, bis sie hat was sie will. 

Und die ganzen wirren Träume machen meine Situation nicht gerade besser. Inzwischen weiss ich selbst nicht einmal mehr, was ich glauben soll. Ich war immer felsenfest von meiner Meinung überzeugt, doch jetzt.... Jetzt weiss ich nicht einmal mehr, ob ich nicht einfach blind war.

Es schien jeder zu wissen, nur ich habe nichts davon mitgekriegt. Vielleicht wollte ich auch nichts wissen, vielleicht habe ich es geahnt und meine Augen und Ohren vor der Wahrheit verschlossen, mich an einem Gedanke fest gebissen und daran geklammert, obwohl ich immer falsch lag. 

Ich lasse den Kopf hängen und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Ich werde bald noch wahnsinnig.

Seufzend beschliesse ich, mich etwas abzulenken und taste nach meinem auf dem Nachttisch liegenden Handy. Als ich es zu fassen kriege, nehme ich es zur Hand und schalte es an. Das Display zeigt mir an, dass es gerade mal drei Uhr ist und ich neue Nachrichten erhalten habe, also entsperre ich das Ding und halte die Luft an, als ich den Namen sehe.

Miu

Zaghaft tippe ich darauf und gebe einen halblauten Schrei von mir, als ich Bilder des mir so bekannten Gesichtes sehe. Ohne weiter zu zögern lasse ich das Handy fallen, als hätte ich mich daran verbrannt und starre keuchend das lachende, so glücklich wirkende Gesicht an, das mir geschickt wurde.

Sie sah immer so zufrieden aus. Wie kann ein Mensch ein Lächeln nur so perfekt vortäuschen? Oder war es nie so perfekt und ich wollte es nur perfekt sehen?

Je länger ich das Foto anstarre, desto schneller geht mein Atem. Ich strecke zitternd meine Hand aus und scrolle hinunter. Sie hat noch ein zweites Foto geschickt. Diesmal ist sie wieder darauf, doch dann blicke ich auch noch ich in die Kamera.

Ich spüre, wie Tränen in mir aufsteigen, gehe aus dem Chat und lösche ihn, doch trotzdem habe ich diese beiden Fotos immer noch vor Augen. Es hat einen guten Grund, wieso nichts mehr auf ihre Existenz hinweist. Ich würde es nicht ertragen.

Diese Bilder tun weh, mehr als alles andere. 

Ich greife wieder nach meinem inzwischen dunklen Handy, entsperre es und tippe Hobis Kontakt an. Der hebt nach einigem Klingeln dann auch ab.

"Hallo?", nuschelt seine Stimme schläfrig. "Hoseok?", bringe ich mit zitternder, schwacher Stimme hervor, "E-es... Miu... Ich weiss nicht-" Er unterbricht mich seufzend. "Ich bin in einer Viertelstunde vor dem Haus, okay?"

"Danke."

~~~

Die beinahe schlaflose Nacht hat Spuren vor allem unter meinen Augen hinterlassen, trotzdem verzichte ich auf die angenehme Couch bei Hoseok und schleppe mich aufs Schulgelände. Ja, diesmal bin ich tatsächlich gelaufen, noch eine weitere Hürde, die ich nehmen musste.

Seufzend laufe ich die wenigen Treppenstufen zur Eingangstür hoch, quetsche mich genervt zwischen den Schülern hindurch und komme dann endlich vor meinem Spind an. Ich öffne ihn, woraufhin mir der kleine, einmal gefaltete Zettel auffällt. Ich seufze. Wenn das wieder von Sowon ist, dann weiss ich nicht, ob ich mich zurückhalten und ihr keine verpassen werde.

Ich falte ihn auf und sehe mir die Nachricht an.

Du bist tot. -Y

Das Y lässt auf Yoongi schliessen, allerdings wüsste ich nicht, was ich nun wieder angestellt habe, dass er wütend ist. 

Seufzend lasse ich den Zettel in meiner Hosentasche verschwinden, stopfe meine Tasche mit den richtigen Büchern voll, schlage den Spind wieder zu und mache mich auf ins Kellergeschoss. Dort sind Yoongi, Jungkook und ich in letzter Zeit sehr oft. Es ist ruhig, man ist alleine, das schätzen wir wohl alle sehr. Nur das ich nicht alleine sein kann. Also gehe ich bestimmt nicht alleine da hinunter, wenn nicht jemand mitkommt oder unten wartet. Und wenn, dann bleibe ich nicht lange.

Ich eile also die Treppen hinunter, biege in einige Gänge und komme schliesslich in dem an, wo die beiden Schwarzhaarigen bereits sitzen und zu reden scheinen. "Da seid ihr!", rufe ich erleichtert. Yoongi sieht sofort zu mir, steht auf und kommt mit entgegen.

Kaum steht er auch schon vor mir, kann ich gar nicht mehr weiter reagieren, als er ausholt und mir einen Kinnhaken verpasst. "Au!", jammert er anschliessend und reibt sich seine Faust, während ich mir fluchend meine getroffene Stelle halte und zurückstolpere. "Drehst du durch?!", fahre ich ihn an, "Was sollte das?!"

"Ich sagte dir, du bist tot, Taehyung", zischt der Ältere, "Du bist das taktloseste Arschloch, dass mir je untergekommen ist!" Ich weite die Augen. Wovon redet er. Dann schiebt sich Jungkook zwischen uns. "Hör auf", verlangt er von Yoongi.

"Er hat dir weh getan!", faucht der, doch Jungkook schüttelt den Kopf. Als ich die Worte höre, verstehe ich langsam, worauf er hinaus will. In dem ganzen Chaos, habe ich komplett verdrängt, was ich gestern getan hatte. Im Nachhinein wollte ich gar nicht so gemein zu ihm sein. Aber in diesem Moment war mir seine Anwesenheit einfach zu viel. Ich weiss selbst nicht, was in mich gefahren ist.

"Jungkook-", beginne ich leise, doch er sieht auf und bringt mich mit der Kälte, die seine Augen ausstrahlen zum Verstummen. Zumindest für einige Sekunden, denn dann fällt mir die kleine Schramme an seiner Wange auf und ich weite die Augen. "Wer war das?", frage ich leise.

Er lacht bitter auf. "Vergessen, dass du Ringe trägst?", flüstert er mir zerbrechlicher Stimme. Als er das sagt, wird mir schlecht. Das ich so mit ihm umgegangen bin, ist schlimm, das ich ihn weg geschlagen habe, ist noch viel schlimmer. Aber das ich ihn dabei verletzt habe, ist das schlimmste. 

Ich könnte mich selbst schlagen dafür. Ich sagte, ich bin für ihn da, ich will ihm nicht wehtun und was mache ich? Ich verletze ihn, immer und immer wieder.

"Es tut mir leid, Jungkook", murmle ich schuldbewusst und schlucke den Kloss in meinem Hals hinunter.

Er lacht bitter auf. "Weisst du, der Schlag war nicht einmal das Schlimmste, Taehyung", flüstert er und sieht mir tief in die Augen, "Es war nicht, was du gesagt hast oder das du einfach davongefahren bist", fährt er fort und stellt sich dicht vor Yoongi, der ihm die Hand auf die Schulter legt und mich wütend anschaut. Doch meine Augen liegen nur auf Jungkook, dessen immer mehr mit Tränen gefüllt sind.

"Es war, wie du mich angesehen hast. Voller Hass, so angewidert, als sei ich irgendein Käfer, den du zertreten möchtest." Obwohl er beginnt, zu weinen, senkt er den Kopf nicht. Seine Tränen rollen über seine Wangen und er sieht mich stur an. Die Tatsache, dass dies meine Schuld ist, tut unglaublich weh. 

"Du hast mich angesehen, als sei ich nichts, du hast mich behandelt, wie jeder andere an dieser Schule - obwohl du doch sagtest, du willst für mich da sein." 

Stripper [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt