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Jungkook

Nervös laufe ich aus dem Wohnblock hinaus, zum Parkplatz, wo ich schon Taehyungs Auto sehen kann. Als er mich erblickt, hupt er einmal und ich beschleunige meine Schritte noch einmal.

Eigentlich will ich gar nicht einsteigen. Ich will nicht in die Schule. Ich will umkehren, die Stufen wieder hoch ins Apartment rennen und mich in meiner Bettdecke einrollen, wie Jinhyun das immer tut, wenn er Angst hat oder traurig ist. Er nennt es liebevoll "Sushi spielen" und ich habe bis heute nie kapiert, wie man sowas tun kann.

Jetzt würde ich alles darum geben, es zu tun. Leider kann ich nicht die Schule schwänzen, wenn mein Vater zuhause ist. Er würde es merken und das gäbe ein ziemliches Donnerwetter. Also werde ich wohl oder übel gezwungen.

Ich haste auf den Maserati zu und steige auf dessen Beifahrersitz ein. "Guten Morgen", begrüsst Taehyung mich wie immer und dreht den Kopf zu mir. Ich lächle unsicher und erwidere ein leises "Hallo."

Sein zufriedenes Lächeln verblasst, stattdessen sehe ich die Besorgnis nun, als er mich mustert und mir eine Hand an die Wange legt. "Ist alles in Ordnung, Jungkook?", fragt er mich ernst, "Du bist vollkommen blass!"

Ich nicke nur, denn einen anständigen Satz würde ich bei seinen forschenden Augen wohl nicht herauskriegen. Aber eigentlich geht es mir überhaupt nicht gut. Mir ist heiss und übel und ich habe schreckliche Angst vor dem, was mich gleich erwarten wird. Taehyung schürzt die Lippen. Er kauft mir meine Antwort nicht wirklich ab.

"Wie fühlst du dich?", fragt er leise. "G-ganz okay", erwidere ich unruhig und sehe weg. "Du siehst krank aus", bemerkt er und klingt noch besorgter als zuvor schon, "Willst du nicht eher Zuhause bleiben?"

Ja, das würde ich gerne. Dummerweise wird meine "Krankheit" dadurch nicht verschwinden. Ich schüttle also den Kopf und murmle ein: "Es geht schon." Er nimmt seine Hand von meiner Wange und streicht stattdessen durch meine Haare. "Aber wenn du dich schlechter fühlst, sagst du es mir und ich kehre um, ja?", verlangt er und ich nicke brav.

Damit startet er den Wagen und fährt los. Während er fährt, sprechen wir beide kein Wort, ich schaue stur zum Fenster hinaus und versuche meine Nervosität unter Kontrolle zu kriegen. Doch ich scheitere kläglich. Je näher wie der Schule kommen, desto mehr wächst meine Angst, genauso wie meine Übelkeit. Wenn ich könnte, würde ich einfach schreien.

Als wir schliesslich bei der Schule parken und aussteigen, kann ich das Zittern meines Körpers nicht mehr unterdrücken. Ich will nicht, ich will nicht sehen, was Shiwoo angerichtet hat, ich will mich verkriechen, ein Loch buddeln und darin verschwinden, aber bloss nicht da rein.

"Jungkook, soll ich dich wirklich nicht nach Hause fahren?", vergewissert Taehyung sich und sieht mich genau an. Ich schüttle den Kopf. "I-ich bin okay", hauche ich, wissend, dass er mir auf keinen Fall glauben wird.

"Du siehst aus, als wird du jeden Moment ohnmächtig", gibt er zu bedenken. Tja, genauso fühle ich mich gerade auch. Meine Beine sind weich und ich habe das Gefühl, bei jedem Schritt fallen zu können, weil meine Füsse mich nicht mehr tragen.

Doch ich winke ab und zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen. "Keine Sorge", sage ich, während mein ganzer Mund und auch meine Kehle staubtrocken sind.

Taehyung wirft mir noch einen letzten Blick zu, bevor er nickt und meine Hand nimmt. Gemeinsam laufen wir über den leeren Schulhof auf die Schule zu. Wir sind wohl die letzten, denn die Schule hat bereits begonnen. Wir betreten den stillen, leeren Flur und ich blicke mich suchend um. Irgendetwas hat Shiwoo getan, das weiss ich.

Allerdings kann ich nichts ungewöhnliches entdecken und entspanne mich für den Moment. 

Gemeinsam laufen wir den Flur entlang und biegen um die Ecke, als ich die Person am anderen Ende entdecke. Am liebsten würde ich mich von Taehyung los reissen und das Weite suchen, als ich ihn auch erkenne; Shiwoo.

Stripper [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt