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Jungkook

"Wie siehst du denn heute aus?", will Kai wissen und mustert mich von Kopf bis Fuss. Ich verdrehe die Augen. "Frag nicht", murmle ich geschafft und werfe meinen Rucksack schwungvoll in die Ecke, bevor ich mich zu Kai an den Tisch voll mit Make-up begebe. Der Ältere sieht mich immer noch skeptisch an.

"Seit wann tauchst du hier in Sportklamotten auf? Trägt man bei euch an der Schule nicht eine Uniform? Was ist mit der geschehen?"

"Sie ist nass geworden", brumme ich müde und sehe dem Blondschopf dabei zu, wie er sich gekonnt Eyeliner aufträgt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Er sieht gut aus, das tut er wirklich. "So nass, dass du gleich die Klamotten wechseln musstest?",  bohrt er weiter und schminkt auch sein linkes Auge. "Ja, verdammt!", zische ich wütend und er lässt von seinem Gesicht ab, bevor er den Arm über die Stuhllehne legt und sich so etwas zu mir umdreht.

"Sag schon, was ist passiert?", fordert er. "Nichts. Kai, lass es einfach", bitte ich und sehe ihm hoffnungsvoll ins Gesicht. Er zieht die Augenbrauen hoch. "Zieh mal das Shirt aus", verlangt er und ich zische wütend.

"Kai-"

"Zieh es aus."

Er ist so ein Sturkopf und scheint ganz genau zu wissen, dass sich unter dem weissen Tanktop Unmengen von blauen Flecken befinden. Es tut bereits weh, aufrecht zu gehen, allerdings wollte ich nicht, dass Kai sich Sorgen macht, weswegen ich die Schmerzen überspielt habe.

In Wahrheit weiss ich nicht, wie ich morgen auf diese Bühne treten soll, denn mein gesamter Oberkörper wird Schmerzen wie die Hölle.

Zaghaft hebe ich das Shirt am Saum hoch und ziehe es bis zum Kinn. Kais Augen weiten sich und er steht rasch von dem Stuhl auf, um mir näher zu kommen und das Ganze genauer unter die Lupe zu nehmen. Seine kühlen Finger streichen vorsichtig über die Verfärbungen und er zieht scharf die Luft ein. "Wieso tun diese Leute dir das an, Kookie?", fragt er leise. Ich seufze unbemerkt. "Weil ich nicht so bin, wie sie", erwidere ich leise.

Er geht nicht weiter darauf ein. Kai hat früh gelernt, dass er mich darauf nicht ansprechen soll und dementsprechend verhält er sich auch so. Dafür bin ich ihm dankbar, denn selbst wenn ich seine Hilfe immer ablehne, ist er trotzdem für mich da.

"Das wird viel Make-up", murmelt er und schnalzt mit der Zunge. "Wir können einige offen lassen, dann sieht es so aus, als führen wir eine BDSM-Beziehung", scherze ich lahm und der 22-jährige sieht mich forschend an. "Die Idee ist gar nicht mal so schlecht", argumentiert er, "Aber kannst du überhaupt deinen Oberkörper bewegen, ohne Schmerzen zu haben?"

Ich lege den Kopf schief. "Es geht, keine Sorge", winke ich ab. Bis jetzt stimmt das auch, denn die Schmerzen werden erst morgen richtig heftig sein. Kai lässt von mir ab, dreht sich zum Schminktisch um und kramt Foundation hervor, bevor er sich daran macht, meine blauen Flecken abzudecken. Einige lässt er wie von mir vorgeschlagen frei und als er fertig ist, läuft er zu der Auswahl von Klamotten und durchforstet sie. Dann dreht er sich zu mir um und wirft mir einige Kleidungsstücke zu. Geschickt fange ich sie auf und mustere sie.

Leder.

Seufzend sehe ich die knappen Kleider an. Was habe ich erwartet? Während Kai sich selbst Klamotten heraussucht, verschwinde ich in den kleinen, engen Umkleidekabinen und schäle mich aus den Sportkleidern des Rothaarigen.

Der Junge ist mir suspekt, ich weiss beim besten Willen nicht, wie ich auf ihn reagieren soll. Einerseits hat er etwas unglaublich abweisendes, andererseits ist er die erste Person, die mir geholfen hat, obwohl ich seine Hilfe klar abgewiesen habe. 

Wie kann ein Mensch nur so hartnäckig sein?

Nachdem ich mich in das enge Leder gezwängt habe, trete ich aus der Umkleide und erschaudere, als ich die kalte Luft auf meiner nackten Haut wahrnehme. Kai seufzt tief, als er mich sieht. "Die werden durchdrehen", grinst er schief und ich erwidere das Lächeln müde.

Immerhin erfreuen sich einige an meinem Körper und ich verdiene Geld, indem ich praktisch an dieser Stange klebe, als sei sie das, was ich mein Leben lang gesucht habe. Kai platziert mich auf dem Stuhl vor dem Make-up und beginnt mich etwas aufzuhübschen, während ich höre, wie die jungen Frauen der letzten Show hinter die Bühne eilen.

"Hallo Kai, Kookie!", rufen einige vereinzelt, bevor sie die steile Wendeltreppe hinauf eilen. Einige haben jetzt Feierabend und einige müssen sich jetzt umziehen, weil sie gleich mit Kai und mir nochmals da raus gehen.

Ich seufze tief. Gerade mein Traum ist das nicht, mich jeden Abend an einer Stange zu räkeln und meinen beinahe komplett nackten Körper fremden Leuten zu präsentieren. Am schlimmsten ist das ausziehen. Da drehe ich mich lieber den gesamten Abend um die Stange, allerdings gehört das zu meinem Job und ich wurde nicht dazu gezwungen, ihn auszuüben, also muss ich wohl oder übel damit leben.

"Na los, Kookie", meint Kai, kaum hat er den letzten Strich Lidschatten aufgetragen, "Auf einen weiteren Abend."

"Alles klar, Master."

"Nenn mich nie wieder so", brummt der Ältere, der auf der Bühne den Dominaten von uns beiden gibt. Das Zeug dazu hat er, freches Lächeln, klare Muskeln, seine Bewegungen, alles zeigt auf, dass er die Führung haben will und sie sich holt, wenn es sein muss.

Ich dagegen bin die unterwürfige Person, schüchtern und verträumt. Zumindest soll ich mich so verkaufen.

Ich lasse mich von meinem Partner hochziehen und laufe mit ihm gemeinsam los, zur Bühne. Draussen warten bereits alle ungeduldig auf die einzigen Männer des Clubs. "Seid ihr soweit?", fragt Kai die Mädchen, die mit uns auftreten.

Gleich darauf höre ich, wie sie langsame, klar erotische Musik zu spielen beginnt. Ich schliesse die Augen und atme ein letztes Mal tief durch, ehe ich Kai zunicke und wir gleichzeitig hinaus treten.

Auf ein weiteres Mal...

Stripper [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt