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Taehyung

"Tae~", ruft Hoseok überschwänglich, kaum reisst er die Tür auf. Er zieht mich augenblicklich in eine feste Umarmung ich muss grinsend feststellen, wie sehr ich den Energiegeladenen Idioten doch vermisst habe. Seit unserem letzten Treffen sind mehrer Wochen vergangen, in denen wir nichts voneinander gehört haben. Ist eigentlich kein Wunder; ich bin umgezogen und Hoseok studiert Computertechnologie, da bleibt für Treffen nicht viel Zeit. Er hängt sich wirklich in sein Studium und man sieht, wie viel Spass er daran hat.

Aber das Ganze hat auch eine gute Sache für mich. Er weiss, wie er sich in einen anderen Computer einschschleusen muss, genauso wie ein Handy oder ein anderes Gerät und deshalb ist er die erste Anlaufstelle für mich, wenn es darum geht, jemandes Geheimnisse in die Finger zu kriegen. Ist zwar noch nicht sehr oft passiert, aber durchaus schon vorgekommen. Hobi hilft mir gerne damit, für ihn ist es eine lustige Übung und ausserdem ist er eine kleine Tratschtante.

Skandale, schmutzige Geheimnisse und neuste Infos sind sein Hobby.

Mir dagegen ist sowas eigentlich egal, es sei denn, ich brauche diese Dinge, um jemanden das Leben zu erschweren oder mehr über ebendieses herauszufinden. Diesmal ist es Nummer eins, meines Plans: Shinwoos Leben erschweren. 

Ich will, dass er so gedemütigt wird, dass er sich nie wieder traut, in jemandes Gesicht zu sehen. Erst habe ich daran überlegt, ihn zu verprügeln, aber dafür bin ich mir zu schade. Ich brauche keine Strafe für den Penner. Nein, ich kann das Ganze auch viel subtiler und umso zerstörerischer angehen.

Jeder Mensch hat ein Geheimnis, eines, dass er nicht verraten will. Ich habe selbst eines, also muss Shinwoo auch eines besitzen.

Wenn nicht sogar hunderte...

Hobi lächelt breit und ich kann nicht anders, als es zu erwidern. Er sorgt für gute Laune. Wir sind praktisch Sandkastenfreunde. Meine Mutter hat mir erzählt, dass wir uns erst heftig gestritten haben, weil der Ältere meine Sandburg mit seiner Plastikschaufel zu einem Haufen Sand verarbeitet hat, woraufhin ich ihm dann das Maul mit ebendiesem stopfen wollte. Aber nachdem seine Mutter uns beiden Brezel angeboten hat, seien wir bereits gemeinsam zu den Schaukeln gerannt. Das Ganze ist so lange her, dass ich mich daran nicht mehr erinnern kann, aber die Vorstellung finde ich wirklich zu lustig.

Der Student führt mich durch seine kleine Wohnung in ein vollgestopftes Wohnzimmer, dass so aussieht, wie ich es in Erinnerung habe. Die Couch ist leer, damit man sich jederzeit darauf pflanzen kann, was Hoseok auch immer tut. Er hat kein Bett, das Sofa ist die Matratze. Er hat sich so viel Hightech-Zeugs angelegt, dass das Geld für ein Bett nicht mehr gereicht hat. Er hätte wohl auch gar keinen Platz, in der Zwergenwohnung hier - das Los eines Studenten.

Aber er liebt sein Leben, wie es ist, das merkt man gut. Trotzdem quillt die Bude bald über vor lauter Kram. Der kleine Fernseher ist da, auf dem Tisch stapeln sich die Esswaren, unter anderem eine angefangene, noch dampfende Schüssel Ramyun, wie ich erkennen kann. Daneben steht ein teuer aussehender Laptop und auf dem Boden herrscht ein Chaos von Klamotten. "Hast du überhaupt ein Schlafzimmer?", necke ich ihn grinsend und mustere die Stapel gewaschener Kleidung in einigen Sporttaschen.

"Sei ruhig, du weisst, meine Ausbildung ist teuer!", lacht der Ältere. Er hätte durchaus eines, aber er hat es wohl zu einer Abstellkammer umfunktioniert, wie ich weiss.

Und obwohl es hier eng ist, fühlt man sich einfach wohl. Es ist wahrlich ein Zuhause - wenn auch kein besonders grosses.

Hosek wirft sich seufzend auf die Couch und zieht den Laptop auf seinen Schoss, bevor er nach der Schüssel mit seinem Abendessen greift. "Ich hab dir eine Pizza in den Ofen geschoben", meint er abwesend und tippt bereits wieder auf dem Laptop herum, "Mit Paprika und Schinken, ich weiss doch, dass du sie liebst."

"Du bist echt ein guter bester Freund", lache ich und steuere  die Küche an, wo ich bereits das leckere Essen riechen kann. Nachdem ich die Pizza auf einen grossen Teller gelegt habe, schlänge ich mich zwischen einigen Prozessoren und Tüten hindurch, bevor ich das Schlaf-/Wohnzimmer wieder betrete und mich neben Hobi auf die Couch sinken lasse.

"Wie heisst der Kerl?", fragt Hoseok abwesend und sieht auf seinen Bildschirm. "Shinwoo, mehr weiss ich nicht", erkläre ich schulterzuckend und nehme mir den ersten Bissen von einem Pizzastück. 

Der Älter grinst. "Je weniger Informationen, desto schwieriger für mich und desto interessanter wird es. Lass den grossen Bruder ruhig spielen; jetzt lernst du von den Besten."

Eine halbe Stunde später steht der Laptop auf dem Tisch und wir futtern zufrieden die letzten Pizzastücke. Hoseok hat eine Facebookseite ausgemacht, die ganz offensichtlich Shinwoo gehört. Damit hat er einiges rausgefunden: Er hat einen grossen Bruder und eine kleine Schwester. Jetzt geht es darum, sein Privatleben zu durchforsten.

"Aber bevor ich weitermache", seufzt Hoseok und streckt sich, bevor er auf die Uhr schaut, die an der Wand hängt, "Werden wir jetzt einen Club unsicher machen!" Ich stöhne auf. "Aber es ist gerade so gemütlich!", meckere ich.

Er lacht und legt einen Arm um meine Schulter. "Nichts da! Du hast viel zu lange niemanden mehr aufgerissen, Kim Taehyung! Wird Zeit, dass du dich daran erinnerst, wie ein Cocktail schmeckt!"

Ich verdrehe grinsend die Augen, lasse mich aber von ihm hochziehen. Ich wusste, dass er mich in einen Club schleppt, hat er ja geschrieben, deswegen bin ich auch nicht in den letzten Pennerklamotten aufgekreuzt. Und Hoseok trägt bereits ein weisses Hemd und schwarze Skinnyjeans, als er mir eine Jacke zuwirft und ich in meine Schuhe schlüpfe. Gemeinsam verlassen wir die kleine Wohnung und laufen durch die Gegend. "Der Club ist nicht sehr bekannt, aber er ist toll", grinst Hoseok, "Da hat's einige hübsche Mädchen, für die es sich lohnt, das Konto regelrecht zu plündern."

Ich grinse müde und schiebe meine Hände in die Hosentasche, während wir uns lauter werdender Musik nähern. Alleine schon an deren Stil, erkenne ich, dass der Nachtclub wohl sehr erotisch sein muss. Es ist nicht die typische, hämmernde Bassmusik, wie man sie aus angesagten Clubs kennt, sie ist eher langsam und auch mit dem Bass wurde gespart.

Wir zeigen dem Türsteher unsere Ausweise und betreten den Laden dann. Im ersten Moment müssen meine Augen sich an das rötliche Licht gewöhnen, das hier drinnen herrscht. Die Musik ist laut, die Luft stickig und von Stimmen erfüllt. überall stehen Sofas, einige Menschen tanzen, vorne ist eine Bühne und kleine weitere Podeste folgen, allesamt sind sie mit einer Pole ausgestattet.

An der linken Wand steht eine grosszügig eingerichtete Bar, an die es uns beide zuallererst verschlägt. "Zwei Gin Tonic", bestellt Hoseok grinsend und wir lassen aus den Lederhockern nieder. Ich wende der hübschen Barkeeperin meine Aufmerksamkeit zu und sehe zu, wie sie die verschiedenen Getränke für den Cocktail zusammensucht.

Sie trägt eigentlich nichts, bis auf kurze, knappe Ledershorts und ein genauso ledernes, bauchfreies Top. Ihre Haare sind offensichtlich gefärbt und zu einem Zopf geflochten, der ihr über die Schulter liegt. Ihre Hände hat sie in Lederhandschuhe gesteckt. Sie schenkt mir ein Grinsen, während sie den Shaker schüttelt, als täte sie es seit Jahren - was vermutlich auch der Fall ist. 

Während sie unsere Getränke fertigstellt, wechselt das Lied und einige Personen im Club jubeln lautstark. Ich denke kaum, dass der Song der Grund dafür ist, so gut klingt er nämlich nicht einmal, weswegen ich mich umdrehe und meinen Blick durch den grossen, gefüllten Raum wandern lasse.

Ich erkenne nichts auffälliges, einige halbnackte Mädchen tanzen lasziv auf den kleineren Podesten vor der Bühne, die Typen kleben fast schon an ihnen, doch als ich letzterer einen Blick zuwerfe, stockt mir der Atem.

Zwei Personen sind auf die hölzerne Bühne getreten, werden von Scheinwerfern zusätzlich in rotes Licht getaucht und bewegen sich langsam auf die beiden Stangen zu, die praktisch am Rand positioniert sind. Es sind beides Männer, einer ein breitschultriger, muskulöser junger Mann, mit platinblondem Haar und einem breiten, verführerischen Grinsen auf dem Gesicht. 

Doch das ist nicht der, der meine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.

Dies ist der wesentlich kleinere, mit dem kohlrabenschwarzem Haar, dem Eyliner und der seine Hände ausstreckt, sie um das kalte Metall der Pole schliesst und sich an diese zieht, als sei es seine grösste Liebe.

Meine Aufmerksamkeit beansprucht kein anderer als Jungkook.

Stripper [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt