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Taehyung

"Hast du einen Schlüssel?", frage ich, doch er schüttelt frustriert seufzend den Kopf. "Der steckt auf der anderen Seite der Tür", murmelt er.

"Schick mir die Rechnung", meine ich kalt an ihn gerichtet und schubse ihn dann grob beiseite, bevor ich kräftig gegen die Tür trete. "Mach auf!", verlange ich laut genug, dass man es im Zimmer hören sollte. "Bist du verrückt?!", höre ich Yoongi. "Besorg mir einen Schlüssel und sonst lass mich machen, ich sagte, schick mir die Rechnung!", fauche ich und trete ein weiteres Mal gegen die Tür. Sie scheint nicht viel auszuhalten, denn mit diesem Schlag schwingt sie auch schon auf und mit einem Krachen gegen die Wand.

Das Licht des Schlafzimmers, das ich nun mit dem Schwarzhaarigen hinter mir betrete, ist gedimmt, doch ich kann die Person auf dem Bett gut erkennen. Und auch die, die daneben steht und uns einen schockierten Blick schenkt.

"Du dreckiger Bastard! Nimm die Finger von ihm!", blaffe ich lautstark und ignoriere meine Begleitung, als ich in den Raum stürme und Shiwoo mit einem groben Stoss zur Wand stolpern lasse. Ich mache mir nicht die Mühe ihn überhaupt irgendwie festzuhalten, als ich ihm von meiner Wut geleitet, einen Kinnhaken verpasse.

"Taehyung!", ruft Yoongi. Ich beachte ihn nicht weiter, sondern spüre nur die kleine Befriedigung in meinem Innern, als ich beim nächsten Schlag das Blut an seinen Lippen sehe. Der Andere wehrt sich eher halbherzig und ich bin dazu bereit, ihn in ein Gottverdammtes Krankenhaus zu prügeln - wäre da nicht Yoongi.

Der zerrt mich nämlich grob vom Übeltäter ab und dreht mich zum Bett. "Er braucht dich!", weist der Ältere mich mit scharfer Stimme an. Leer schluckend starre ich einen weinenden Jungkook an. Seine Hände sind mit einem Tuch am Bettgestell festgebunden worden und er trägt nichts weiter, als seine Boxershorts. Der Mut von zuvor, die Bereitschaft einen Menschen umzubringen, aufgrund meines Bodenlosen Hasses ihm gegenüber sind verschwunden.

Yoongi gibt mir einen kleinen Schubser, woraufhin ich zum Bett eile und mich neben den zierlichen Körper auf das Bett knie, während er selbst Shiwoo aus dem Zimmer zerrt. "Jungkook", flüstere ich und lege meine Hand an seine Wange. Er heult laut auf und zieht seine Beine schützend an seinen Körper. "N-nein!", wimmert er, "B-bitte, i-ich will-"

"Jungkook, mach die Augen auf. Ich bin's, Taehyung. Es ist alles gut", rede ich auf ihn ein und streiche durch seine schwarzen Haare. Der Jüngere schlägt tatsächlich die Augen auf und starrt mich verängstigt und mit Tränenüberströmten Gesicht an. "T-tae", wimmert er und zerrt an den Fesseln, die ihn daran gehindert haben müssen, abzuhauen.

Ich lehne mich zu seinen Handgelenken und beginne die ziemlich fest angemachten Knoten der Krawatte, die Shiwoo wohl irgendwo hier gefunden haben muss, zu lösen. "Yoongi, ich hoffe für dich, du hast ihn bewusstlos geprügelt!", merke ich an, kaum steht der wieder im Raum.

"Ich hab ihn einigen Freunden überlassen. Die Kümmern sich um den Wichser", höre ich ihn sagen. Kaum habe ich die Fesseln los, sehe ich die roten Streifen, um Jungkooks Handgelenke und alleine das zu sehen macht mich wieder so wütend, dass ich Shiwoo den Hals umdrehen möchte.

Ich hoffe für ihn, dass er sich die nächsten Stunden nicht in meiner Nähe blicken lässt, sonst werde ich zum Mörder.

"Taehyung!", schluchzt Jungkook erneut und setzt sich auf, bevor er weinend die Arme um meinen Körper schlingt und sein Gesicht an meinem Shirt versteckt. Er klammert sich an mir fest, als wäre ich der Einzige, der ihm vor dem Sterben bewahrt, als wäre ich seine einzige, letzte Hoffnung.

"Er hat dir nichts getan, oder? Er hat dich nicht angefasst?", frage ich leise und erwidere die Umarmung. Er schüttelt schwach den Kopf. Trotzdem müssen ihm der Schock und die Angst noch tief in den Knochen sitzen. "Ich bringe ihn nach Hause", murmle ich an Yoongi gewandt, der nickt und mir die Jeans des Jungen in meinen Armen auf das Bett wirft, "Ich gebe Hoseok Bescheid, damit er hier schläft", murmelt er und verlässt das Zimmer wieder.

Ich löse mich sanft von Jungkook und will ihn auf die Beine ziehen. Doch kaum steht er auf den Füssen, taumelt er gefährlich und bevor er noch umkippen könnte, drücke ich ihn eilig zurück aufs Bett. "Wie viel hast du getrunken?", frage ich leise und seufze dabei, ehe ich mich aus meiner Jacke schäle und sie dafür ihm anziehe, damit er obenrum etwas bedeckt ist. Jungkook derweil runzelt die Stirn und zählt konzentriert mithilfe seiner Finger nach, bevor er mit brüchiger, ängstlicher Stimme und hicksend nuschelt: "Fünf Becher... oder sechs?"

Ich seufze erneut. Ich will gar nicht erst wissen, was darin war, aber was es auch war: Es hat ihn stockbetrunken gemacht.

Ich versuche gar nicht erst, seine Beine in die enge Jeans zu zwängen, sondern laufe zum Schrank und reisse dessen Tür auf, bevor ich ihn nach einer Jogginghose durchwühle. Ich finde auch bald eine und ziehe ihm diese an, bevor ich mich vor ihn auf den Boden kauere. "Steig auf. Ich traue deinem Gleichgewicht nicht genug, als dass ich dich jetzt so laufen lasse, wenn du nicht einmal gerade stehen kannst."

Einen Augenblick später spüre ich die Arme des Jüngeren um meinen Hals und seine Beine, die sich um meine Hüfte wickeln. "Gut festhalten", weise ich ihn an, kaum stehe ich auf und laufe los. Ich spüre sein Nicken, bevor er das Gesicht an meiner Schulter vergräbt.

Ich ignoriere die Blicke derjenigen, die noch nicht völlig betrunken sind, als ich durch den Flur laufe und vorsichtig die Treppenstufen hinunter steige. Ich halte den Jüngeren auf meinem Rücken gut fest, während ich mich durch die Leute quetsche und schliesslich endlich im Eingangsflur ankomme. Als ich mich auch durch das Treppenhaus in Stockwerk tiefer zum Ausgang des Wohnblocks gekämpft habe, atme ich erleichtert die frische Nachtluft ein.

Etwas umständlich krame ich meine Autoschlüssel aus meiner Hosentasche und schliesse den Wangen so auf, bevor ich Jungkook sanft abstelle, weiterhin stütze und die Autotür öffne. "Rein mit dir", murmle ich leise und drücke den Jüngeren sanft auf den Beifahrersitz, ehe ich ihn anschnalle und dann auf die Fahrerseite laufe.

Kaum habe ich mich gesetzt, sehe ich zu Jungkook und erkenne, wie dessen Schultern still und heimlich beben. Ebenfalls tropfen wieder Tränen auf seinen Schoss, wodurch ich alarmiert seinen Kopf zu mir drehe und in seine tränenden Augen blicke. "Kookie, was ist los?", frage ich besorgt und streiche ihm eine weitere, neue Träne beiseite. Er schnieft und wischt sich über die Augen.

"I-ich weiss nicht", weint er nuschelnd, "Ich l-liebe d-dich u-und ich bin d-dir so dankbar, T-tae." Ich sehe ihn bedrückt an, ehe ich mich zu ihm lehne und ihn in meine Arme nehme. "Du brauchst mir nicht zu danken. Ich würde das jederzeit für dich tun", flüstere ich und spüre, wie er nickt. "Sollen wir heimfahren?", schlage ich danach vor und ernte wieder sein Nicken.

Nach einigen weiteren Augenblicken lässt er von mir ab und lehnt sich zurück. "Da-Danke, dass du immer für mi-mich da b-bist", nuschelt er hörbar müde, bevor seine Augen gänzlich zuklappen und ich die Heimfahrt antrete. Es dauert um einiges länger, als wenn ich von Zuhause aus, zu ihm fahre, doch schlussendlich parke ich auf dem Platz vor seinem Wohnblock und stelle den Motor aus.

Ich schnalle mich ab und sehe zu Jungkook, der nach wie vor schläft.

Seine Worte kreisen in meinem Kopf, wie ein Lied, dass man auf Replay gestellt hat. Doch egal wie oft ich versuche, an etwas anderes zu denken, mein Hirn spielt bloss ab, was er gesagt hat.

Er ist sternhagelvoll und hätte weiss Gott andere Dinge, an welche er denken kann, aber nein. Er weint vor Dankbarkeit und sagt mir, dass er mich liebt. Seufzend mustere ich den schlafenden Jungen auf dem Fahrersitz, dessen Wimpern und Wangen noch ganz nass von all seinen Tränen sind.

In diesem Moment wird mir etwas klar; ich kann ihn nicht loslassen oder aufhören, mich um ihn zu kümmern. Ich kann einfach nicht, dafür bedeutet er mir zu viel.

Stripper [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt