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Jungkook

Ich warte auf der Parkbank, während Yoongi noch immer nicht aus dem Café auf der anderen Strassenseite gekommen ist, mit den zwei von ihm selbst versprochenen Americanos. Seufzend lege ich den Kopf in den Nacken und halte mich an der Sitzfläche der Bank fest, während ich hinauf in den Wolkenverhangenen, langsam dämmernden Himmel starre.

Einige Minuten sehe ich mir nur die weissen Wolken an, die aussehen wie pure Watte, ehe ich Yoongis belustigte Stimme höre: "Versuchst du Bilder darin zu erkennen?"

Erschrocken sehe ich geradeaus und erblicke den Schwarzhaarigen, mit seiner Fakebrille auf der Nase und in beiden Händen jeweils einen Americano. Er tut es mir gleich und sieht ebenfalls hinauf in den Abendhimmel, bevor er mich fragt: "Und? Konntest du was darin erkennen?"

Ich schüttle schweigend mit dem Kopf, während er mir einen der beiden Kaffees aushändigt, welchen ich mit einem leisen "Danke" entgegennehme. Ich überlege gar nicht und trinke sofort einen Schluck. Dementsprechend verbrenne ich mir auch kräftig die Zunge, woraufhin Yoongi mich lauthals auslacht.

Beleidigt rutsche ich zum anderen Ende der Bank, was ihn nur noch lauter lachen lässt. "Ach Kleiner!", prustet er und rutscht zu mir, um mir einen Arm um die Schulter zu legen. "Danke, dass du da bist, Yoongi", murmle ich seufzend und lege meinen Kopf auf seiner Schulter ab. "Dafür sind Freunde da", erwidert er schulterzuckend.

Schweigend geniessen wir den milden Abend, genauso wie den Kaffee und beobachten die letzten Menschen im Park. "Wenn mich etwas bedrückt, bin ich oft draussen", bemerkt der Ältere dann, "Die frische Luft leert den Kopf und es gibt so viele Dinge hier, die dich ablenken. Sogar nur, wenn du hier sitzt und in den Himmel starrst."

"Findest du?", frage ich leise nach und er nickt. "Probier's nochmal", lächelt er anschliessend, "Leg dich auf die Bank und starr zu den Wolken. Sag mir, was du sehen kannst."

Ich halte ihm meinen Americano hin, damit er ihn festhält und lege meine Füsse auf seinen Schoss, bevor ich mich gänzlich auf der Bank ausstrecke und hinauf in den fliederfarbenen Himmel sehe. Ich mache mir gar nicht die Mühe, Bilder zu suchen, stattdessen schaue ich nur den sich verfärbenden Wolken zu, wie sie über mir vorüberziehen und der Himmel immer dunkler wird.

"Du hast Recht", murmle ich leise, "Es lenkt ab." 

"Sagte ich doch", grinst der Schwarzhaarige selbstzufrieden, während ich mich aufsetze. Er hat seinen leeren Kaffeebecher inzwischen am Boden abgestellt, lässt es sich jedoch nicht nehmen, aus meinem zu trinken. "Hey!", rufe ich sofort und setze mich richtig hin, bevor ich nach dem Becher greife, den er von seinen Lippen nimmt, über die er sich grinsend leckt, und von sich streckt. "Ich hab das Ding bezahlt, mir steht auch einen Schluck von deinem Kaffee zu!", rechtfertigt er sich. Augenverdrehend lehne ich mich über ihn und lange nach meinem Kaffee, den er mich schlussendlich auch mit einem kleinen Lachen überreicht.

"Wieso bist du in keiner Beziehung? Du wärst sicher ein guter Freund", bemerke ich leise. Die Worte sind mehr an mich selbst gerichtet gewesen, doch er hört sie trotzdem. "Auf keinen Fall", lacht er, "Eine Beziehung ist nichts für mich. Ich bin Niemand, der gut in festen Dingen, dafür bin ich einfach nicht geschaffen. Ich bin ein glücklicher Single."

"Ist das nicht manchmal einsam?", will ich leise wissen. Er zuckt mit den Schultern. "Ich brauche keine Menschen, um mich herum. Gesellschaft ist schön, aber alleine zu sein ist ebenfalls sehr angenehm", murmelt er und schenkt mir dann ein Grinsen.

"Und überhaupt, mein Privatleben ist gerade sowieso unwichtig. Jetzt kümmern wir uns erstmal um deines."

"Sinnlos", seufze ich niedergeschlagen und trinke den letzten Schluck meines Americanos. "Lass dich überraschen", grinst er, "Ich würde die Hoffnung an deiner Stelle nicht so leicht aufgeben - nicht mit solchen Freunden."

Misstrauisch sehe ich den Älteren an, der mich eine halbe Stunde zuvor hinaus geschleppt hat. "Wovon redest du?", will ich wissen. Er zuckt mit den Schultern, aber dennoch umspielt das kleine Lächeln seine Lippen und steigert meine Neugier sofort.

Ich will schon den Mund öffnen, um ihn auszuquetschen, als ich links von mir die sanfte, tiefe Stimme hören kann: "Habt ihr lange gewartet?"

Ich versteife mich in nur einem Sekundenbruchteil und starre nach wie vor Yoongi an, der dem Neuankömmling ein Grinsen zuwirft, was mir sagt, dass er und vermutlich auch Hoseok, das Ganze hier eingefädelt haben müssen. "Wir hatten keine Langeweile, keine Sorge~"

Erst jetzt wage ich es, meinen Kopf zu drehen und hoch zu blicken, in die beiden, dunklen Augen, die meinen Blick suchen. "Taehyung?", hauche ich leise, voller Unglaube und habe das Gefühl, vor Aufregung schnürt sich mir die Kehle zu. Er lächelt schwach. "Hey", erwidert er.

Ich bin verwirrt. Was möchte er von mir? Seit wann redet er wieder mit mir? Gestern noch hat er mir sehr deutlich gemacht, dass er seine Ruhe vor mir haben möchte.

"Kann ich kurz mit dir reden? Fünf Minuten? Alleine?", fragt er und sieht beim letzten Wort zu Yoongi, der kapitulierend die Hände hebt. "Bin schon weg. Wir sehen uns in fünf Minuten", meint er und steht auf. "Man sieht sich, ihr zwei!" Mit diesen Worten spaziert er gelassen denselben Weg zurück, den wir gemeinsam gekommen sind. An seinem Platz lässt Taehyung sich nun nieder und spielt mit seinen Händen.

"Ich will mich entschuldigen", murmelt er. Meine Verwunderung wächst, genauso wie die Überraschung. "W-was- Du musst dich nicht entschuldigen! Wenn dann ich!", winke ich sofort ab, doch er schüttelt den Kopf. "Nein, Jungkook, hör mir zu", verlangt er leise und sieht in meine Augen. Ich nicke wortlos und er seufzt. 

"Ja, du hast mich verletzt. Das heisst nicht, dass ich das nicht genauso bei dir getan habe", erklärt er, "Ich habe Dinge gesagt und getan, die mir leid tun und für diese möchte ich um Verzeihung bitten. Ich war nur so... wütend und enttäuscht von dir... Ich wusste nicht, was ich tun soll und meine Reaktion war nicht die beste, ich weiss."

"Schon gut", bringe ich heiser hervor und er schenkt mir ein schwaches, erleichtertes Lächeln. "Ich nehme es dir nicht mehr übel, Jungkook", fängt er wieder an, "Ich schaffe es gerade nur nicht, dir das nötige Vertrauen entgegenzubringen. Bitte, sei mir nicht böse, aber... vorerst kann ich das alles nicht. Verzeih mir."

Ich nicke perplex. Selbst wenn das nicht das ist, was ich mir erhofft habe, ist es immerhin ein Anfang und das gibt mir Hoffnung. "Danke", murmelt er leise und steht auf, ohne mich weiter anzusehen.

"Bis dann", verabschiedet er sich und setzt sich in Bewegung. "W-warte!", halte ich ihn auf, springe ebenfalls auf die Füsse und bevor er reagieren kann, schlinge ich meine Arme um ihn. "Nur dieses eine Mal", bitte ich gegen sein T-Shirt und spüre, wie er tief einatmet und dabei seine Arme ebenfalls um mich legt.

"Es wird nicht lange dauern, versprochen. Gib mir nur etwas Zeit, Jungkook", flüstert der Ältere und ich nicke, bevor ich ihn wieder loslasse. Taehyung lächelt leicht und nimmt mein Gesicht in seine Hände, bevor er sich herablehnt, für einige Sekunden meine Stirn küsst und dann schliesslich geht.

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Nur so, damit mir hier keiner stirbt xD

Stripper [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt