2. Kapitel

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Ruggero

      »Guten Morgen«, begrüsse ich Karol, die sich neben mich fallen lässt. »Musstest du gestern noch lange bleiben?« Belustigt sehe ich sie an.
      »Ja«, antwortet sie und gähnt. Sie scheint müde zu sein. Dann lässt sie ihren Kopf auf die Tischplatte fallen. Schmunzelnd schüttele ich meinen Kopf. Während Karol vor sich hin döst, führen Michael und ich unser Gespräch fort. Doch im nächsten Moment kommen Jorge und Martin auf uns zu. Auch sie begrüssen wir mit einem »Guten Morgen« Ich tippe Karol leicht auf die Schulter, woraufhin sie den Kopf aufrichtet und den Regisseuren ihre Aufmerksamkeit widmet.
      »Ihr wisst, welche Szenen heute dran sind, oder?«, fragt Jorge. Bestätigend nicken wir. »Gut, dann beginnen wir mit dir, Ruggero.« Er wirft einen kurzen Blick auf den Drehplan und runzelt die Stirn. Bis er das gefunden hat, was er finden wollte und dann zu Karol sieht. »Du kannst auch gleich mitkommen.« Zusammen folgen wir ihnen dorthin, wo die ganzen Stehtische vom Jam and Roller stehen. Vor einem der Tische stehen schon diverse Leute herum und legen irgendwelche Kabel an die richtige Position.
      »Luna und Matteo reden über das Schulprojekt von Luna«, erklärt er uns noch einmal. Zusammen positionieren wir uns hinter den Tisch und warten, bis alles eingerichtet ist.
      »Ruhe bitte!«, ruft Martin. Augenblicklich wird es still.
      »Ton ab!«
      »Läuft.«
      »Kamera ab!«
      »Läuft.«
Die Klappe schlägt vor der Kamera zu und ich blicke zu Karol, die in diesem Moment auch zu mir blickt. Kurz schliesst sie die Augen und atmet noch einmal tief ein. Das macht sie immer.
      »Action!«, höre ich und beginne meinen Text zu sagen.
      »Was willst du denn als Thema nehmen?«, frage ich.
      Einen Moment lang starrt mich Karol an, bis sie frustriert den Kopf schüttelt. »Ich weiss es nicht«, sagt sie und stützt ihren Kopf auf ihren Händen ab. »Wenn ich aber nicht bald ein Thema habe, dann habe ich zu wenig Zeit, um das ganze Schulprojekt zu machen und dann bekomme ich eine schlechte Note und meine Eltern werden mir nicht erlauben auf die-«
      Ich unterbreche ihren Redeschwall. »Lieferfee, beruhig dich«, sage ich sanft und nehme ihre Hand. »Du schaffst das.« Sie sieht zu unseren verschränkten Händen und dann wieder zu mir. »Ausserdem hast du die Hilfe von einem ausserordentlich guten Schüler«, füge ich grinsend hinzu. Augenblicklich verdreht sie die Augen.
      »Du gehst nicht mehr zur Schule.«, erinnert sie mich ebenfalls lächelnd daran. Ich zucke mit den Schultern. »Ja, und? Ich bin trotzdem die beste Hilfe, die du je haben könntest.« Kaum habe ich diesen Satz beendet, höre ich ein »Cut!«, und drehe mich zu Martin um. »Karol, Luna ist sich ihrer Gefühle nicht sicher«, gibt er seine Anweisung und Karol nickt. Ich sehe auf unsere Hände, die immer noch miteinander verschränkt sind. Langsam ziehe ich meine Hand weg und stehe so hin, wie ich am Anfang gestanden bin.
      Nachdem wir noch ein paar weitere Szenen gedreht haben, muss Karol noch einige mit Michael zusammen drehen. Ich sollte mich währenddessen umziehen. Im Moment sind wir fast am Ende mit den Dreharbeiten zur zweiten Staffel. Danach haben wir ein paar Wochen Pause, in denen wir aber sehr viel unterwegs sind. Fotoshootings, Interviews und weiteres. Im Anschluss ist dann die Soy Luna Tour, auf die ich mich sehr freue. Ich schüttele meine Gedanken ab und ziehe mir meine Skates an. Ich muss noch eine Szene mit Karol drehen, in der wir miteinander auf der Skatebahn tanzen. Und dann noch Eine, in der ich mit ihr und Michael rede. Im Grossen und Ganzen kein anstrengender Tag. Ein paar Kameramänner positionieren schon die Kameras, weshalb ich schnell auf die Skatebahn gehe und ein paar Runden fahre. Grundsätzlich sind es keine schwierigen Sprünge, die ich später machen muss.
      Nach einigen Minuten kommen auch schon Karol und Michael, auch umgezogen und mit ihren Skates, um die Ecke. Ich fahre zu ihnen und lege Michael eine Hand auf die Schulter. »Du siehst heute aber auch nicht so gut aus.« Gerade als er etwas darauf erwidern will, stösst Karol ein gespielt empörtes Schnauben aus.
      »Was heisst hier auch?« Mit verschränkten Armen sieht sie mich an. Ein verschmitztes Grinsen platziert sich auf meine Lippen.
      »Da musst du dich jetzt schon selber wieder retten«, flüstert mir Michael grinsend zu. Ich lache los und auch Karol steigt in mein Lachen ein.
      »Karol? Ruggero? Kommt!«, werden wir gerufen.
      Michael wirft mir noch einen vielsagenden Blick zu. »Und versuch nicht umzufallen!«, ruft er, während er auf der Tribüne Platz nimmt. Er spielt damit auf letzte Woche hin, wo ich umgefallen bin. Seitdem erwähnt er es bei jeder Möglichkeit, die sich ihm bietet.
      »Ja, ja«, murmele ich und folge Karol auf die Bahn, wo uns der Trainer erwartet.
      »Könnt ihr die Choreo?«, fragt er. Skeptisch sehe ich zu Karol rüber, die ebenfalls nicht wirklich überzeugt aussieht. Er zieht seine Augenbrauen hoch, lächelt dann aber. »Also los!«, sagt er, doch wir bleiben an Ort und Stelle stehen. Angestrengt überlege ich, wo wir letztes Mal angefangen haben. Eigentlich hätten wir diese Szene schon letzte Woche drehen müssen, jedoch kam irgendetwas dazwischen und sie wurde auf heute verschoben. Darum weiss ich die Choreo auch nicht mehr. Frustriert lässt unser Trainer seinen Kopf hängen. »Vorne rechts«, weist er uns daraufhin. Wir fahren dorthin und unser Trainer gibt uns eine Reihe von Anweisungen, die ich alle auf einmal in mich aufnehme.
      »Und jetzt los!«, ruft er, als er fertig ist. Karol wirft mir einen verlorenen Blick zu, den ich mit einem Grinsen quittiere. Jetzt sieht sie noch verlorener aus, doch bevor ich noch etwas sagen kann, beginnt er im Takt zu zählen. »Fünf, sechs, sieben, acht«
      Wir fahren nebeneinander los. Nach einigen Metern nehme ich ihre Hand und drehe sie ein paar Mal. Wie viele Male waren es noch einmal?
      »Stopp!«, rufen Karol und der Trainer gleichzeitig. »Wenn du mich noch einmal so oft drehst, dann kann ich dir versichern, dass ich auf dich draufkotze.« Aus reinen Schutzmassnahmen gehe ich ein paar Schritte zurück, woraufhin sie beginnt zu Lachen.
      »Nur einmal drehen«, sagt der Trainer und ich nicke. 

Ruggarol - Verlorene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt