Ruggero
Karol dreht sich zu mir und erwidert meinen Blick mit einer gewissen Verwirrung. Ich wende mich wieder ab und nicke. Agustin hat mir gerade etwas gesagt, aber ich habe ihm nicht zugehört, weshalb ich einfach nicke.
»Wie ja?«, fragt nun auch Jorge.
Ich runzele meine Stirn. »Was ja?«
Sie tauschen einen kurzen Blick aus. »Agus hat dich gefragt, ob du dir wieder etwas mit Karol vorstellen könntest und du hast ja gesagt«, teilt mir Jorge mit. »Und nach einem ja sieht das nicht aus.« Grinsend wirft er einen kurzen Blick zu Karol rüber.
»Ich habe euch nicht zugehört«, rechtfertige ich mich.
Agustin verdreht die Augen. »Weil du auch damit beschäftigt warst Karol anzustarren.«
»Können wir bitte da Thema wechseln?«, frage ich leicht gereizt und werfe ihnen warnende Blicke zu.
»Will jemand von euch mitkommen?«, wendet sich Lio an uns.
»Wo?«, fragen wir alle drei gleichzeitig.
»Die Stadt erkundigen?«, fragt er, als wäre es das selbstverständlichste der Welt.
Jorge und Agus lehnen beide ab. Mir würde etwas Ablenkung wahrscheinlich gut tun. Also mache ich mich mit Lionel und Gaston auf den Weg. Wohin weiss ich immer noch nicht.
Wir haben ein paar Fotos zusammen gemacht und uns dann schliesslich in einem Café niedergelassen. Es haben uns überraschend viele erkannt, weshalb wir nicht so schnell vorwärts kamen, wie wir vermutet hatten. Jetzt sitzen wir in einem etwas abgelegenen Café und schlürfen an unseren kalten Getränken.
Gaston lehnt sich zurück und schüttelt fassungslos den Kopf. »Krass, wie schnell ein Monat vergangen ist.«
Zustimmend nicke ich und lasse meinen Blick über die verschiedenen Besucher schweifen. Links von uns sitzen ein paar Geschäftsmänner, die eine hitzige Diskussion über etwas führen. Etwas weiter hinten blättert ein Mann in einer Zeitung herum. Sein Gesicht sieht man kaum, da er sich die Kappe so tief runter gezogen hat, dass man nichts sehen kann.
Plötzlich geht die Tür auf. Eine Frau, die etwas jünger als ich sein müsste, betritt das Café. Es scheint, als würde sie mit ihrer Ausstrahlung alle Blicke auf sich ziehen. Gut, es sitzen nur sechs Leute hier, aber immerhin.
Nach ein paar Sekunden stelle ich fest, dass sie praktisch eine Kopie von Karol ist. Die gleichen leicht gewellten Haare, die in einem braun strahlen. Die gleichen grünen Augen, die mir jedes Mal den Atem rauben. Nur, dass sie einen Kopf grösser als Karol ist.
Sie schreitet an uns vorbei und setzt sich an einen Tisch, der neben uns ist. Kurz lächelt sie mir zu, wendet ihren Blick aber gleich wieder ab. Nachdem ich mich ebenfalls abwende, merke ich, dass ich auf jeden Fall Koffein brauche, um diesen Tag zu überstehen. Da weit und breit kein Kellner zu sehen ist, stehe ich nach einer kurzen Erklärung auf und gehe auf die Bar zu.
Ein paar Minuten später, stellt mir der Mitarbeiter mit einem mürrischen Gesichtsausdruck einen Café auf den Tresen und verschwindet gleich wieder. Er scheint heute nicht seinen besten Tag zu haben. Mit Bedacht, nichts zu verschütten, laufe ich langsam wieder auf unseren Tisch zu. Plötzlich kracht jemand von der Seite in mich rein. Mein Café schwappt leicht über den Rand, jedoch leert er nicht aus. Glück muss man haben.
Ich sehe zur Seite und entdecke die Frau, die vorher reingekommen ist. Ihre Hand hält sie vor ihren Mund und sieht mich entschuldigend an. »Tut mir leid. Ich habe dich nicht gesehen.«
Wenn ich könnte, würde ich mit einer Hand abwinken. »Kein Problem.« Sogar ihr Verhalten erinnert mich an Karol.
»Naja, schönen Tag noch«, wünscht sie mir und stolziert auf den Eingang zu. Ich sehe ihr noch nach, bis sie in der Menschenmenge untergetaucht ist und führe meinen Weg weiter fort.
Angekommen begegne ich den misstrauischen Blicken von Lio und Gaston. »Ja?«, frage ich ebenfalls skeptisch und setze mich langsam hin.
»Kennst du sie?«, fragt mich Lio.
Ich runzele meine Stirn und schüttele langsam meinen Kopf, während ich mir Zucker in den Café schütte.
»Komisch«, murmelt Gaston. »Sie ist extra in dich reingelaufen.«
Meine Augenbrauen schiessen in die Höhe.
»Ja«, beteuert Lio. »Sie hat dich die ganze Zeit angestarrt und als du zurückkommen wolltest, ist sie aufgestanden und in dich reingelaufen.«
Grinsend sehe ich zwischen ihnen her. »Als ob.«
»Sie ist ja sogar ohne etwas zu bestellen rausgegangen.« Ich sehe kurz zu ihrem Tisch, an dem sie vorher gesessen ist und stelle fest, dass wirklich nichts dort liegt.
Trotzdem schüttele ich den Kopf. »Leute, ihr seht Geister.«Am nächsten Morgen versammeln wir uns alle zusammen am Frühstücksbuffet. Karol steht direkt vor mir. Heute sieht sie wieder einigermassen ausgeschlafen aus. Trotzdem gähnt sie jede zwei Minuten und schafft es kaum aufrecht zu stehen.
Sie nimmt sich ein Brötchen aus dem Korb und schlurft langsam zum nächsten Tisch. Besorgt sehe ich ihr hinterher. Als wir gestern wieder in unserem Hotelzimmer angekommen sind, habe ich ebenfalls versucht Karols Mutter anzurufen. Aber es ging nur die Mailbox dran. Langsam beginne ich mir ernsthafte Sorgen zu machen. Wer weiss, was mit ihr passiert ist? Aber wenn es irgendetwas mit der Polizei zu tun hätte, dann hätten sie Karol doch längst benachrichtigt, oder nicht?
Ich verschiebe die Gedanken auf später und setze mich an einen Tisch, neben Agus. Er sieht sehr schlimm aus. Und mit sehr schlimm, meine ich sehr schlimm. »Hast du diese Nacht überhaupt geschlafen?«, frage ich und unterdrücke ein Grinsen.
Mit zusammengekniffenen Augen sieht er mich an. »Hm«, macht er,
»Aha«, antworte ich. Kurz werfe ich einen Blick auf den Tisch und dann auf das Buffet. Die meisten stehen sowieso noch dort. »Ist es wegen Caro?«
Er zuckt zusammen und wendet seinen Blick ab. Zwischen den Beiden ist in letzter Zeit irgendetwas gelaufen. Was, kann man jedoch noch nicht feststellen.
»Erzähl. Was ist passiert?«, fordere ich ihn auf.
Auch er wirft einen kurzen Blick zu den Anderen, bevor er sich mir zuwendet. »Wir haben uns geküsst«, nuschelt er so schnell, dass ich mich echt anstrengen muss, etwas zu verstehen.
Fragend sehe ich ihn. »Und warum ziehst du dann so ein Gesicht?«
»Keine Ahnung.« Tröstend lege ich ihm eine Hand auf die Schulter.
»Das wird schon.« Wieder brummt er irgendetwas vor sich hin, das ich nicht verstehe.
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Ruggarol - Verlorene Erinnerungen
FanfictionKarol und Ruggero sehen einander als beste Freunde. Doch was passiert, wenn sich die Sichtweise der Beiden plötzlich verändert? Zwischen unzähligen Interviews und Terminen muss Karol noch einen Deal mit einem Regisseuren einhalten. Der merkwürdige F...