43. Kapitel

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Karol        

Wirre Stimmen, die wild durcheinander reden, dringen zu mir durch. Stöhnend drehe ich mich auf die andere Seite und ziehe mir die Decke über den Kopf. Plötzlich verstummt alles und ich drehe mich wieder zurück. Langsam mache ich meine Augen auf und blicke in besorgte Gesichter. Ich brauche einen Moment bis ich begreife, dass sie alle mich anschauen.
      Mit einer Handbewegung streiche ich mir die Haare aus meinem Gesicht und gähne hinter hervorgehaltener Hand.
      Katja, Carolina, Michael und Lionel sitzen auf Caros Bett, welches gegenüber von meinem ist und verfolgen jede meiner Bewegungen. Zufälligerweise sind Lionel und Michael genau die, die eine Reihe hinter uns ihre Betten haben und immer beim Schlafen den Vorhang zu schliessen. Carolina ist gegenüber von mir und Katja schläft über mir. Ein furchtbarer Gedanke kommt mir auf.
      Langsam kommen mir die Erinnerungen. Wie Ruggero mich getröstet hat und ich schliesslich eingeschlafen bin. Die Hitze schiesst mir in den Kopf, aber dennoch besteht immer noch diese Ungewissheit, was mit meiner Mutter ist. Ob David Ruiz ihr etwas angetan hat? Bei diesem Gedanken zieht sich ein Schauer über meinen Rücken. Schnell schiebe ich meine Intuitionen beiseite und setze mich langsam auf. Ich will gar nicht wissen, wie ich in diesem Moment aussehe.
      »Was ist los?«, frage ich und versuche ein möglichst glaubwürdiges Lächeln auf meine Lippen zu bringen.
      Sie tauschen einen Blick untereinander aus, was mich die Stirn runzeln lässt. Was soll das? »Karol«, beginnt Katja langsam.
      »Du kannst immer mit uns reden, wenn irgendetwas ist«, fährt Caro fort.
      Bevor die anderen zwei noch etwas sagen können, falle ich ihnen ins Wort. Ich höre den Rest unserer Gruppe hinter dem Vorhang ein hitziges Gespräch führen. »Ihr habt es gehört?«, frage ich und blicke nervös auf die Bettdecke.
      Alle nicken langsam.
      »Tut mir leid«, sage ich, da ich mich echt schuldig fühle, dass sie sich meinetwegen Sorgen machen. »Ich wollte nicht, dass ihr euch um mich So-«
      »Ist das dein Ernst?«, unterbricht mich Lio. »Karol, wir sind deine Freunde. Du musst dich doch nicht entschuldigen.« Michael nickt bestätigend und sieht mich eindringlich an.
      Wieder senke ich meinen Blick, jedoch kann ich ein Lächeln nicht unterdrücken. Ein Glücksgefühl macht sich in meinem Magen bemerkbar. Es ist unglaublich so tolle Freunde zu haben.
      »Ich wollte zuerst zu dir kommen, aber dann ist Ruggero ja«, Caro stösst Michael mit einem Ellbogen an, doch er scheint nichts zu merken, »gekommen«, beendet er seinen Satz.
      Ich presse meine Lippen aufeinander. Es tut weh zu wissen, dass er nur gekommen ist, weil er Mitleid mit mir hatte. Er ist nicht gekommen, weil er mich liebt. Trotzdem war es ein schönes Gefühl in seinen Armen zu sein.
      »Und jetzt geht. Das sind Frauenprobleme.« Carolina verscheucht Michael und Lio mit einer Handbewegung. Es sieht so aus, als würde sie zwei lästige Fliegen verscheuchen, was mir ein Grinsen entlockt.
      Ohne sich dagegen zu wehren, schlüpfen sie hinter den Vorhang zu den Anderen. Ich höre, dass alle verstummen und sie ihren Ton leicht senken. Oh Gott, alle wissen es. Noch mehr mitleidige Blicke ertrage ich nicht.
      »Er liebt dich immer noch«, sagt Katja. »Das ist dir schon bewusst, oder?«
      Ich schüttele meinen Kopf. Unsere Trennung liegt nun mehr als einen Monat zurück. Er liebt mich bestimmt nicht mehr.
      »Karol« Eindringlich sieht Carolina mich an. »Ich weiss zwar nicht, was zwischen euch vorgefallen ist und du musst es mir auch nicht sagen«, sie holt kurz Luft, »aber alleine schon, wie er dich ansieht.« Ein schwärmerischer Ausdruck erscheint auf ihrem Gesicht, der gleich so schnell verschwindet, wie er gekommen ist.
      Ein Grinsen kann ich mir nicht verkneifen. Ich weiss genau, dass zwischen ihr und Agus irgendetwas läuft. Ich habe sie auch schon oft darauf angesprochen, aber sie ist mir jedes Mal ausgewichen.
      Sie bemerkt meinen Blick und stöhnt. »Denk nicht daran«, ermahnt sie mich, woraufhin ich beginne zu lachen.
      »Geht schon mal zu den Anderen. Ich ziehe mich noch schnell um.« Beide werfen mir noch einen letzten Blick zu, bevor sie ebenfalls hinter dem Vorhang verschwinden.
      Keine Ahnung wie viele Stunden später, halten wir vor einem Hotel in Mexiko. Meine Sorgen sind mit einem Mal vergessen. Es ist schön, wieder einmal in seinem Heimatland zu sein.
      Grinsend nehme ich meinen Koffer entgegen und steuere hinter den Anderen auf den Eingang zu. Die Koffer werden uns abgenommen und wir werden auf unterschiedliche Zimmer verteilt. Wir sind sieben Mädchen, also müssen wir uns in zwei Gruppen aufteilen. Es gibt ein Zimmer mit drei Betten und logischerweise eins mit vier Betten. Wir einigen uns darauf, dass ich ein Zimmer mit Ana und Chiara beziehen werde.
      In unserem Zimmer staune ich nicht schlecht. Jede von uns hat ein eigenes kleines Zimmer mit allem nötigen drinnen. Ein Bett und einen Schrank. Das ist denke ich, genug. Das Badezimmer ist auch recht gross.
      Kaum habe ich mir meine Schuhe angezogen, lege ich mich auf das Bett und schlafe ein.
      Als ich wieder aufwache, höre ich keine Geräusche. Ich stutze. Wo sind denn Ana und Chiara? Langsam stehe ich auf und werfe einen kurzen Blick in ihre Zimmer rein. Niemand da. Ich nehme mein Handy zur Hand und entdecke eine Nachricht von Ana.

Wir sind mit den Anderen unten im Hotelrestaurant. Tut uns leid, wir wollten dich nicht aufwecken.

Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Schnell mache ich mich frisch und rausche die Treppe runter. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wo dieses Restaurant ist.
      Nach einigen recht verwirrenden Gängen, erblicke ich den Kopf von Jorge. Alle sitzen auf der Terrasse und unterhalten sich.
      Als mich manche bemerken, lächeln sie mir zu und wenden sich dann wieder ihren laufenden Gesprächen zu. Ich setze mich neben Valentina und betrachte die Aussicht. Es ist wirklich wunderschön hier. Automatisch wandern meine Gedanken zu meiner Mutter. Vielleicht ist ihr Handy kaputt? Oder sie hat meine Nachrichten und all meine Anrufe nicht bekommen? Nein, eher unwahrscheinlich.
      »Gut geschlafen?«, fragt Valentina mich und stupst mich mit ihrem Ellbogen an.
      Theatralisch nicke ich. »Die Matratze ist echt bequem, das muss ich sagen.«
Wir grinsen uns beide an, bis ich einen Blick auf mir wahrnehme.

Ruggarol - Verlorene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt