17. Kapitel

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Karol                   

Langsam mache ich meine Augen auf und finde mich in der Dunkelheit wieder. Verwirrt runzele ich meine Stirn und reibe mir mit meinen Händen die Augen. Gerade als ich mich auf die andere Seite drehen will, merke ich, dass mich etwas dabei aufhält. Mein Bauch wird von einem Arm gehalten, der ziemlich fest um mich umschlungen ist. Ich erstarre mitten in der Bewegung.
      Langsam hebe ich meinen Arm, um über meinen Kopf zu tasten. Meine Hand landet mitten in einem Gesicht. Schnell ziehe ich sie zurück und halte meinen Atem an. Es ertönt ein brummen, das eindeutig von Ruggero stammt. Ein riesen Stein fällt mir vom Herzen. Wer sollte sonst mit mir in einem Bett liegen? Wieder versuche ich mich zu drehen, dich erfolglos. Wie kann man im Schlaf so eine Kraft aufbringen? Ich versuche es noch ein paar weitere Male, bis ich aufgebe.
      Plötzlich ertönt ein verschlafenes Lachen von hinten. »Karol, wenn du so weitermachst, kann ich für nichts garantieren.« Jetzt erst wird mir bewusst, dass ich schon eine ganze Zeit lang mit meinem Hinterteil an seinem Geschlechtsteil reibe. Vor Scham laufe ich rot an, was man in der Dunkelheit Gott sei Dank nicht sieht. Aus Reflex versuche ich noch einmal mich wegzudrehen, was die Situation noch einmal verschlimmert. So etwas kann wirklich nur mir passieren.
      »Karol«, brummt er und stöhnt kaum merklich auf. Endlich löst er seinen Arm und ich kann mich endlich drehen. Ich drehe mich so, dass ich mit meinem Gesicht nur einige Millimeter von seinem entfernt bin. Kaum merklich spüre ich seine gleichmässigen Atemzüge.
      »Wieso bist du wach?«, fragt er und stützt sich mit einem Arm auf. Ahnungslos zucke ich mit meinen Schultern und beginne zu Grinsen. »Ich habe keine Luft mehr bekommen.« Fast schon empört atmet er aus und sieht mich an. Trotz der Dunkelheit habe ich das Gefühl, als würden seine Augen leuchten. Unwillkürlich fallen mir langsam meine Augen zu und ich falle erneut in einen tiefen Schlaf.
      »Karol!«, vernehme ich Ruggeros Stimme. Jedoch erscheint sie mir so weit von mir entfernt. »Karol, steh auf.« Fast schon schroff rüttelt er an meiner Schulter. Stöhnend drehe ich mich auf die andere Seite und werfe mir die Decke über den Kopf, da die Sonne in vollen Strahlen in das Zimmer scheint.
      »Lass mich in Ruhe.« Nach diesem Satz höre ich ihn nicht mehr und lasse meinen Kopf mit einem leichten Lächeln wieder in das Kissen fallen.
      Nach einigen Minuten, in denen ich im Halbschlaf lag, höre ich, wie die Türe aufgeht. Ich verharre in meiner Bewegung und spanne sämtliche Muskeln in meinem Körper an. Mein Rücken ist zu der Tür gedreht, weshalb ich nicht sehen kann, wer rein gekommen ist.
      Gerade als ich mich dazu entschliesse einen Blick nach hinten zu wagen, setzt sich jemand hinter mich. Die Matratze wird herunter gedrückt und ich rolle wie automatisch auf die andere Seite. Ich schlage mit meiner Stirn gegen ein paar Beine, woraufhin ein Lachen ertönt. Mein Blick richtet sich nach oben, wo ich auf Ruggeros Gesicht treffe.
      »Du hast mich erschreckt«, sage ich, bevor ich von einem Gähnen eingeholt werde.
      »Tut mir leid Madame, aber ich gerade vom Frühstückssaal gekommen.« Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er mich an und scheint auf eine Reaktion meinerseits zu warten, die jedoch nicht kommt.
      Bis die Information langsam zu mir durchsickert. »Frühstück?«, frage ich aufgebracht und schlage die Decke zurück. Ich richte mich so schnell auf, dass mir schwarz vor Augen wird. Langsam lehne ich mich zurück und lege meine Hand vor die Stirn. Als die Sternchen vor meinen Augen verschwunden sind, mache ich sie wieder auf und blicke in Ruggeros besorgtes Gesicht.
      »Geht es dir gut?«, fragt er und runzelt die Stirn.
      Ich nicke und mache eine abwerfende Handbewegung. »Ja, mir wurde nur schwindelig.« Ich fixiere ihn mir zusammengekniffenen Augen. Misstrauisch wandert sein Blick in meinem Gesicht herum. »Wieso hast du mich nicht aufgeweckt?« Ich verschränke meiner Arme vor meiner Brust, lasse meinen Blick jedoch nicht von ihm ab. Seine Gesichtszüge entspannen sich und er bringt ein halbherziges Lächeln zustande.
      »Denkst du wirklich, ich würde ohne dich Essen gehen?« Sein gespielt geschockter Gesichtsausdruck dabei ist so lustig, dass ich mich kaum mehr halten kann vor Lachen. »Aber wenn du noch mit mir Essen willst, dann beeil dich.«
      Ich nicke und stehe schnell auf.
      »Ausserdem habe ich dich geweckt!«, ruft er mir noch hinterher. Ich ignoriere ihn gekonnt und schlurfe langsam aus dem Zimmer.
      In Rekordzeit dusche ich, mache meine Haare und ziehe ich mich um. Als ich wieder in das Zimmer eintrete, in dem wir schlafen, liegt Ruggero tiefenentspannt auf dem Bett und ist in sein Handy vertieft. Kurz räuspere ich mich, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, doch sein Blick klebt an seinem Handy. Dieses Mal räuspere ich mich lauter und er wendet endlich seinen Blick von dem Handy ab.
      Skeptisch betrachtet er mich. »Schon fertig?« Ich nicke und drehe ihm den Rücken zu. Zuerst stresst er mich und dann soll auch noch ich auf ihn warten? Schnell ziehe ich mir meine Schuhe an und drücke die Türklinke runter. Jedoch war ich nicht genug schnell und Ruggero tritt neben mich. Seufzend trete ich heraus und folge ihm durch die gefüllten zwanzig Gänge. Gestern war ich recht müde, weshalb ich mich nicht wirklich auf den Weg geachtet habe.
      »Haben wir heute irgendetwas?«, frage ich ihn, während wir nebeneinander herlaufen. Er runzelt kurz die Stirn, schüttelt dann aber den Kopf. Sein Mund verzieht sich zu einem Grinsen. »Du hast es vergessen, oder?« Angestrengt überlege ich, was heute anstehen könnte.
      »Welches Datum haben wir heute?«
      »Zwanzigster«, antwortet er und hält mir die Tür auf, die zu einer grossen Eingangshalle führt. Es macht Klick in meinem Kopf und ich sehe ihn glücklich an.
      »Erfasst?« Ich nicke und setze mich auf den Stuhl, zudem er mich geführt hat. Meine Mutter wird heute ebenfalls nach Deutschland kommen. In den letzten Tagen habe ich sie unheimlich vermisst, weshalb ich mich jetzt unheimlich darauf freue sie endlich wieder zu sehen.
      »Wie lange bleiben wir überhaupt noch hier?«, frage ich schon meine nächste Frage. Ruggero deutet mir mit einem Kopfnicken, dass wir aufstehen müssen, um das Essen zu holen. Ich folge ihm und hefte mich dicht an seine Fersen.
      »Vier Tage, glaube ich.« Vier Tage mit Ruggero in einem Zimmer. Mein Herz macht bei diesem Gedanken ein Sprung. Bis ich mir die Frage stelle, die ich bis jetzt verdrängt habe. Was ist das zwischen mir und Ruggero?

Ruggarol - Verlorene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt