51. Kapitel

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Karol   

Nacheinander kommen Menschen rein, die sich wirklich freuen, dass ich aufgewacht bin. Natürlich tut es mir dann immer leid, ihnen sagen zu müssen, dass ich mich nicht an sie erinnere. Die Ärzte haben mir aber mitgeteilt, dass die Erinnerungen im Laufe der nächsten Monate wieder auftauchen könnten.
      Sie haben mir alle Geschenke mitgebracht und sich überfürsorglich um mich gekümmert. Auf meine Frage hin, bei was für einer Serie ich denn mitspiele, haben sie mir ausführlich erklärt, um was es geht. Erstaunlich schnell konnte ich mich mit ihnen anfreunden.
      Leider mussten sie dann auch gehen. Jetzt stehen nur noch ein Junge und ein Mädchen neben meinem Bett. Sie scheinen ein Paar zu sein. Meine Vermutungen bestätigen sich auch, als das Mädchen, das den Namen Carolina trägt, ihm einen kurzen Kuss gibt und dann nach einem kurzen Winken aus dem Zimmer geht.
      »Gaston?«, frage ich.
      Lächelnd schüttelt er den Kopf. »Nein, das ist der mit den schwarzen Haaren. Ich bin Agustin.«
      Ich nicke und warte gespannt darauf, was er mir zu sagen hat.
      »Also heute Morgen war doch jemand da, oder?«, beginnt er.
      Wieder nicke ich und ziehe fragend meine Augenbrauen in die Höhe. »Ja.«
      »Sagt dir der Name Ruggero etwas?«
      Stirnrunzelnd schüttele ich meinen Kopf. »Heisst der, der heute am Morgen da war also so?«
      Er nickt. »Und du kannst dich nicht an ihn erinnern? Hat er dir heute Morgen nichts erzählt?«
      Langsam machen mir seine Fragen etwas Angst. Zudem ich ihn noch nicht richtig kenne und er sie mit so einer ernsten Miene fragt, dass es mir so vorkommt, also ginge es um Leben oder Tod. »Nein«, erwidere ich deshalb. »Er hat nichts erzählt und ich erinnere mich auch nicht an ihn.«
      Seufzend steht er auf und presst seine Lippen aufeinander. »Okay, entschuldige, falls ich dich bedrängt habe.« Ich winke ab. »Dann wünsche ich dir noch einen schönen Abend.«
      »Danke, gleichfalls«, erwidere ich und sehe ihm noch nach, bis er den Raum verlässt.
      Dann lehne ich mich nach hinten und seufze. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die Dreharbeiten. Mit dem zu vergleichen, was sie mir erzählt haben, scheinen wir am Set echt Spass gehabt zu haben. Es ist schade, dass ich mich nicht daran erinnern kann, aber ich sollte es positiv sehen. Ich kann jetzt sozusagen einen Neuanfang wagen.

In den nächsten Tagen werde ich entlassen und darf nach Hause gehen. Immer wieder frage ich meine Mutter, wie es zu meinem Unfall kam, aber sie will es mir nicht erzählen, also verdränge ich die Gedanken daran wieder und versuche mich in meinem Alltag zurechtzufinden.
      Als ich das Haus betrete, kommt es mir bekannt vor. Ein paar kleine Änderungen, aber damit kann ich leben. Die Ärzte haben mir mitgeteilt, dass sie nicht genau wissen, ab welchem Zeitpunkt meine Erinnerungen nicht mehr da sind. Als sie mich aber gefragt haben, wie alt ich bin und ich geantwortet habe, dass ich vierzehn bin, schätzen sie es auf drei bis vier Jahre. Ebenfalls haben sie mir gesagt, dass ich mich auf starke Kopfschmerzen, Ohrensausen und einen verminderten Geschmacks- und Geruchssinn einstellen muss. Dazu kommen noch Sprachstörungen, Persönlichkeitsveränderungen, vermindertes emotionales Rektionsvermögen und eingeschränkte Koordinationsfähigkeit, was Tollpatschigkeit bedeutet.
      Langsam steige ich die Treppe zu meinem Zimmer rauf, dicht gefolgt von meiner Mutter. Nachdem ich mein Zimmer betrete, staune ich nicht schlecht. Aber auch hier hat sich nicht wirklich viel verändert.
      Ich lege mich auf mein Bett und seufze.
      »Karol?«, fragt meine Mutter leise.
      Skeptisch richte ich mich auf. »Ja?«, erwidere ich und ziehe es leicht in die Länge.
      »Wahrscheinlich haben dich schon deine Freunde gefragt, aber ich werde dich noch einmal fragen.« Eindringlich sieht sie mich an. »Erinnerst du dich an Ruggero?«
      Stöhnend lasse ich mich wieder nach hinten fallen. »Wieso fragen mich das alle?« Meine Mutter scheint etwas darauf erwidern zu wollen, aber ich unterbreche sie. »Nein, ich erinnere mich nicht an ihn und er hat mir auch nichts erzählt.«
      Sie nickt und setzt sich neben mich.

In den nächsten Wochen setzen wir uns ein paar Mal mit den Regisseuren der Serie zusammen und besprechen unser weiteres Vorgehen. Da es dort auch um Rollschuhfahren geht, sind sie dafür, dass ich einige Wochen ein Training belegen soll. Ich erinnere mich jedenfalls an keine einzige Schrittfolge. Aber sie sind zuversichtlich. Sie scheinen recht nett zu sein und meine Befürchtungen, dass sie mir Böse sein könnten, haben sie lachend verneint.
      Jetzt sitze ich hier und gehe auf meine sozialen Plattformen. Ich staune nicht schlecht, als ich sehe, dass ich auf Instagram über Drei Millionen Abonnenten habe.
      Zum Glück konnte ich meine Passwörter mit meiner E-Mail Adresse zurücksetzen, sonst wäre ich gar nicht in all die Accounts reingekommen.
      Tag für Tag sehe ich mir meine Youtubevideos durch, um mehr über mich selber zu erfahren. Es ist unglaublich, wie eine grosse Fanbase sich in den letzten Jahren angebaut hat. Allein schon wie viele Menschen vor dem Krankenhaus gestanden sind, und auch mich gewartet haben, war überwältigend.
      In den ersten Tagen habe ich auf meinen sozialen Netzwerken nur einen kurzen Blick darauf geworfen. Jetzt nehme ich mir vor, alles konzentriert durchzusehen. Zudem ich erstmal überhaupt begreifen muss, wie man diese App benutzen muss.
      Wieder einige Tage später habe ich den Dreh raus und schaue mir alte Fotos an. Auf vielen entdecke ich die, die mich auch besucht haben. Aber auch Menschen, an die ich mich überhaupt nicht erinnern kann.
      Als ich das sorgfältig erledigt habe, setze ich mich unten im Wohnzimmer vor den Fernseher und beginne mir die kompletten zwei Staffeln Soy Luna reinzuziehen. Natürlich nicht an einem Tag. Die Ärzte haben gesagt, dass ich viel Ruhe brauche und mich nicht überanstrengen soll, was ich natürlich brav verfolge.

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Das ist das letzte Kapitel🙈!
Morgen kommt noch der Epilog💓

Ruggarol - Verlorene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt