20. Kapitel

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Ruggero

Nach einer gefüllten Stunde, in der wir quer durch die Stadt gelaufen sind, lasse ich mich auf eine Bank fallen und lehne mich nach hinten. Karol setzt sich dicht neben mich und lässt ihren Kopf auf meine Schulter fallen. »So anstrengend war es nicht«, sagt sie in die Stille hinein, die nur von vorbeilaufenden Passanten und Autogeräuschen unterbrochen wird.
      Ich erwidere nichts darauf und sehe mich in der Gegend um. Vor uns ist eine schmale Strasse, die bis zu unserem Hotel führt. Hinter uns befindet sich ein kleiner Park, der von vielen Bäumen umgeben ist. Plötzlich nehme ich ein Blitzlicht von links wahr und drehe mich auf die besagte Seite. Dort erblicke ich eine Horde von Menschen, die alle ihre Handys auf uns gerichtet haben. Erkennen sie uns?
      Kaum spürbar stosse ich meinen Ellbogen in Karols Seite und nicke zu meiner linken Seite. Sie wirft einen kaum auffälligen Blick dorthin. Bemerke die Ironie. Karol wirft ihnen einen auffordernden Blick zu und winkt sie herbei. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, es ist eher das Gefühl, was sie jetzt denken, wenn sie Karol und mich so draussen sehen. Ich sehe mich jetzt schon auf all diesen Bildern markiert.
      Sie erreichen uns in einem recht schnellen Tempo und schon beginnen sie Fotos mit uns zu machen. Teilweise verständige ich mich mit ihnen auf Englisch. Die Leute, die um uns herum stehen, starren uns verständnislos an. Das sind die, die uns wahrscheinlich nicht kennen. Es ist immer wieder amüsierend zu sehen, dass selbst die, die einen nicht kennen nach einer Zeit kommen und ein Foto mit dir machen.
      Nach einer Zeit haben alle das bekommen, was sie wollten und wenden sich langsam dem Gehen zu. Auch wir brechen langsam auf, da es begonnen hat leicht zu dämmern.
      Während wir nebeneinander herlaufen, spreche ich die Frage aus, die mir seit einiger Zeit auf der Zunge liegt. »Wollen wir es eigentlich öffentlich machen?«
      Sie runzelt die Stirn und sieht mich fragend an. »Was öffentlich machen?« Zuerst denke ich, dass sie die Frage ernst gemeint hat, bis ich ein leichtes Zucken ihrer Mundwinkel wahrnehme. Ich lege meinen einen Arm um ihre Schulter und den anderen um ihren Bauch. So, dass ich sie von der Seite umarme. Ihr Lachen dringt zu mir herauf und ich lasse sie lächelnd wieder los.
      »Karol, ich meine es Ernst«, versuche ich das Thema wieder aufzurollen, doch Karol beginnt plötzlich noch lauter zu lachen. Einige Menschen drehen sich um und betrachten Karol mit einem Schmunzeln. Sie krümmt sich vor Lachen und stützt sich an meinem Arm ab, um nicht auf den Boden zu fallen.
      »Du hättest dein Gesicht sehen sollen«, sagt sie und wischt sich ihre Lachtränen aus dem Gesicht. Belustigt schüttele ich meinen Kopf und warte geduldig ab, dass sie ihren Lachanfall beendet. Endlich ist sie fertig und richtet sich wieder ab. Kaum sieht sie mich an, verzieht sich ihr Mund wieder zu einem Grinsen und ich sehe schon den nächsten Anfall kommen. Schnell lege ich ihr meine Hand auf den Mund, doch mit dem mache ich alles noch schlimmer. Ein Prusten verlässt ihren Mund und schon ist es mit der Stille vorbei. Eigentlich hatte ich vor Ernst zu bleiben, doch ihr Lachen ist so ansteckend, dass sich meine Mundwinkel wie von alleine nach oben ziehen.
      »Karol, bitte«, stöhne ich und nehme ihre Hand, um sie hinter mich her zu ziehen. Mittlerweile ist die Sonne fast untergegangen und ich habe Angst mich in dieser Stadt zu verirren. Sie nickt und lässt sich von mir mitziehen. Nach einigen Metern, in denen sie versucht hat zu beruhigen, indem sie ruhig ein und aus atmet, schneide ich das Thema wieder an.
      »Karol, ich meine es nach wie vor Ernst.« Sie erwidert meinen Blick ebenfalls einigermassen ernst und nickt.
      »Wir sollten etwas warten«, sagt sie schliesslich. Ich bin vollkommen mit ihrem Vorschlag einverstanden.
      Wir sind wieder in unserem Hotel angekommen und versammeln uns schliesslich alle wieder unten im Restaurant.
      »Also Leute. Morgen steht ein Interview an und übermorgen ein Fotoshooting.« Diego wirft einen kurzen Blick zu Karol rüber. »Das ist nicht so schwierig, sich das zu merken.« Sie will gerade protestieren, lässt es dann aber doch sein. Mir wirft sie aber einen bösen Blick zu, den ich mit einem kurzen Grinsen quittiere. »Wann?«, frage ich und stütze mich auf dem Tisch ab.
      »Elf Uhr«, erwidert er und ich nicke. Ich sehe kurz zu Karol, die jedoch mit ihrer Mutter redet. Diego nutzt den Moment aus und nickt zu Karol. Ich runzele meine Stirn, so als würde ich nicht wissen, was er andeuten möchte. Er verdreht die Augen und macht den Mund auf, um etwas zu sagen, doch Karols Mutter hindert ihn daran.
      »Was?«, sagt sie und weitet ihre Augen. Ihr Blick wechselt im Sekundentakt zwischen Karol und mir hin und her, bis sich langsam ein Lächeln auf ihren Lippen bildet. Ein riesen Stein fällt mit von meinem Herzen. »Echt jetzt?«, fragt sie noch einmal. Diego macht ein empörtes Geräusch, das mich zum Lachen bringt. Kurz werfe ich Karol einen Blick zu. Apropos wir halten es Geheim. Sie zuckt mit den Schultern und wendet ihren Blick dann schliesslich ab.
      Eine Falte hat sich auf der Stirn von Karols Mutter gebildet, während sie mich ansieht. Ich weiss, an was sie denkt. An den Altersunterschied zwischen Karol und mir. Innerlich seufze ich. Bevor meine ganzen Gedanken jedoch eintrudeln können, spüre ich mein Handy in der Hosentasche vibrieren. Ich ziehe es aus meiner Hosentasche und entsperre es. Eine Nachricht von Agus.

Seid ihr gut angekommen?

Ich runzele die Stirn, da ich ihm das ja eigentlich geschrieben habe ... Schliesslich scrolle ich runter und sehe mir die zweite Nachricht an.

Geh auf Instagram. Ist das Echt?

Stirnrunzelnd schliesse ich die App und tippe auf Instagram. Nach einigen Sekunden hat sie geladen und ich tippe auf die Bilder auf denen ich markiert worden bin. Unwillkürlich halte ich meine Luft an und scrolle ein paar sekundenlang runter, bis ich einen kurzen Blick zu Karol hinüber werfe. Wie erwartet, haben sich die Bilder von Karol und mir extrem schnell verbreitet. Zügig tippe ich wieder auf Whatsapp und schreibe ihm zurück.

Ja und ja.

Er scheint auf meine Nachricht gewartet zu haben, da er sie sofort liest und beginnt zu schreiben.

Okay?

Diese Antwort entlockt mir ein leichtes Schmunzeln. Ich kann mir sein fragendes Gesicht praktisch schon vorstellen.

Ruggarol - Verlorene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt