16. Kapitel

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Ruggero

Ihre Augen weiten sich überrascht. Sie macht ihren Mund auf um etwas zu sagen, doch im nächsten Moment schliesst sie ihn wieder. Es macht mich verrückt, dass sie nichts sagt, doch ich versuche meine Nervosität zu drosseln und geduldig zu warten.
      Gerade in dem Moment, in dem ich meine, dass sie sich gefasst hat, beginnt ein Handy zu klingeln. Echt jetzt? Will mich das Schicksal eigentlich auf den Arm nehmen? Nach einigen Sekunden und Karols auffordernden Blick, begreife ich, dass es mein Handy ist, welches klingelt. Ich greife in meine Hosentasche und will den Anrufer gerade wegdrücken, als ich sehe, dass es Diego ist. Immer noch lasse ich mir nichts anmerken und nehme den Anruf möglichst ruhig entgegen.
      »Hallo«, sage ich in einem leicht unfreundlichen Ton. Diego scheint das nicht aufzufallen, da er direkt beginnt zu reden.
      »Der Flug für Morgen wurde verschoben«, teilt er mir mit. »um eine Stunde.«
      Und für das musste er genau in diesem Moment anrufen? Ich seufze und gebe ihm zu verstehen, dass ich es auch Karol sage. Er bedankt sich am Schluss und henkt ab. Karol sieht mich fragend an. »Was hat er gesagt?«
      »Der Flug morgen wurde um eine Stunde verschoben.«
      Erschrocken sieht sie mich an. »Welcher Flug?« Ihr Blick ist so schockiert, dass ich nicht anders kann, als loszulachen. Sie lässt sich von meinem Lachen leiten und beginnt ebenfalls zu Grinsen, da ihr mittlerweile wahrscheinlich eingefallen ist, dass wir Morgen nach Deutschland fliegen.
      Nach einigen Minuten sieht sie mich streng an und stützt ihre Hände in die Hüften. »Okay, du kannst langsam aufhören.« Mir fällt unser eigentliches Gespräch ein und mein Lachen vergeht mir augenblicklich. Auch sie scheint sich daran zu erinnern, da sie mich unsicher anblickt. Es wird still und ich habe das Gefühl die Spannung mit den Händen greifen zu können.
      »Meintest du das Ernst?«, fragt sie leise.
      Langsam beginne ich zu nicken. »Natürlich, wieso sollte ich dich anlügen?« Kaum merklich zuckt sie mit den Schultern und blickt verlegen zu Boden. Ihre Wangen haben sich leicht rötlich verfärbt, was sie viel Jünger erscheinen lässt. Unbewusst lege ich meine Hand um ihre, woraufhin sie wieder zu mir auf blickt. Ein leichtes Lächeln hat sich auf ihre Lippen gelegt, was ich ohne zu Zögern erwidere.

      »Wie lange dauert das denn noch?«, fragt Karol zum gefüllt tausendsten Mal innerhalb einer Stunde. »Immer noch eine halbe Stunde«, antworte ich und lehne mich in meinem Sessel zurück. Sie stöhnt und lässt ihren Kopf auf meine Schulter fallen. Grinsend sehe ich zu Diego, der genervt die Augen verdreht. Mit einem kleinen Nicken gebe ich ihm stumm Recht. Karol war beim letzten Flug viel angenehmer, da sie dort praktisch durchgehend geschlafen hat.
      »Das habe ich gesehen«, sagt sie mit einem strengen Unterton.
      Ich wende mich ihr zu hebe meine Augenbrauen. »Am liebsten würde ich dir einfach den Mund zu kleben.« Gespielt beleidigt nimmt sie ihren Kopf von meiner Schulter weg und dreht sich mit verschränkten Armen weg. Ich beginne zu lachen. »Hey, das war nicht so gemeint.« Sofort dreht sie sich wieder um.
      »Wie soll man das denn anders verstehen?«
      Gut, gegen diese Frage war auch ich machtlos. Sanft lege ich meine Finger unter ihr Kinn und drehe ihren Kopf in meine Richtung. Erstaunt sieht sie mich an. Ihr Blick springt kurz zu Diego, doch danach widmet sie sich wieder mir zu. Sie legt ihren Kopf wieder auf meine Schulter und schliesst ihre Augen. Ihre langen Wimpern legen sich auf ihre Wangen und ich versuche erfolglos meinen Blick von ihr abzuwenden. Nach einigen Minuten höre ich ihren gleichmässigen Atem, weshalb ich mich entspannt zurücklehne. Diese zwanzig Minuten Schlaf werden ihr wahrscheinlich nicht viel bringen, aber man kann es ja versuchen.
      Diego tippt mir von rechts auf die Schulter. Ich werfe ihm einen fragenden Blick zu. Mit einem kurzen Nicken, das er in Karols Richtung macht, weiss ich was er meint. Er will wissen, ob wir zusammen sind. Naja, genau kann ich es nicht sagen. Gestern haben wir unser Gespräch nicht wirklich weiter geführt, aber ich habe mir auch schon Gedanken darüber gemacht. Sind wir zusammen? Muss ich sie dafür fragen? Will sie überhaupt mit mir zusammen sein? In meinem Gedankenfluss vergesse ich komplett, dass Diego immer noch auf seine Antwort wartet.
      Ich habe ihr lediglich gesagt, dass ich etwas für sie empfinde. Aber Liebe ich sie auch? Bis jetzt wollte ich es mir immer ausreden, doch ich denke, dass ich sie wirklich liebe. Ich meine, wieso beginnt mein Herz schneller zu schlagen, wenn sie neben mir ist? Wieso kreisen meine Gedanken pausenlos um sie? Wieso fühle ich mich bei ihr zu Hause? Das Alles hat nur eine Antwort; weil ich sie liebe.
      Nach exakten zwanzig Minuten steigen wir aus dem Flugzeug aus. Karol ist noch recht wackelig auf den Beinen, weshalb ich unsere Hände miteinander verschränkt habe. Eigentlich bringt ihr das ja nichts ... Ich verscheuche die Gedanken und konzentriere mich darauf dicht hinter Diego zu bleiben.
      Immer wieder recken ein paar Leute ihre Köpfe neugierig zu uns rüber. Einige scheinen uns auch zu erkennen, da sie eifrig beginnen Fotos zu schiessen. Eigentlich würde ich gerne stehen bleiben und mit ihnen reden oder Fotos machen, aber Diego hat gesagt, wir sind sowieso schon spät dran. Nachdem wir unser Gepäck geholt haben, wurden wir von einem Taxi abgeholt und stehen jetzt in unserem Zimmer. In unserem Zimmer mit nur einem Bett. Ich hätte gedacht, dass so etwas nur in Filmen passiert. Dass zufälligerweise bei der Buchung etwas schief läuft und man schlussendlich zusammen in einem Zimmer landet. Aber siehe da, es gibt es auch im echten Leben. Karol liegt bereits schon im Bett und schläft ihren angefangenen Schlaf zu Ende. Ich dagegen bin hellwach.
      Nach einigem hin und her entschliesse ich mich doch dazu schlafen zu gehen und lege mich neben Karol hin. Ich lege mich so hin, dass ich genau in ihr Gesicht blicke. Stundenlang könnte ich ihr Gesicht studieren und trotzdem würde es mich jedes Mal aufs Neue faszinieren. Alleine schon ihre perfekt geformten Lippen, die mich nahezu dazu einladen sie zu küssen.

Ruggarol - Verlorene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt