3. Kapitel

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Karol       

Nach mehreren hunderten Versuchen, haben wir es schliesslich auch geschafft. Jetzt muss die Szene nur noch aufgenommen werden. Wieder begeben wir uns auf unsere Startposition und warten auf unser Zeichen.
      Ruggeros Hand liegt sanft an meiner Hüfte, was mir ein angenehmes Gefühl entlockt. Unbewusst sehe ich auf seine Hand, wende meinen Blick dann aber ab. Ich sehe nach rechts, wo er steht und begegne direkt seinem Blick. Für einen Moment verschlägt es mir die Sprache, weshalb ich das »Action« von Jorge fast nicht höre. Verwirrt lasse ich meinen Blick auf die Bahn gleiten und zähle in meinem Kopf stumm die Zahlen ab. Wir setzen uns in Bewegung und nach einigen Schritten dreht er mich wie vereinbart nur einmal. Unwillkürlich muss ich Lächeln, als ich an die Situation von vorher denke. Wahrscheinlich nicht einmal so schlecht, wenn ich jetzt lache. Schliesslich ist Luna in Matteo verliebt.
      Auch den Rest der Choreo tanzen wir ohne Probleme und kommen schliesslich am Ende an. Wir stehen einander gegenüber und sehen uns in die Augen.
      »Cut!«, höre ich und wende meinen Blick von seinen Augen ab. Gleichzeitig sehen wir zu Jorge, der uns bestätigend zu nickt. Die Szene ist abgedreht.
      Wir drehen nur noch die Szene, in der Luna, Simon und Matteo zusammen reden und dann gehe ich in die Garderobe. Für heute bin ich fertig. Die beiden jedoch noch nicht.
      In meinem Zimmer angekommen, lege ich mich erst einmal auf das Sofa und hole mein Handy hervor. In den letzten Stunden hatte ich das nicht einmal angefasst. Schnell entsperre ich es und gehe als aller erstes auf Instagram. Dort schaue ich erstmal, was die Anderen so gepostet haben und like das ein oder andere Bild. Dann gehe ich zu den Bildern, auf denen ich markiert worden bin. Immer wieder staune ich, wieviel Mühe sich die Leute geben. Ich klicke ein paar durch und like sie auch. Mein Blick bleibt auf einem Bild von Ruggero und mir hängen. Ich tippe drauf und sehe es mir genauer an.
      Bald schliesse ich daraus, dass ich das Bild noch nie gesehen habe. Jedoch erinnere ich mich an den Moment, in dem das Bild entstanden ist. Wir waren bei einem Fotoshooting und mussten uns, wie gerade eben, in die Augen schauen. Lange hielt ich es nicht aus und prustete los. Schnell wische ich das Bild weg und verstaue die Erinnerung in einem Kämmerchen, in meinem Gedächtnis. Ich streiche mir die herausgefallenen Haarsträhnen aus meinem Gesicht und richte mich auf. Mit langsamen Schritten laufe ich zu dem Tisch und setze mich auf den Stuhl. Ich beginne mich abzuschminken und anschliessend meine Sachen auszuziehen. Nachdem ich mich mit bequemeren Kleidern bekleidet habe, trete ich aus dem Zimmer heraus und henke Lunas Kleider wieder an den Kleiderständer. Gerade als ich mich umdrehen will, sehe ich Ruggero um die Ecke biegen. Zuerst bemerkt er mich gar nicht, bis er wahrscheinlich einen Blick auf sich wahrnimmt. Seinen davor gesenkten Blick, richtet er langsam auf und sieht mich an. Das warme braun seiner Augen, scheint mich ebenfalls zu erwärmen. Ich spüre, wie mir die Hitze in den Kopf steigt und ich nervös meinen Blick senke. Als ich nach einigen Sekunden wieder aufschaue, steht er immer noch dort und betrachtet mich. Sein Blick ruht entspannt auf mir, was mir ein angenehmes Gefühl entlockt. Fast schon verlegen wendet er seinen Blick ab und dreht sich leicht zur Seite, damit er sein Zimmer betreten kann. Bevor er jedoch ganz in das Zimmer tritt, sieht er noch einmal zu mir. Ich erwidere seinen Blick. Dann geht er rein und ich höre nur noch, wie er die Tür schliesst. Verstört über diese Situation, drehe ich mich ebenfalls um und steuere auf den Ausgang zu.
      In Gedanken, an die vorherige Situation, stosse ich die Tür auf und nehme die lauten Stimmen um mich herum zuerst gar nicht wahr. Bis ich dann langsam von allen Seiten meinen Namen höre. Erschrocken blicke ich in die Menge von Leuten, die mich umzingelt hat und bin zuerst überwältigt. Das ist das Letzte, was ich im Moment erwartet hätte. Gerührt von all den Menschen, die sich hier versammelt haben, bringe ich ein echtes Lächeln auf meine Lippen. Jedoch weiss ich, dass ich nicht so viel Zeit habe, da ich später noch zu einer Fernsehshow eingeladen bin. Ein Mädchen steht neben mich hin und hält ihr Handy vor uns. Als sie das Foto geschossen hat, sehe ich sie an und erkenne einen leichten glitzernden Schimmer in ihren Augen. Kurzerhand umarme ich sie. »Nicht weinen.«, sage ich und lächele. Langsam löse ich mich von ihr und bevor ich noch etwas sagen kann, kommt ein weiteres Mädchen.
      So geht das weiter, bis ich meine Mutter in der ganzen Menge entdecke. Gestresst zeigt sie auf ihre nicht vorhandene Uhr. Schweren Herzens werfe ich einen entschuldigenden Blick in die Runde.
      »Ich liebe euch.«, rufe ich und beginne langsam loszulaufen. Nach einigen Minuten bin ich aus der Menge herausgekommen und steige in das Auto ein. Bevor meine Mutter jedoch losfährt, lasse ich das Fenster runter und winke ihnen noch einmal zu. Es macht mich jedes Mal so unfassbar glücklich, zu sehen, wie viele Menschen täglich darauf warten mit mir ein Foto zu machen.
      Nachdem wir einige Minuten stillschweigend gefahren sind, kommen wir zu Hause an und ich steige sofort aus. Ich weiss, dass mein heutiger Abend ziemlich stressig sein wird, weshalb ich schnell in mein Zimmer renne und das Nötigste zusammenpacke.
      »Karol!«, höre ich die Stimme meiner Mutter von unten.
      »Ich komme!«, rufe ich und suche verzweifelt nach meiner Tasche. Nach einigen erfolglosen Minuten, fällt mir ein, dass ich die Tasche im Auto gelassen habe. Ich schlage mir mit meiner Hand auf die Stirn und drehe mich um.
      Meine Mutter sitzt schon im Auto und trommelt mit ihren Fingern auf das Lenkrad. Alle Sachen, die ich eigentlich in meine Tasche packen wollte, trage ich auf meinen Händen und schaffe es schliesslich mit viel Glück alles heil ins Auto zu bringen. Grinsend sieht mich meine Mutter an, woraufhin ich beginne zu lachen.

Ruggarol - Verlorene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt