32. Kapitel

555 33 4
                                    

Ruggero

      »Natürlich«, antwortet sie. Ein Stein fällt mir vom Herzen. Das wär es noch, wenn sie das Angebot von diesem Typen angenommen hätte.
      »Aber was machst du hier?«, wechselt Karol das Thema.
      Ich zucke mit den Schultern. »Ich bin zufällig hier vorbei gekommen.« Sie nickt und lehnt ihren Kopf an meinen Arm. Wie automatisch, lege ich meinen Arm um ihre Schultern. Lächelnd blickt sie zu mir rauf. Meinen Kopf drehe ich nach links und gebe ihr einen kurzen Kuss auf den Kopf.
      Eine Stunde später, kommen wir bei meiner Wohnung an. Karol sieht ziemlich durchgefroren aus, was ich bei diesen Temperaturen auch verstehe. Ich öffne die Eingangstür und lotse sie bis zu meiner Wohnung.
      Drinnen angekommen, blickt sie sich suchend um.
      »Was suchst du?«, frage ich stirnrunzelnd. Sie antwortet mir nicht, sondern stürmt in eine Ecke, bei der die Sofas zusammentreffen. Glücklich seufzend setzt sie sich auf den Boden und streckt ihre Beine aus. Immer noch fragend sehe ich sie an.
      Mit einem übertriebenen Grinsen quittiert sie meinen Blick. »Hier ist eine Heizung.« Sie sagt es so, als wäre es die normalste Sache der Welt vollbepackt mit einer Winterjacke in einer ziemlich gut gewärmten Wohnung, zu einer Heizung zu rennen.
      Nachdem ich mir meine Jacke ausgezogen und aufgehängt habe, gehe ich langsam auf sie zu. Sie ist mit einer Körperhälfte an der Heizung angelehnt. Ich trete hinter sie, schlinge meine Arme um ihren Bauch und halte sie so in die Höhe, dass ihre Beine den Boden nicht berühren. Erschrocken quiekt sie auf. Im nächsten Moment jedoch, beginnt sie zu lachen.
      »Was wird das, wenn es fertig ist?«, fragt sie. Ich ignoriere es und lege mich mit Karol zusammen auf das Sofa. Einige Sekunden hört man nur unseren regelmässigen Atem, bis sie sich räuspert. »Und jetzt?«
      Da sie mit ihrem Rücken auf meinem Bauch liegt, kann ich ihr Gesicht leider nicht sehen.
      »Mir ist voll warm«, gesteht sie.
      Ich tue so, als würde ich überlegen, wieso das so ist. »Vielleicht, weil du eine Jacke und einen Schal in einer zwanzig Grad Wohnung an hast?«
      »Ja, ja. Ich habe es verstanden. Lass mich los.« Ich gehorche ihr und lasse sie abrupt los. Ohne Vorwarnung rollt sie von mir runter auf den Boden. Hoffentlich hat ihre Jacke sie gut abgefangen. Wieder beginnt sie zu Lachen. Eine Sekunde später steige ich in ihr Lachen ein und sehe zu, wie sie sich vor Lachen auf dem Boden wälzt.
      Nach ihrem Lachanfall, steht sie auf und zieht ihre Jacke und ihren Schal aus. Von der Hitze sind ihre Wangen ganz rot geworden, was sie echt süss erscheinen lässt. Die Sachen wirft sie auf das andere Sofa und kommt schliesslich wieder auf mich zu. Darauf folgend legt sie sich halb auf mich und halb neben mich. Ihren Kopf legt sie tiefenentspannt auf meine Brust und schliesst die Augen. Ich schlinge meine Arme um ihre Hüfte und höre sie seufzen.
      »Konntest du mit deiner Mutter reden?«, frage ich in die Stille hinein.
      Sie hält die Luft an und richtet sich auf, sodass sie mir in die Augen sehen kann. Ihr Blick fixiert etwas hinter mir, während sie überlegt, was sie sagen soll. »Nein«, sagt sie schliesslich so leise, dass ich es fast nicht verstanden hätte.
      »Soll ich mit ihr reden?«
      Karol sieht mich belustigt und gleichzeitig verwirrt an. »Was willst du ihr denn bitte sagen?«
      Ich zucke mit den Schultern, woraufhin sie lächelt. »Ich wollte einfach einen Vorschlag bringen«, murmele ich.
      Sie stösst einen kurzen Lacher aus und sieht mich dann wieder an. »Dann bring das nächste Mal bitte einen brauchbaren Vorschlag.«
      »Ich werde es versuchen«, sage ich mit einem Grinsen. Sie legt ihren Kopf wieder ab und legt ihre Hand auf mein Gesicht. Einige Sekunden tastet sie auf meinem Gesicht herum, bis sie ihre Hand auf meinen Mund legt. »Was wird das?«, frage ich. Doch man versteht es nicht wirklich.
      »Psst«, kommt es von ihr. »Sag einfach nichts.«
      Ich strecke meine Zunge aus und berühre damit ihre Handfläche, woraufhin sie ihre Hand wegzieht. »Du bist eklig.«
      Durch mein Lachen bewegt sich ihr Kopf hin und her. Schliesslich richtet sie sich wieder auf und stützt ihr Kinn auf meiner Brust. »Ich will schlafen«, betont sie.
      Verschmitzt erwidere ich ihren Blick. »Dann schlaf?« Ich lasse meine Aussage wie eine Frage klingen.
      Sie kräuselt ihre Nase und kneift ihre Augen zu schmalen Schlitzen zu. »Wie soll ich bitte schlafen, wenn du die ganze Zeit redest?«
      Unbewusst fällt mein Blick auf das andere Sofa. Sie versteht es falsch und macht sich daran von mir runterzugehen. Noch rechtzeitig umfasse ich ihre Hüfte mit meinen Armen und hindere sie so daran runter zu gehen.
      Grinsend sieht sie mich an. »Okay, aber lass mich in Ru-« Noch bevor sie ihre Warnung vollenden kann, lege ich meine Lippen auf ihre. Zuerst ist sie überrascht, fasst sich aber schnell wieder. Sie legt ihre Hände an meine Wangen und erwidert den Kuss. Zufrieden über meinen Erfolg, kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Konzentriere mich aber schnell wieder auf Karol.
      Irgendwie schaffe ich es uns zu drehen, sodass sie unter mir liegt. Ich stütze mich mit meinen Ellbogen neben ihrem Kopf ab und löse mich von ihr. Bevor ich mich wieder runterbeuge, sehe ich ihr einen Moment lang in ihre funkelnden grünen Augen. Sanft streife ich ihre Lippen mit meinen, während ich mit meinen Fingern ihren Arm runterfahre. Es bildet sich eine Gänsehaut darauf. Sie schliesst für einen Moment die Augen und öffnet sie dann wieder. Die Intensität, mit der sie mich ansieht, lässt mein Herz schneller schlagen. Alleine schon ihre Wimpern, die kleine Schatten auf ihr Gesicht werfen, sind perfekt. Alles an ihr ist perfekt.
      Fast schon gierig beuge ich mich wieder zu ihr runter. Sanft beisse ich ihr auf die Unterlippe, woraufhin sie mit Mühe versucht ein leises Stöhnen zu unterdrücken. Meine Mundwinkel ziehen sich leicht nach oben, bevor ich sie wieder küsse. Alle meine Emotionen stecke ich in diesen Kuss hinein. Ich schmecke den süssen Duft von warmer Schokolade, die sie vorher getrunken hat. Langsam wandere ich mit meinen Händen ihre Seiten herab und stoppe bei ihrer Hüfte. Ohne den Kuss zu unterbrechen, fahre ich mit einer Hand unter ihren Pullover. Ich hätte weiter gemacht, aber mir ist das kurze Zögern ihrerseits nicht entgangen.
      Ich löse mich von ihr. Ihr unregelmässiger Atem schlägt mir gegen die Lippen, während ich ihre Augen betrachte. »Tut mir leid«, sage ich, mache aber keine Anstalten von ihr runterzugehen.
      Bestimmt schüttelt sie den Kopf. »Nein, es tut mir leid.«
      »Karol, entschuldige dich nicht«, sage ich ernst.
      Sie beisst sich grinsend auf die Unterlippe. »Entschuldige du dich nicht, du-« Sie stockt, da ihr keine Beleidigung einfällt. Angriffslustig ziehe ich meine Augenbrauen in die Höhe. »du Snob«, beendet sie schliesslich ihren Satz.
      Grinsend lege ich meine Lippen auf ihre Stirn und gebe ihr einen sanften Kuss. »Ich liebe dich«, flüstere ich.
      »Ich dich auch«, höre ich sie sagen.

Ruggarol - Verlorene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt